Beim CSD 2018 in Köln führten die Initiatoren des Kölner Lesben- und Schwulentags (KLuST) die größte Demonstration für die Rechte von LSBTQI-Menschen in ihrer bisherigen Geschichte durch. 170 Trucks und Fußgruppen nahmen teil – so viele wie nie zuvor. Mit über einer Million Besuchern wurde ein neuer Teilnehmerrekord verbucht. CityNEWS fasst das CSD-Wochenende der bunten Superlative zusammen.
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Grenzenloser Einsatz von hunderten Freiwilligen
Es geht ihnen um die Sache – es geht ihnen um Gleichberichtigung. Dies zeigten auch in diesem Jahr wieder hunderttausende Menschen beim Christopher Street Day in Köln, die am CSD-Straßenfest und Demo teilnahmen oder selbst mitgingen. Der KLuST als Veranstalter des ColognePride hatte auch in diesem Jahr wieder eine Vielzahl von politischen und gesellschaftlichen Forderungen formuliert. Demo-Leiter Jörg Kalitowitsch hatte von 170 Teilnehmergruppen Anmeldungen erhalten, die zu Fuß, in PKWs oder auf LKWs die Schaulustigen am Wegesrand begeisterten – darunter waren auch wie in jedem Jahr Drag-Queens in ausgefallenen Kleidern und viele andere Demonstranten in skurrilen Verkleidungen. Das gehört dazu.
Möglich machten dies neben dem achtköpfigen KLuST-Vorstand, hunderte freiwillige Helfer, die bspw. als Wagen- oder Demo-Engel dafür sorgten, dass die Demonstration trotz der enormen Größe, ohne Zwischenfälle stattfinden konnte. Bemerkenswert war bei der Demo insbesondere die Arbeit der Demo-Engel, die trotz großer Anstrengung bei heißen Temperaturen, für jeden am Wegesrand ein Lächeln und warme Worte übrig hatten. Ihr Tag begann bereits um 6:30 Uhr bei einer letzten Einweisung vor der Demo.
Bereits am Freitag gab es eine höchst professionelle Einweisung durch die Demo-Leiter Jörg Kalitowitsch (der seinen “Posten” in diesem Jahr an die jüngere Generation, wie er auf der Bühne sagte, abgeben wird) und Hans Douma. Die Demo-Engel waren bestens vorbereitet und das merkte man auch. Beispielsweise dann, wenn sich einzelne Demoteilnehmer auf den LKWs oder Wagen kurzzeitig danebenbenommen hatten. Dann wurde das klar, deutlich, aber immer freundlich angemerkt. Unnötige Diskussionen wurden so im Keim erstickt.
CSD 2018 lief ohne große Zwischenfälle ab
Es lief einfach rund, auch wenn sich durch die enorme Länge des Demo-Zuges der Zeitplan etwas verschob. Dennoch: ihr Engagement und ihre Herzlichkeit kann man nicht genug loben und hervorheben. Gerade die Herzlichkeit aller Menschen beim CSD war imponierend. Ihnen ist egal, wie einer aussieht, wie er spricht, wo er herkommt und erst Recht, wen er liebt – das ist wahrlich etwas, wo sich manche Heteros eine Scheibe von Abschneiden könnten. Diese Herzlichkeit und Friedlichkeit bekamen auch die Einsatzkräfte der Polizei und die Rettungskräfte zu spüren. Selten hat man Polizisten bei einer Demonstration so entspannt am Wegesrand stehen sein. Sie hatten weniger Einsätze als an einem normalen Wochenende ohne Großveranstaltung.
Es gab nur vereinzelte Festnahmen, die auch nicht immer mit dem CSD zusammenhingen, da bereits vorher Haftbefehle existierten. Beim Kölner Karneval, wo ein Umzug in einer ähnlichen Größenordnung stattfindet, ist das nicht so – und das obwohl dieser längst nicht so politisch ist wie die Demo. Oft hat man auch das Gefühl, dass die Teilnehmer am Karneval längst vergessen haben, warum das eigentlich gefeiert wird. Beim CSD ist das anders – da weiß wirklich jeder, worum es geht: um rechtliche Gleichberechtigung und gesellschaftliche Akzeptanz.
Menschen waren “proud to be on a pride”
Ganz allgemein gesprochen, waren diese Tage in Köln so friedlich und herzlich, wie man es kaum erleben und glauben kann. Natürlich haben die Menschen am Wegesrand und auch auf den Wagen zwischendurch mal Alkohol getrunken – doch endete das nicht, wie beispielsweise so oft beim Karneval, in Schlägereien, Pöbeleien und Alkoholleichen, sondern ergab ein friedliches Beisammensein, frei nach dem Motto: “proud to be on a pride.” Wenn Polizei- oder Rettungswagen vorfahren mussten, dann hing dies eher damit zusammen, dass Besucher aufgrund der heißen Temperaturen und intensiven Sonneneinstrahlung schlichtweg “eingegangen” sind. Das sieht man aber auf so ziemlich jeder Veranstaltung, bei der solche Witterungsbedingungen herrschen.
CityNEWS hat als Medienpartner das Bühnenprogramm vom Heumarkt sowie die komplette CSD-Demo-Parade aus Köln in einem kostenlosen Livestream übertragen. So konnten auch alle Daheimgebliebenen und die es nicht in die Domstadt geschafft haben (oder wollten) live dabei sein.
Warum der CSD nicht zu kommerziell ist
Das Rahmenprogramm zur CSD-Demo und ColognePride, lief bereits am 23. Juni 2018 an. Seitdem gab es täglich mindestens eine Veranstaltung zu politischen, gesellschaftlichen und weiteren wichtigen Themen, die die LSBTQI-Menschen bewegen. Auch in diesem Jahr mündete der ColognePride in dem großen Straßenfest, bei dem seit Freitag, 6. Juli 2018, bis Sonntag, 8. Juli 2018, auf drei Bühnen insgesamt rund 70 Stunden Programm geboten wurde. Dabei wurde in diesem Jahr die Politurbühne am Alter Markt insbesondere für mehr politisches Programm noch einmal erweitert. Hier fanden noch mehr politische und gesellschaftliche Diskussionen und Veranstaltungen statt. Das liegt auch daran, weil sich die Veranstalter, der KLuST, oftmals dem Vorwurf gegenübersieht, der ColognePride sei zu kommerziell.
Klar ist aber auch, dass solch eine Großveranstaltung Partner braucht, die einen CSD in dieser Größenordnung möglich machen. Wenn diese Unternehmen, die finanziell den CSD unterstützen, darüber hinaus auch in ihren eigenen Reihen Diversity leben, sollten sie dies auch zeigen können. Das schafft nicht nur einen Mehrwert für die Unternehmen oder den CSD selbst, sondern auch für die Stadt Köln, deren Kassen durch ausgebuchte Hotels und regen Betrieb in den Gastro-Betrieben, klingeln, wenn über eine Million Menschen die Stadt in bunte Farben hüllen. Und es zieht auch neue Menschen in die Domstadt, die hier arbeiten möchten, weil diese Stadt so ist wie sie ist – auch und vor allem wegen der LSBTQI-Community, die friedlich und bestimmt für ihre Rechte eintritt.
Ein weiterer Kritikpunkt, der immer öfters aufkommt, ist, dass der CSD zu “schwul” sei, sprich zu viele “Männer” wären beteiligt. An diesem Vorwurf ist möglicherweise sogar etwas dran. Der Anteil an männlichen Teilnehmern war größer. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass homosexuelle Männer mit dem “schwul-sein” etwas extrovertierter umgehen als lesbische Frauen und ihre Neigungen oder Vorlieben.
Flammende Reden und politische Diskussionen
Auf der großen Hauptbühne am Heumarkt waren an allen drei Tagen tausende Menschen auf den Platz gekommen, die das Programm mit Freude verfolgten. Tausende drängten sich Tag für Tag auf den Platz, um Veranstaltungen zu Politik, Gesellschaft und auch, um musikalischen Acts zu lauschen. Auch an der Tanzbühne und der Politurbühne am Alter Markt war der Andrang groß.
Besonders eindrucksvoll war dabei unter anderem die flammende Rede der Bundestags-Vizepräsident Claudia Roth auf der Hauptbühne, die noch während des Demo-Zugs stattfand. Sie erntete bei den Besuchern auf dem Heumarkt an vielen Stellen tosenden Applaus. Lautstark machte sie sich für die rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung von Homosexuellen und Transmenschen stark und sagte denjenigen den Kampf an, die bereits existierende Rechte wieder beschneiden wollen. Darüber hinaus fand eine fünfköpfige Diskussionsrunde, bei der unter anderem die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) teilnahm, sowie Vertretern der CDU, FDP, Grünen und Linke.
Emotionaler Höhepunkt: “Kerzenlichter gegen das Vergessen”
Das emotionale Highlight am Samstagabend war zum Abschluss das “Kerzenlichter gegen das Vergessen”. Hier wurde der Heumarkt von den Menschen mit Kerzen erleuchtet, die gemeinsam denjenigen gedachten, die aufgrund einer HIV- oder AIDS-Erkrankung nicht mehr leben, sowie denjenigen die an anderen Umständen gestorben sind. Eindrucksvoll hierbei war das Verlesen der Namen der Gestorbenen durch Kölns Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes, die sichtlich und hörbar tief betroffen war. Tags zuvor hatte sie gemeinsam mit dem KLuST das Straßenfest eröffnet. Die “Kerzenlichter gegen das Vergessen” waren beeindruckend, berührend und hoch emotional. Danach musste man wirklich kurz innehalten und die Gedanken im Kopf ordnen.
Das waren die Programm-Highlights
Besonders freuten sich die Menschen am Heumarkt auf die Auftritte von Conchita, die mit ihrem öffentlichen Bekenntnis zu ihrer HIV-Erkrankung, ideal zum CSD-Motto: “Coming-out in Deinem Style“, passte und auf die aktuelle ESC-Gewinnerin Netta. Leider gab es beim Auftritt der Israelin technische Schwierigkeiten, sodass bei ihr, als letztem Programmpunkt, keine Zugabe mehr möglich. Schade, denn ihr Auftritt, bei dem sie eine Loop-Station nutzte, war musikalisch sicher der wertvollste. Wie ein Flummi sprang sie auf der Bühne hin und her und heizte mit ihrer Stimme und Lauten der Menge heftig ein, die nach dem langen Demo-Sonntag noch einmal voll mitgingen. Für die nicht mehr mögliche Zugabe gab es vom Publikum Buh-Rufe.
Doch die legten sich schnell wieder, als alle Beteiligten beim CSD zum Abschluss noch einmal auf die Bühne kamen und “Niemals geht man so ganz” gespielt wurde. Der CSD 2018 in Köln war eine Veranstaltung der Superlative. Ein Besucherrekord mit deutlich über einer Million Teilnehmern wurde verzeichnet. Der Demo-Zug war mit 170 Wagen und Fußgruppen der größte der (bisherigen) Geschichte und das obwohl mit der Ehe für alle im vergangenen Jahr ein großer Meilenstein für die LSBTQI-Community erreicht wurde. Doch das war nur ein wichtiger Schritt, um die gesetzliche Gleichstellung und die gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen. Es gibt noch viel zu tun! Es wird spannend zu beobachten, was die Initiatoren des CSD in Köln im nächsten Jahr gestalten werden.