CSD in Köln: Der KLuST-Vorstand im Interview über den ColognePride, Politik und Gesellschaft

CSD in Köln: Der KLuST-Vorstand im Interview über den ColognePride, Politik und Gesellschaft<br /> v.l.n.r.: Jörg Kalitowitsch, Martin Hommel, Ina Wolf und Uwe Weiler copyright: CityNEWS / Christian Esser
CSD in Köln: Der KLuST-Vorstand im Interview über den ColognePride, Politik und Gesellschaft
v.l.n.r.: Jörg Kalitowitsch, Martin Hommel, Ina Wolf und Uwe Weiler
copyright: CityNEWS / Christian Esser

Das große CSD-Wochenende und die Demo-Parade am Sonntag rücken immer näher. CityNEWS hat mit den Veranstaltern vom Kölner Lesben- und Schwulentag (KLusT) über die diesjährigen Highlights beim CSD in Köln, sowie politische und gesellschaftliche Probleme gesprochen. Die Vorstandsmitglieder des Vereins Ina Wolf, Martin Hommel, Uwe Weiler und Jörg Kalitowitsch geben detaillierte Einblicke in ihre ehrenamtliche Arbeit.

Inhaltsverzeichnis

CityNEWS: Nicht mehr viele Stunden bis zum CSD-Wochenende mit dem Highlight der großen Demo-Parade. Wie sieht es aus? Wie gut liegt ihr im Plan?

Martin Hommel: Wir sind wirklich gut im Plan. Es steht sogar schon mehr als wir dachten. Es ist anstrengend, aber es ist alles im Lot.

CityNEWS: Gibt es im Vergleich zu den Vorjahren andere Herausforderungen?

Martin Hommel: Es ist schon so, dass der Bereich Veranstaltungssicherheit – das betrifft aber jede Veranstaltung – immer mehr an Bedeutung gewinnt. Das hat nicht nur mit Attentaten zu tun. Das hat insbesondere damit zu tun, dass das Bewusstsein dafür seit dem Unglück bei der Loveparade 2011 in Duisburg gestiegen ist. Es gibt zwar nicht mehr Auflagen im Vergleich zu den Vorjahren. Aber auch wir gehen Jahr für Jahr verschiedene Szenarien durch. Dabei fallen uns dann immer nochmal neue Dinge auf, die beachtet werden sollten. So sind wir auf alle Eventualitäten vorbereitet.

Jörg Kalitowitsch: Die Sicherheit ist absolut gewährleistet. Wir haben so viele freiwillige Helfer und Ordner beim Kölner CSD. Da sind die Demo- und Wagenengel, die aufpassen. Wir haben eine eigene Security-Firma beauftragt, die die Augen offenhält und hinzukommen natürlich auch Polizisten in Uniform und in Zivil. Da sind wir gut aufgestellt.

Uwe Weiler: Man muss schon sagen, dass wir sehr viel selbst machen. Wir als Verein übernehmen im Vergleich zu den vorherigen CSDs in Köln noch mehr Aufgaben. Das ist schon ein großer Unterschied zu den Vorjahren. Gerade Martin Martin Hommel hat sich sehr in das Thema Veranstaltungssicherheit eingearbeitet und Schulungen besucht. Insbesondere deshalb können wir Aufgaben, die vorher Agenturen übernommen haben nun selbst ausführen. Das ist ein Unterschied zu den vorherigen Vorständen. Wir wollen ganz genau an jeder Stelle wissen, was passiert und was getan werden muss. Und ich glaube, dass wir bei allen wichtigen Punkten extrem viel für getan haben und bestmöglich aufgestellt sind.

Martin Hommel: Wir bekommen auch immer wieder ein tolles Feedback. Beispielsweise von einer Karnevalstruppe, die sonst bei allen Umzügen in Köln mitgehen und auch bei uns. Sie sagten mir, dass die bestorganisierte Veranstaltung in Köln die CSD-Demo-Parade ist.

Uwe Weiler: Das ist schon beeindruckend, was das gesamte Team leistet. Das sieht man gar nicht, was da alles im Hintergrund geleistet wird.

Jörg Kalitowitsch: Wir wollen so gut vorbereitet sein auf alle Eventualitäten, sodass wir sagen können, sollte dann doch mal irgendwo was sein: Wir haben das bestmögliche getan und sind der Situation auch gewachsen. Vor ein paar Jahren war ja beispielsweise die Situation, dass wir kurzfristig den Demo-Start verschieben mussten. Aber wir waren gut vorbereitet, sodass selbst die Polizei gesagt hat: “Ok wow, Du bist ja ganz schön abgewichst.” Es lief reibungslos ab. Wir hatten die Situation aufgenommen. konnten entscheiden zwischen Plan A und Plan B, haben dann Plan A durchgezogen und es funktionierte.  Es hatte kaum Auswirkungen auf die Zuschauer und die Veranstaltung. Aber das muss man glaube ich auch ein bisschen im Blut haben und man muss sich auch immer wieder weiterbilden, damit es im Ernstfall wirklich gut klappt.

Uwe Weiler: Hinzu kommt, dass man mit den Jahren auch eine gewisse Routine entwickelt.

CityNEWS: Kann man das beziffern, wie viele Ehrenamtler mithelfen beim CSD in Köln?

Martin Hommel: Organisatorisch für den CSD und ColognePride wirken rund 300 Ehrenamtler mit.

Jörg Kalitowitsch: Hinzu kommen die Demo- und Wagenengel. Wenn ich die dazu zähle, sind das auch nochmal rund 250 Ehrenamtler zusätzlich. Also etwa 550 Personen insgesamt.

CityNEWS überträgt als Medienpartner das Bühnenprogramm vom Heumarkt sowie die komplette CSD-Demo-Parade aus Köln in einem kostenlosen Livestream!

Das werden die Highlights zum CSD-Wochenende in Köln

Zum ColognePride 2018 wird ein großes Bühnenprogramm in der Kölner Altstadt präsentiert. copyright: ColognePride
Zum ColognePride 2018 wird ein großes Bühnenprogramm in der Kölner Altstadt präsentiert.
copyright: ColognePride

CityNEWS: Was sind denn die Highlights in diesem Jahr?

Uwe Weiler: Ich glaube, dass wir das diesjährige Motto richtig gut umgesetzt haben: “coming-out in Deinem Style”. Wir haben eine Coming-out-Box, in der Menschen über ihr coming-out sprechen können. Das kann lustig sein, aber natürlich auch ernst. Die wurde bereits bei vorherigen Veranstaltung, beispielsweise bei der Hochzeitsnacht 2.0 aufgebaut und das wurde auch da schon richtig gut angenommen von den Leuten, die generationenübergreifend ihre persönlichen Erfahrungen geschildert haben. Die “Coming-out-Box” wird auch beim CSD in Köln aufgebaut sein. Einzelne Videos zeigen wir dann auch schon auf der großen Leinwand beim CSD und im Nachgang wird ein großer Clip online gestellt werden. Das machen wir zusammen mit dem Jugendzentrum anyway, die das Filmteam stellen.

Martin Hommel: Hinzu kommen gleich zwei ESC-Gewinnerinnen mit Conchita Wurst, die die Demo mit eröffnen soll und die diesjährige ESC-Gewinnerin Netta.

Jörg Kalitowitsch: Mein Highlight wird natürlich der Demonstrationszug mit 170 Wagen und Fußgruppen, die mitlaufen werden. Das ist die mit Abstand größte Demo, die wir je hatten. Und was auch toll ist, dass sich wieder viele interessante Politiker angekündigt haben, obwohl kein Wahljahr ist, beispielsweise die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey. Zur Eröffnung des Straßenfests am Freitag wird unter anderem der NRW-Minister Herr Dr. Joachim Stamp kommen.

Martin Hommel: Der Bundesaußenminister Heiko Maas wollte auch gerne kommen, hat aber leider in diesem Jahr wirklich keine Zeit. Es kommen zur Demo auch weitere hochrangige ausländische Politiker, die bei der Demo dabei sein werden. Der Bundespräsident oder die Kanzlerin werden in diesem Jahr aber leider nicht kommen. Es gibt aber gute Anzeichen, dass das vielleicht im nächsten Jahr klappen könnte, dass einer von den beiden zum CSD kommt.

Uwe Weiler: Was ich wichtig finde ist, dass Lukas Rieger kommt. Das ist ein Programmpunkt, den ich eingebaut habe, der ganz bewusst auf die sehr junge Zielgruppe abzielt. Ich finde er macht eine extrem wichtige Arbeit in Sachen Toleranz, Aufklärung und Akzeptanz, obwohl er noch so jung ist. In seinen Konzerten baut er von sich aus immer einen Block ein, bei dem er darauf aufmerksam macht, dass alle friedlich miteinander umgehen sollen, egal wen man liebt. Das ist großartig.

Jeder Pride ist genauso wichtig wie alle anderen

"Jeder Pride ist genauso wichtig wie alle anderen" copyright: pixabay.com
“Jeder Pride ist genauso wichtig wie alle anderen”
copyright: pixabay.com

CityNEWS: Was glaubt ihr, wie viele Besucher kommen werden? Wird die 1.000.000 geknackt?

Martin Hommel: Ich glaube, dass der große Demo-Zug und auch das voraussichtlich gute Wetter vielleicht noch ein paar mehr Leute anlockt als in den Vorjahren. Aber die Besucherzahlen sind allgemein enorm schwer zu schätzen. Im nächsten Jahr wollen wir versuchen die Zahlen noch genauer zu erheben, vielleicht in Form einer wissenschaftlichen Studie.

Jörg Kalitowitsch: Diese Millionengrenze gibt es schon relativ lange. Aber das ist auch nicht das Hauptkriterium. Ob es 950.000 Leute oder eine Millionen sind, das macht die Demo nicht wertiger. Erstmal ist jeder Pride genauso wichtig wie alle anderen. Da sind die 500 Leute, die beim Pride in Pirna mitgehen, genauso spannend, wie die Massen, die hier mit dabei sind. Wir erreichen die Menschen nur halt auf eine andere Art und Weise.

Uwe Weiler: Wenn man den ColognePride als Ganzes sieht, sind wir aber europaweit der größte Pride. Da spielen nicht nur die Menschen hinein, die mit dabei sind, sondern auch vor allem das große Programm, das ja schon seit vielen Tagen läuft. Beim CSD-Wochenende gibt drei Bühnen mit über 70 Stunden Programm. Wir haben ein sehr großes politisches Programm und interessante Diskussionen vorbereitet. Den Vorwurf, der häufig kommt, dass wir zu kommerziell seien oder zu viel gefeiert wird, sehe ich nicht so. Feiern gehört dazu. Aber was den Anteil des politischen Programms angeht, sind wir wirklich gut aufgestellt und haben das für dieses Jahr auch noch einmal erweitert. Und ich finde, dass man auch die ganzen Erfolge, politisch und gesellschaftlich in den letzten Jahren, feiern sollte.

Jörg Kalitowitsch: Die reinen Werbe- und Musiktrucks haben wir strukturell ganz gut rausgekriegt aus der Demo. Wenn aber eine Firma eine Diversity-Abteilung hat und ein guter Arbeitgeber für Schwule, Lesben und Transmenschen ist, dann finde ich, dass man das auch zeigen darf. Und dann finde ich auch die Diskussion dann teilweise bezüglich der Kommerzialität an den Haaren herbeigezogen.

Uwe Weiler: Da gibt es auch feste Regularien, an die sich die Wagen halten müssen. Da muss entsprechend das Motto dargestellt werden. Reine Werbewagen würde Jörg, der die Demo leitet, auch gar nicht zulassen.

KLuST-Vorstand erkennt Verrohung der Gesellschaft

Die CSD-Demonstration durch die Kölner Innenstadt bildet immer einen der Höhepunkte des ColognePride copyright: ColognePride
Die CSD-Demonstration durch die Kölner Innenstadt bildet immer einen der Höhepunkte des ColognePride
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CityNEWS: Gab es denn im Vorfeld des CSD in Köln einen gewissen Gegenwind? Es gibt ja durchaus Strömungen, die gegen Eure Bewegung sind oder hetzen.

Uwe Weiler: Nein, wirklichen Gegenwind gab es nicht. Und wenn es den gegeben hätte, dann hätten wir auch gewusst, wie wir uns dagegen wehren können. Das einzige, was man vielleicht hat, sind teilweise die Anwohner, die mal meckern. Aber da müssen sich die Leute auch mal überlegen, was auch unsere Veranstaltung der Stadt Köln bringt. Wir spülen der Stadt als gemeinnützige Organisation so viel Geld in die Haushaltskasse. Hier sind fast alle Hotels ausgebucht. Hinzu kommt die Reputation für die Stadt und außerdem sind wir die mit Abstand friedlichste Großveranstaltung, die in der Stadt stattfindet.

CityNEWS: Mal über den Tellerrand vom CSD hinausgeblickt. Wie ist die LGBTQI*-Szene in Köln aufgestellt? Sicherheitskräfte auf der Schaafenstraße sieht man viel und auch zunehmend auf den Ringen zuletzt.

Jörg Kalitowitsch: Ich glaube aber, dass die Erhöhung des Sicherheitspersonals nicht aufgrund von Gewalttaten gegen LGBTQI*-Menschen aufgekommen ist. Das ist heutzutage dort, wo gefeiert wird, halt so. Das ist jetzt nichts, was mit der Szene zu tun hat, sondern es ist ein allgemeines und gesellschaftliches Problem. So sieht man, dass die Hemmschwelle bei den Menschen, gerade was Raub- oder auch Gewaltdelikte betrifft, gestiegen ist.

CityNEWS: Ist die Gesellschaft verroht?

Martin Hommel: Ja, das ist vom Ansatz her schon richtig. Da wo früher geschubst wurde, wird heute geschlagen. Wo früher geschlagen wurde, wird heute zusätzlich getreten. Und wenn jemand auf dem Boden lag und früher abgelassen wurde, geht es heute erst richtig los. So jedenfalls das Gefühl. Auch über die Social-Media-Kanäle hat es einen Hemmschwellen-Abbau gegeben, der sich mittlerweile auch auf die Straße ausgebreitet hat und auch dort nun stattfindet. Das liegt aber nicht ausschließlich an Kulturunterschieden, das kriegen Deutsche auch so hin, leider.

Was aber oft schade ist, ist, dass zwischen den Kulturen zu wenig Brücken gebaut werden. Als Nachbar würde es mir quasi nichts bringen, mal in eine Moschee zu gehen, um da mal einer Veranstaltung zu verfolgen, da diese ausschließlich auf Arabisch oder türkisch abgehalten werden. Das habe ich auch schon mal gemacht. In einer Synagoge kann man zumindest den Predigten folgen, die in deutscher Sprache gehalten werden, die Gebete werden da dann in hebräischer Sprache gehalten.

Ina Wolf: Gerade die Situation in den Moscheen wird sich aber wohl leider nicht so schnell ändern, solange auch der Staat Organisationen wie Ditib unterstützt, die völlig unter der Fuchtel von Erdogan stehen. Die Politik müsste auch viel stärker an der Trennung zwischen Staat und Kirche arbeiten und sich nicht, so wie in Bayern mit dem Kreuzerlass, wieder zurückentwickeln.

Uwe Weiler: Wir wollen aber in einem Projekt nach dem CSD in Köln mit anderen Organisationen versuchen da ein bisschen einzuwirken, damit Leute aus unterschiedlichen Kulturen in Deutschland von Köln ausgehend, besser aufeinander zugehen und sich so auch besser kennenlernen können.

Gewalt gegen Schwule, Lesben und Transmenschen

Gewalt gegen Schwule, Lesben und Transmenschen darf nicht so weitergehen copyright: pixabay.com
Gewalt gegen Schwule, Lesben und Transmenschen darf nicht so weitergehen
copyright: pixabay.com

CityNEWS: Gerade wenn Hemmschwellen sinken, nimmt Gewalt gegen Minderheiten zu, nicht nur gegenüber Homosexuellen und Transmenschen, sondern auch beispielsweise ein wieder aufkeimender Antisemitismus. Wie beobachtet ihr dies?

Ina Wolf: Die Stadtarbeitsgemeinschaft LST, wo wir als KLuST auch mit am Tisch sitzen, hat schon vor Jahren erkannt, dass es einfach nicht so weitergehen kann mit der Gewalt gegen Schwule, Lesben und Transmenschen hier in Köln und in Deutschland. Und nun wurde in Zusammenarbeit mit der Polizei Köln, ein tolles Papier erarbeitet, um einfach die Anzeigenbereitschaft zu erhöhen und auch die Hilfestellung für Opfer von homo-, trans-, oder biphober Gewalt zu verbessern. Dazu wird es eine Kampagne geben im nächsten Jahr. Damit sollen unter anderem Beratungsstellen, die es hier gibt, gestärkt werden. Denn noch immer schämen sich viele Opfer und trauen sich nicht zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten.

CityNEWS: Wer ist von körperlicher Gewalt oder Diebstahldelikten besonders stark betroffen?

Ina Wolf: Vieles ergibt sich da aus einer wahren Armutsbewegung innerhalb von Europa. Die meisten dieser Menschen kommen aus Rumänien, Bulgarien, gerade so aus den osteuropäischen Ländern. Vereinzelt sind es wohl auch Marokkaner. Ansonsten aus den arabischen oder geflüchteten Kreisen kaum jemand. Das ist insbesondere ein innereuropäisches Problem. Das fängt mit jungen Sexarbeitern aus den genannten Ländern an und geht dann mit Diebstählen bis zur Körperverletzung weiter. Schwule, die Kontakt suchen, sind leichte Opfer. Denen wird oft in Seitenstraßen aufgelauert, außerhalb des Blickfelds von Securities und Polizei. Vielleicht muss man da auch mal eine Kampagne machen für die potentiellen Opfer selbst: Aber wofür haben wir denn für die Freiheitsrechte so lange gekämpft? Man kann doch nicht den Homo- und Transmenschen jetzt sagen: “Passt auf und seid etwas vorsichtiger. Wedelt nicht mit euren Handys rum und haltet ständig die Augen offen…”

Da wären doch zig Jahre an Emanzipationsbewegung hin. Es gibt sicher Areas und Gegenden in Köln, wo man sich sehr gut frei bewegen kann. Zum Teil hat es sich in manchen Dingen auch schon wieder gebessert, weil die Polizei verstärkt an den Ringen Streife läuft. Die ist sehr aufmerksam.

Die Rechtslage in diesem Land ist falsch

“Die Rechtslage in diesem Land ist falsch”
copyright: pixabay.com

CityNEWS: Wie gehen homosexuelle Migranten und Flüchtlinge mit ihrer Situation um? Für die ist es doch sicher besonders schwer.

Ina Wolf: Ich selber betreue auch junge Geflüchtete, die bspw. Opfer von Messerattacken in ihren Heimen geworden sind – auch teils mit eindeutig islamistischen Hintergründen. Ich gehe dann zu meinem Rechtsanwalt, der diese Fälle pro Bono vertritt und der sagt mir dann: “Die Akten wurden geschlossen. Dieser Angriff, wo der durch gefährliche Körperverletzung fast gestorben ist – Da hat der Täter so viele Delikte von BTM bis Gewalt auf dem Zettel. Da fällt dieser Angriff schon nicht mehr ins Gewicht.” Da finde ich, dass die Rechtslage in diesem Land falsch ist.

Es kann doch nicht sein, dass jemand, der sein KVB-Ticket nicht zahlt oder bezahlen kann, im Knast landet – aber jemand, der einem anderen die Nase bricht, Bewährung erhält. Da verlieren Täter den Respekt vor dem Rechtsstaat. Das macht auch die Verrohung der Gesellschaft aus. Eigentumsdelikte werden wichtiger angesehen als Körperverletzungen. Gerade auch aus Sicht auf Leute, die sich nicht so gut wehren können: das betrifft Frauen – oder auch Transmenschen, die es nicht verstecken können. Jeder Mensch ist so geboren wie er ist und sollte sich nicht verstecken oder Angst haben müssen. Jeder ist wie er ist und das ist auch gut so!

Ich würde mir wünschen, dass gerade aus der Bundespolitik viel mehr positive Signale und Ansätze für eine stärkere Akzeptanz gegenüber Homo- und Transmenschen kommen würden, egal woher sie kommen. Aber gerade mit diesem Innenminister, den wir haben… da brauchen das gar nicht erwarten. Wer vor vielen Jahren noch gegen das Gesetz bezüglich Vergewaltigungen in der Ehe gestimmt hat – es ist unfassbar, dass so jemand heute Bundesminister ist. Das kann ich kaum glauben. Auch was da gerade mit diesen menschenfeindlichen Planungen zu Anker- und Transitzentren passiert – ich bin echt entsetzt.

Hinzu kommen die stärker werdenden rechten Strömungen, die ja auch längst im Bundestag und Landtagen sitzen und Minderheiten für alle Probleme in diesem Land verantwortlich machen. In deren Augen sind Homosexuelle, Transmenschen und Flüchtlinge die Sündenböcke für alles. Aber die Politik allgemein und insbesondere die Regierung sollte sich wieder auf Themen wie Altersarmut konzentrieren; steigende Mieten, darauf, dass Reiche immer reicher werden und Arme immer ärmer. Das sind die wahren Probleme in diesem Land. Und gerade der Zorn über die aktuelle Politik treibt die Menschen in Richtung der Extremen. Und die wiederum instrumentalisieren uns LGBTIQ* oder andere Minderheiten als Sündenböcke.

CityNEWS: Kann die gesellschaftliche Mitte da vielleicht irgendetwas tun?

Ina Wolf: Aufhören zu schweigen. Wir müssen uns viel stärker dagegenstemmen und die Stimmen erheben ob auf den Social-Media-Kanälen und auch auf der Straße. Denn in Wahrheit ist es ein riesiger Bonus, dass so eine Stadt wie Köln so weltoffen und liberal gegenüber allen Menschen ist, egal woher sie kommen oder wen sie lieben. Wirtschaftsbetriebe zieht das an und macht diese Stadt zu einem absoluten Motor, der den Leuten Wohlstand bringt. Diversity ist ein Kriterium bei Arbeitgebern. Das lockt Menschen in diese Stadt, die für diese Betriebe arbeiten wollen. Das ein großer Punkt, der Köln und die ganze Region voranbringt.