Tausende Frauen sind in NRW von Genitalverstümmelung betroffen

Genitalverstümmelungen bei Frauen sind in Nordrhein-Westfalen offenbar weiter verbreitet als in der Öffentlichkeit bekannt. Seit Freitag bietet eine Telefonhotline in mehreren Sprachen anonym Beratung für betroffene Personen an.

Genitalverstümmelungen bei Frauen sind in Nordrhein-Westfalen offenbar weiter verbreitet als in der Öffentlichkeit bekannt. Nach Hochrechnungen der Frauenrechtsorganisation terre des femmes müsse davon ausgegangen werden, dass allein im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland mehr als 5.600 Mädchen und Frauen von Genitalbeschneidungen betroffen oder bedroht seien, sagte Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) am Freitag in Düsseldorf. Um die Beratung zu dem Thema zu verstärken, sollte noch am Freitag eine mehrsprachige Telefonhotline freigeschaltet werden.

Meist würden Mädchen im Alter zwischen vier und zwölf Jahren zur Beschneidung nach Afrika gebracht, in anderen Fällen würden Beschneiderinnen nach Deutschland eingeflogen, sagte die Betreiberin der landesweit einigen Beratungsstelle zu Genitalverstümmelungen, Jawahir Cumar. Meist werden für Beschneidungen hygienische oder kulturelle Gründe angeführt. Die Eingriffe sind mit starken Schmerzen verbunden und können zu schweren körperlichen und psychischen Schäden führen. «Was hier mit Kindern in einem Alter geschieht, in dem sie eigentlich beschützt werden müssen, ist skandalös», sagte Steffens.

Mit der am Freitag freigeschalteten anonymen Telefonhotline soll eine neue Beratungsmöglichkeit angeboten werden. Zielgruppen seien sowohl Betroffene selbst als auch deren Angehörige, Erzieher, Lehrer oder Ärzte, sagte Steffens. Betrieben wird die Hotline vom Verein «Aktion weißes Friedensband». Das Ministerium hat eine Anschubfinanzierung zugesagt. Das Projekt sei bundesweit einmalig, sagte Steffens.

Alle zwei Sekunden wird ein Mädchen beschnitten

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass im Jahr 2008 weltweit zwischen 100 und 140 Millionen Frauen und Mädchen an den Genitalien beschnitten waren. Auch in Europa sind Schätzungen zufolge Hunderttausende Frauen betroffen. Verbreitet ist die Praxis vor allem in Afrika, wo in einzelnen Ländern bis zu 99 Prozent der weiblichen Bevölkerung beschnitten werden. Alle zwei Sekunden würde auf der Welt ein Mädchen beschnitten, sagte Cumar.

In Deutschland ist die Beschneidung eigentlich verboten. Strafverfahren gebe es aber nicht, weil die meist Minderjährigen ihre Eltern nicht anzeigten und sich Betroffene oft auch nicht darüber im Klaren seien, dass Genitalverstümmelungen etwas Unnormales seien.

Die Hotline ist unter mehreren Telefonnummern zu erreichen:

– 0211 / 985 957 89 (deutsch)

– 0211 / 248 666 25 (englisch)

– 0211 / 248 690 39 (französisch)

– 0211 / 980 775 58 (arabisch)

– 0211 / 983 979 15 (kiswahili)

– 0211 / 983 979 11 (somalisch)

Erreichbar ist die Hotline jeweils dienstags und freitags jeweils zwischen 18.00 und 20.00 Uhr.