Kölner Karneval: 200 Jahre Brauchtum, Kultur und Spaß an d´r Freud

Kölner Karneval: 200 Jahre Brauchtum, Kultur und Spaß an d´r Freud
Kölner Karneval: 200 Jahre Brauchtum, Kultur und Spaß an d´r Freud
copyright: Festkomitee Kölner Karneval

In diesem Jahr, 2023, steht der Domstadt ein ganz besonderes Jubiläum ins Haus. Der organisierte Kölner Karneval wird 200 Jahre alt und kann damit auf eine wechselvolle 200-jährige Geschichte zurückblicken. Früher wie heute nimmt das bunte Treiben für eine besondere Stellung im Kölner Stadtgeschehen ein.

Der Fastelovend spielt auch nach dieser langen Zeit eine große Rolle bei Jung und Alt. Angefangen hat alles mit einem alten Kölner Volksfest, welches christlichen, aber auch heidnischen Ursprung hat. Das dieses bunte Treiben immer mehr verrohte, war es den Preußen, die seit 1815 in der Domstadt herrschten, ein Dorn im Auge und drohte, verboten zu werden. Der 25-jährige Heinrich von Wittgenstein (1797 bis 1869) wollte dies verhindern und gründete im Jahr 1823 mit einer Gruppe Kölner Bürger das “Festordnende Comité”. Ziel war es, die tollen Tage in geordnete Bahnen zu lenken bzw. neu zu organisieren.

Der “Held” Carneval besteigt den Thron

Damit legten sie den Grundstein für viele Dinge, die auch heute noch dazugehören. So sind die Versammlungen, die damals abgehalten wurden, Vorläufer der heutigen Sitzungen. Auch Bälle gab es von Anfang an. Und auch der Rosenmontagszug wurde damals erstmals auf den Weg durch die Stadt geschickt. Das erste Motto lautete dabei: “Thronbesteigung des Helden Carneval”. Im Laufe der Jahrhunderte kam dann zum Beispiel das Dreigestirn dazu. Die Sitzungen und Bälle, der Rosenmontagszug sowie das Komitee entwickelten sich von da an bis zur heutigen Form.

Genauer betrachtet, war und ist der Fastelovend auch immer ein Spiegel der jeweiligen Zeit. Politikgeschehen, gesellschaftliche Ereignisse, Kriege sowie sonstige Krisen, wie zuletzt die Corona-Pandemie, haben ihn geprägt. Aber immer war der Fastelovend etwas, dass die Menschen verbinden konnte, egal, welche Krisen sie zu bewältigen hatten. Wolfgang Oelsner, Kölner Pädagoge und Psychologe, erklärt es aus sozialpsychologischer Sicht wie folgt: “Der Karneval ist kein bloßes Event ohne vorher und nachher, er ist ein in der gesamten Stadt gelebtes Kulturgut, das das ganze Jahr über in den Köpfen und Herzen der Kölner präsent ist. Er hat den Menschen auch in schwierigen Zeiten immer wieder Kraft und Hoffnung gegeben.”

1823: Gründung von Festkomitee und Großer KG

Neben dem Festkomitee gründete sich im gleichen Jahr, 1823, die “Große KG”, von der sich 1844 die “Allgemeine KG” abspaltete. Von da an gründeten sicher immer mehr neue Gesellschaften, so dass die heutige bunte Vielfalt entstand. Über die Jahre stand der Fastelovend immer wieder vor großen Herausforderungen. Mal stand er unter strenger Beobachtung, mal wurde sogar ganz verboten (1851/52). Dann ließ er sich beispielsweise nach der Reichsgründung 1871 vom nationalen Taumel mitreißen. So wurde in dieser Zeit als Verneigung vor dem Kaiserhaus auch der “Held” Carneval in den “Prinzen” umbenannt.

Die beiden rivalisierenden Gesellschaften “Große KG” und “Große Kölner” bildeten ab 1888 gemeinsam das Festordnende Komitee mit den beiden Präsidenten als Doppelspitze. Und das funktionierte lange Zeit gut. In dieser Zeit wuchs die Stadt rasant und der Fastelovend erlebte einen Boom. Hatte die Rheinmetropole im Jahr 1822 gerade mal 60.000 Einwohner, waren es bis 1881 bereits 145.000. Nachdem 1881 die Stadtmauer abgerissen sowie einige umliegenden Ortschaften eingemeindetet wurden, wuchs die Zahl bis 1890 auf 282.000 Bewohner.

Erste Auswüchse Ende des 19. Jahrhunderts

Die zunehmende Einwohnerzahl wirkte sich auch auf den Rosenmontagszug aus, denn die Organisatoren versuchten nun, gezielt Besucher von auswärts anzulocken. Mit den steigenden Besucherzahlen stiegen aber auch die Auswüchse an den tollen Tagen. Daher gab es damals schon von verschiedenen Seiten Bestrebungen, das bunte Treiben komplett besser zu kontrollieren bzw. sogar zu verbieten. Die Verantwortlichen versuchten, diese Probleme in den Griff zu bekommen. So starteten sie zum Beispiel einen Aufruf, das “Einschlagen der Hüte” zu unterlassen.

Im Jahr 1910 hatte die Domstadt bereits eine halbe Million Einwohner. Vielleicht auch deshalb gab es bis zu Beginn des ersten Weltkrieges eine regelrechte Gründungswelle von Gesellschaften. Darunter auch viele, die bis heute dem Komitee angeschlossen sind. Mittlerweile hatten sich die beiden Präsidenten der Großen KG sowie der Großen Kölner darauf verständigt, dass sie im Wechsel die Spitze übernehmen sollten. Dass das gut funktionierte, bewies 1914 der letzte Rosenmontagszug vor dem ersten Weltkrieg, der der prächtigste und größte Lindwurm bis dahin war.

Nachholbedarf nach dem ersten Weltkrieg

Ein Jahr später herrschte Krieg in Europa und auch danach war an das bunte Treiben der Jecken lange Zeit nicht zu denken. Erst ab 1921 konnte der organisierte Karneval offiziell wieder starten. 1922 entwarfen drei Männer, Peter Prior, Carl Umbreid und Fritz Maaß eine neue Satzung des Festkomitees und schufen die Struktur, die bis heute gültig ist. Ab 1925 wurden wieder Sitzungen veranstaltet und der erste Rosenmontagszug lief 1927 durch die Straßen. Zwar gab es aufgrund der Weltwirtschaftskrise 1931 und 1932 keine närrischen Aktivitäten aber durch den Nachholbedarf in den Nachkriegsjahren wuchs das Interesse und alles wurde größer – die Sitzungen, die Bälle, die Züge.

Nationalsozialisten vereinnahmen Karneval fast vollständig

Dies hielt auch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten an. Viele Karnevalisten hatten keine Berührungsängste mit der NS-Ideologie, andere wollten politisch harmlos erscheinen. Es gab nur Wenige, die sich dem entgegenstellten. Dementsprechend waren antisemitische Lieder populär. Auch wurden Künstler jüdischen Glaubens ausgegrenzt. Zwar gelang es den Machthabern nicht, das bunte Treiben vollständig zu vereinnahmen, jedoch wurde die Unterordnung immer umfassender. Eins der deutlichsten Zeichen dafür war wohl, dass nun Frauen unter anderem die Jungfrau im Dreigestirn darstellten. Zudem profitierte das bunte Treiben sehr stark von der Werbung der “Kraft durch Freude” Organisation.

Zwei Jahre nach Kriegsende wurde das Festkomitee neu gegründet und ab 1949 ging wieder ein Rosenmontagszug als “Kappenfahrt” durch die Domstadt. In dieser Zeit gab es zudem viele Neuerungen. So wurde zum Beispiel der “Große Senat” aus der Taufe gehoben. Zudem wurden die vereinten Schull- un Veedelszöch durch die Stadt geschickt. Und auch die Sessionseröffnung am 11.11. sowie die “Hausfrauennachmittage”, heute besser bekannt als Mädchensitzungen wurden eingeführt.

Nach dem zweiten Weltkrieg boomen Wirtschaft und Karneval

In der Folgezeit boomten Wirtschaft, Wiederaufbau und, natürlich, auch der Fastelovend. Beim Lindwurm von 1950, zum 1.900. Stadtjubiläum, standen rund eine Million Zuschauer am Straßenrand. Zudem konnten viele Interessierte das Geschehen an den Bildschirmen verfolgen, denn Fernsehen verbreitete sich immer mehr. Auch Veranstaltungen wurden mittlerweile immer öfter aufgezeichnet bzw. übertragen. So wurden auch die Kölner Künstler immer populärer. Auf längere Sicht tat dies dem Fastelovend jedoch nicht gut, denn die Themen und Inhalte verflachten und es gab viele Diskussionen um den Kurs, den er einschlug. Während die einen über zu viele Frauen im Zug diskutierten, forderten die anderen Reformen.

Revolution mit Bläck Fööss und Stunksitzung

Der Umbruch begann Anfang der 70er-Jahre unter anderem mit den Bläck Fööss, die mit Verstärker und E-Gitarre und Barfuß auf die Bühne der Sitzungssäle stürmten. Die musikalischen Themen und Formen wirkten wie eine Revolution und bildeten einen Wendepunkt. Seitdem gab es viele Bemühungen von Seiten der Verantwortlichen, Innovationen und Reformen zu starten. Gleichzeitig sollte jedoch das Brauchtum hochgehalten werden.

Ein mühsamer Weg, denn trotz aller Bemühungen wurde das Ganze als “Altherrenveranstaltung” wahrgenommen. Und die 1984 gegründete “Stunksitzung” nahm genau dies gekonnt auf die Schippe. Sie interpretierten die tollen Tage erfolgreich auf ihre eigene Weise. Um dies zu ändern, wurden daher eine eigenständige Wirtschafts-GmbH gegründet. Weiterhin wurden überfällige Korrekturen, wie eine stärkere Jugendförderung und eine größere Emanzipierung von Frauen vorgenommen.

Festkomitee seit 1999 mit Sitz am Maarweg

1999 bezog das Festkomitee sein derzeitiges Domizil am Maarweg. Damit waren erstmals alle Funktionsbereiche unter einem Dach. Für interessierte Besucher stand zudem ein deutlich vergrößertes Museum offen. Und eine Eventhalle für viele verschiedene Anlässe gab es nun auch. In den nächsten Jahren öffnete sich die Gesellschaft hin zu weiten Teilen der Stadtgesellschaft. Zudem wurden die NS-Jahre aufgearbeitet. Auch wurden viele KGs aufgenommen und der Dialog mit den Verantwortlichen der alternativen Formen gesucht.

In den letzten Jahren benötigten dann alle, die im organisierten Karneval tätig sind, viel Kraft und Geduld und Kreativität, um relativ unbeschadet durch die Corona-Pandemie zu kommen. Es entstanden neue Formen des Feierns und es wurde einiges unternommen, um Vieles moderner und innovativer zu gestalten.

Schwierige Zeiten durch Corona und Auswüchse im Kwartier Latäng

Nach den schwierigen Jahren der Corona-Pandemie richten sich nun die Bemühungen darauf, die Auswüchse des Feierns, wie im Kwartier Latäng, zu bekämpfen. Das Verantwortlichen versuchen daher, gemeinsam mit der Stadt, den jungen Feiernden eine Lösung zu finden. Diese Aufgabe wird die Verantwortlichen wohl auch in den nächsten Jahren noch beschäftigen.

Und auch im Jubiläumsjahr 2023 zum 200. Jubiläum und danach stehen neue Herausforderungen an, die bewältigt werden wollen. “Die Corona-Zeit, aber auch die Friedensdemonstration am Rosenmontag 2022 mit 250.000 Menschen haben gezeigt, dass Karneval in Köln mehr ist, als nur Party und Tätärä”, so Christoph Kuckelkorn, Präsident des Festkomitees. “Er ist der Kitt, der das soziale Gefüge der Stadt zusammenhält und auch noch da ist, wenn andere Gewissheiten des Lebens in Krisenzeiten über Bord geworfen werden mussten. Diese soziale Funktion bietet kein Event der Welt, sondern nur ein von allen Teilen der Bevölkerung getragenes Kulturgut.”