Das Lebenswerk eines Rastlosen: BAP-Sänger Wolfgang Niedecken erhält Echo

Mit Kölschrock bis nach China: BAp-Frontmann Wolfgang Niedecken / copyright: Clemens Bilan / dapd
Mit Kölschrock bis nach China: BAp-Frontmann Wolfgang Niedecken
copyright: Clemens Bilan / dapd

2011 war ein Jahr der Extreme für BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken. Der Sänger und Maler feierte seinen 60. Geburtstag, das 35-jährige Bestehen seiner Band und brachte ein neues Album heraus. Er legte seine Autobiografie vor, gab Lesungen und Konzerte. Im November erlitt er einen Schlaganfall und musste notoperiert werden.

Inzwischen hat sich der 60-Jährige von der schweren Erkrankung erholt. Nun wird er mit dem Musikpreis Echo für sein Lebenswerk geehrt. Es ist Niedeckens erster großer Auftritt nach seinem Schlaganfall. Im Mai geht er dann mit BAP auf Tour.

Niedecken kam am 30. März 1951 in der Kölner Südstadt als Sohn eines Lebensmittelhändlers zur Welt. Als Jugendlicher besuchte er das Internat des Pallottinerordens bei Bonn. In der schulfreien Zeit half er im Laden des Vaters aus. Nach dem Abitur studierte er Malerei an der Fachhochschule Köln. Musikalisch wurde Niedecken von den Beatles und den Rolling Stones geprägt. Mit 14 gründete er seine erste Band, mit Schlips und Anzug spielte er in Combos wie “The Convicts” oder “The Troop” Beatles-Standards nach.

Dann entdeckte Niedecken Bob Dylan, den der Kölner bis heute verehrt. Aus dem Kunststudenten wurde ein Singer-Songwriter. 1976 gründete er BAP. Durch unzählige Gigs bei Stadtteilfesten, Bürgerinitiativen und in Kneipenhinterzimmern verschaffte sich die Kölschrock-Combo den Ruf einer außerordentlichen Live-Band.

Der Durchbruch kam aber erst mit dem “Major”, Gitarrist Klaus Heuser, den Niedecken in der Herrentoilette des kultigen Musikclubs Basement kennenlernte. Heuser wurde ab 1980 Niedeckens kongenialer Partner. Er vertonte die Texte des Sängers, die oft von inniger Betroffenheit, aber auch von genauen Beobachtungen und eindrucksvollen Bildern geprägt waren. Gemeinsam gelangen ihnen Klassiker wie “Kristallnaach” (1982) oder “Verdamp lang her” (1981), die Auseinandersetzung mit Niedeckens kleinbürgerlichem Vater.

Mit Kölschrock bis nach China

Mit ihrem dritten Album “Für usszeschnigge!” landete die Band auf Platz Eins der Charts. 1982 spielten die Kölner zweimal im Müngersdorfer Stadion vor den Rolling Stones und auf den Rheinwiesen in Bonn-Beuel vor 300.000 Menschen gegen die Nachrüstung. Auch in den folgenden Jahren mischte sich BAP immer wieder ein. Sie gaben Konzerte gegen die Atomkraft und gegen Ausländerfeindlichkeit. Niedecken unterstützt zudem mehrere Projekte für Afrika. Der Ruhm der Kölschrocker erstreckte sich weit über ihre Heimatstadt hinaus: BAP tourte durch China und die UdSSR. Niedecken spielte mit seinem Nebenprojekt in Nicaragua und Mosambik.

2002 entstand in Zusammenarbeit mit Wim Wenders der Film “Viel passiert – Der BAP-Film”. 2011 kam zu Niedeckens 60. Geburtstag seine Autobiografie “Für ‘ne Moment” und das neue BAP-Album “Halv su wild” heraus. Insgesamt veröffentlichten Niedecken und seine Bandkollegen 16 Studio-Alben, von denen neun die Spitze der Charts erklommen. Inzwischen ist der Sänger das einzig verbliebene Gründungsmitglied der Band. Zudem brachte er drei Solo-Alben heraus.

Der 60-Jährige arbeitet auch als bildender Künstler. 2004 zeigte die Bonner Bundeskunsthalle unter dem Titel “Spuren” seine Bilder, Collagen und Installationen.

“Ich habe mein Leben träumen dürfen”

Zu seinem 60. Geburtstag zeigte sich Niedecken mit sich selbst im Reinen: “Ich habe meine Träume leben dürfen, was will man mehr?”, sagte er in einem dapd-Interview. “Ich lebe sehr bewusst mit der Tatsache, dass ich unglaubliches Glück gehabt habe. Ich lebe seit fast fünf Jahrzehnten die Träume, die ich als 15-Jähriger gehabt habe. Wer kann das schon von sich behaupten?”.

Gleichzeitig äußerte sich der Vater von vier Kindern aus zwei Ehen nachdenklich: “Das Bedrückende am Älterwerden ist, dass die Einschläge näher kommen. Man verliert Menschen, die einem wichtig sind, und das macht einen schon sehr nachdenklich.” Im November 2011 traf es dann Niedecken selbst: Kurz vor Beginn der BAP-Tour brach er zusammen. Er habe es in diesem Jahr wohl einfach übertrieben, sagte Niedecken dem “Spiegel” vier Wochen nach dem Schlaganfall. Noch am Krankenbett ließ er sich eine Gitarre bringen. Zwar sei ihm das Plektrum immer wieder aus der Hand gefallen. “Trotzdem habe ich keine einzige Sekunde gedacht: Das wird nicht wieder”, erklärte Niedecken.

Wolfgang Niedecken wird mit einem Echo für sein Lebenswerk geehrt

“Er spricht vielen Menschen in Deutschland aus der Seele”, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie, Florian Drücke. Der 60-jährige Frontmann der Kölner Band BAP sei ein außergewöhnlich vielfältiger Künstler, der zu den prägenden und kreativsten Köpfen der deutschen Rockgeschichte gehöre.

“Kaum ein deutscher Rockmusiker hat seine eigene Geschichte in seinen Songs über mehr als drei Jahrzehnte so persönlich und so erfolgreich erzählt wie Wolfgang Niedecken”, sagte Drücke. Zudem würdigte er das politische und gesellschaftliche Engagement des Künstlers. Als Texter, Musiker, Maler und politischer Aktivist habe er seine Positionen stets glaubwürdig vertreten. Den Echo nimmt er laut den Veranstaltern in Berlin persönlich entgegen.

Die Preisverleihung wird am Donnerstag, 22.03.2012 ab 20.15 Uhr live in der ARD übertragen.

Von Mai bis September 2012 können BAP-Fans die Kultband wieder live erleben. Zudem geht Niedecken mit seiner Autobiografie auf Lesereise.

Autor: dapd / BMELV/ MKULNV Redaktion