Kölns Bananensprayer Thomas Baumgärtel im CityNEWS-Interview

Thomas Baumgärtel wurde in Rheinberg (Ruhrgebiet) geboren und kam 1985 zum Studium der Kunst und Psychologie nach Köln. Hier besprüht er eine Mauerwand in Schwetzingen. copyright: Atelier Thomas Baumgärtel / Foto: Tobias Schwerdt
Thomas Baumgärtel wurde in Rheinberg (Ruhrgebiet) geboren und kam 1985 zum Studium der Kunst und Psychologie nach Köln, wo er heute lebt und arbeitet.
copyright: Atelier Thomas Baumgärtel / Foto: Tobias Schwerdt

Alle zehn Jahre präsentiert Thomas Baumgärtel eine Werkschau der besonderen Art in Form eines Zehn-Jahres-Katalogs. Zur Vorstellung seines neuen 416 Seiten umfassenden Werks “Bananensprayer 2008-2018” kamen rund 300 Gäste in das Atelier des Kölner Künstlers in den Leskanpark in Köln-Dellbrück. CityNEWS traf sich mit dem Kölner Bananensprayer zum Exklusiv-Interview.

CityNEWS: Wie fühlen Sie sich heute?

Thomas Baumgärtel: Ein bisschen müde, aber einfach großartig. Die positive Resonanz auf meinen neuen Katalog macht mich sehr stolz.

CityNEWS: Was ist das Besondere an diesem Zehn-Jahres-Katalog, der ja bereits der dritte seiner Art ist?

Thomas Baumgärtel: Jeder Band ist wie ein Reinigungsprozess für mich. Ich werde mir dabei klarer, wo ich gerade stehe und wie es weitergehen soll. Das Besondere an Band 3 ist unter anderem, dass die Werke nicht nur chronologisch, sondern auch nach Werkgruppen sortiert sind. Ganz neu sind meine Stilbilder, Spraygramme, Brückenbilder und kinetischen Arbeiten.

CityNEWS: Also mehr als Bananen?

Thomas Baumgärtel: Auf jeden Fall. Mit der Banane hat zwar alles angefangen, aber mein Werk aus über 30 Jahren ist ja viel umfassender. Ich weiß: Ich werde vielerorts noch immer als “der Bananensprayer” abgetan, der nichts anderes tut, als um die Häuser zu ziehen und Bananen zu sprühen. Dabei geht es mir in erster Linie darum, Inhalte zu transportieren.

Bei Bananensprayer Thomas Baumgärtel wird es gern auch mal politisch

Thomas Baumgärtel behandelt in seinen Werken weltweite Krisen, so auch die Umweltverschmutzung.
copyright: Atelier Baumgärtel / Foto: Luiza Brack

CityNEWS: Und dabei bringen Sie sich gerne mal in Gefahr, richtig?

Thomas Baumgärtel: Sie spielen hier sicher auf das Bild mit der Banane im Hintern des amtierenden türkischen Ministerpräsidenten Erdogan an. Ja, das brachte mir sogar Morddrohungen ein und rief den Staatsschutz auf den Plan.

CityNEWS: Was haben Sie daraus gelernt?

Thomas Baumgärtel: Ich würde jetzt nicht unbedingt in der Türkei Urlaub machen, aber einschüchtern lasse ich mich auch nicht. Wir müssen um unsere Kunstfreiheit kämpfen! Ich präsentiere das Erdogan-Bild auch weiterhin, gerade erst habe ich neue Postkarten drucken lassen. Ich motiviere mein Umfeld, sich nicht von Diktaturen einschüchtern zu lassen.

CityNEWS: Welches Thema in der Weltgeschichte bewegt Sie aktuell besonders?

Thomas Baumgärtel: Mich bewegt, was in China passiert. Hier wird versucht, eine Weltherrschaft anzustreben. Was George Orwell in seinem Roman “1984” in 1948 vorhergesagt hat, wird hier in Perfektion gelebt. Im eigenen Land werden da reihenweise die Leute weggesperrt. Das finde ich äußerst erschreckend. Das Thema bringe ich auch in meine große Ausstellung im Herbst.

Graffiti-Banane gilt als Qualitätssiegel und inoffizielles Logo der Kunstszene

Der Bananensprayer kreierte das weltweit erste OP-Graffiti im Operationssaal des Gemeinschaftskrankenhauses Bonn, anlässlich der dortigen Ausstellung "Medizinischer Block". copyright: Atelier Baumgärtel
Der Bananensprayer kreierte das weltweit erste OP-Graffiti im Operationssaal des Gemeinschaftskrankenhauses Bonn, anlässlich der dortigen Ausstellung “Medizinischer Block”.
copyright: Atelier Baumgärtel

CityNEWS: Sie veranstalten insgesamt 25 Ausstellungen in den nächsten zwei Jahren. Dabei geht es von Sydney über Antwerpen, Berlin und München nach Köln. Auf welche Ausstellung spielen Sie hier an?

Thomas Baumgärtel: Es geht hier um die bisher größte Ausstellung, die ich je realisiert habe. Die Vernissage auf rund 2.000 Quadratmetern ist am 15. September dieses Jahres in einer alten Industriehalle im Leskanpark, in direkter Nähe zu meinem Kölner Atelier.

CityNEWS: Was erwartet die Zuschauer?

Thomas Baumgärtel: Ich werde richtig große Objekte auffahren, darunter auch Roboter, die in der verdunkelten Halle angeleuchtet werden. Die Atmosphäre von Street-Art soll möglichst authentisch nachgestellt werden. Der Aufbau dauert ein Vierteljahr, ich bin längst dran.

CityNEWS: Da werden wir sicher auch eine Menge Bananen zu sehen bekommen. Haben Sie eigentlich mal gezählt, wie viele mit der Zeit zusammengekommen sind?

Thomas Baumgärtel: Oje, das weiß ich nicht. Auf jeden Fall sind die 600 Werke aus meinem neuen Katalog Peanuts dagegen. Es sind alleine so zwischen 4.000 und 5.000 Bananen an Kunstorten. Und auf Werken kann ich sie nicht mehr zählen. Irgendwann werde ich das mal angehen, meine Bananen in der Welt seit 1986 aufzulisten.

CityNEWS: Haben Sie je eine Banane bereut?

Thomas Baumgärtel: Nein. Wenn ich gesprüht habe, hatte ich immer ein gutes Bauchgefühl.

Die künstlerische Aussage in den Mittelpunkt stellen

Kölner Bananenkunst: der Bundesbananenadler im Leskanpark copyright: Atelier Thomas Baumgärtel / Foto: Luiza Brack
Kölner Bananenkunst: der Bundesbananenadler im Leskanpark
copyright: Atelier Thomas Baumgärtel / Foto: Luiza Brack

CityNEWS: Sie bewegen sich seit über 30 Jahren in der Kölner Kunstszene. Was hat sich verändert?

Thomas Baumgärtel: Ich kenne die Szene gar nicht mehr so, gerade die Jüngeren nicht. Der Austausch läuft viel in sozialen Netzwerken ab. Ich würde sagen: Wir waren in den 80er- und 90er-Jahren politischer unterwegs. Aber auch hier merke ich gerade ein Umdenken beim Nachwuchs. Was mich sehr stört, das betrifft aber nicht nur Köln, ist die Art und Weise, wie Kunst auf den großen Messen gehandelt wird. Da zählt nur noch der Preis, die Inhalte rücken in den Hintergrund.

CityNEWS: Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dieser Entwicklung?

Thomas Baumgärtel: Ich ziehe mich zurück und stelle lieber an besonderen Orten aus, wo die künstlerische Aussage im Mittelpunkt steht. Das ist mir allemal lieber, als meine Werke in eine sterile Messehalle hängen zu lassen, wo sie wie ein Auto oder eine Immobilie vermarktet werden.

CityNEWS: Zurück zu Ihrem Zehn-Jahres-Katalog: Die Zeitrechnung für den vierten Band hat begonnen. Was haben Sie in den nächsten zehn Jahren vor?

Thomas Baumgärtel: Das ist schwer vorherzusagen. So was plant man nicht. Das passiert einfach. Also lasse ich mich überraschen.

Weitere Infos unter: www.bananensprayer.de