Das nennt man eine Show, für die es kaum Worte gibt. Helene Fischer feuert ein 180-minütiges Feuerwerk ihrer neuen und “alten” Hits in der LANXESS arena Köln ab, als ob es kein Morgen gibt. Dazu liefert die 33-Jährige mit ihrer neunköpfigen Band und den 20 Tänzern eine akrobatische und bis ins kleinste Detail durchgeplante Choreografie ab. Von dieser Performance könnte sich so manch ein Weltstar eine Scheibe abschneiden.
Die rund 15.000 Besucher sind beim Auftakt ihrer insgesamt fünf umfassenden Konzerte in der Domstadt völlig aus dem Häuschen und bekommen an diesem Abend nicht genug von “ihrer” Helene. Diese nimmt die Fans mit auf eine musikalische Tour durch verschiedenste Genres. Von Pop-Schlagern (“Phänomen”) über Balladen (“Schmetterling”), Ibiza-Latino-Sounds (“Viva la Vida”) und Country (“Dein Blick”) bis hin zu elektronischer Dance-Music (“Herzbeben”). Dabei wechselt die Sängerin munter zwischen alten und neuen Songs.
Das “Phänomen” sorgt “Für das volle Programm” in Köln
In dem ovalen Rund des “Henkelmännchens” in Köln-Deutz ist zu Beginn der Show noch nichts zu sehen, was nur ansatzweise erahnen lässt, auf was sich die Besucher freuen dürfen. Ein großes Glitzer-Konterfei von Helene Fischer erscheint nach und nach pünktlich um 20 Uhr auf der Leinwand der 26 Meter breiten Bühne als Projektion. Dazu pendelt ein Scheinwerfer – einem Sekundenzeiger gleich – von links nach rechts und wieder zurück. Rund acht Minuten dauert dieses Lichtspiel, welches immer schneller wird, dazu das tickende und lauter werdende Geräusch des Zeigers. Und dann ist sie auf einmal da!
Mit einem fröhlichen “Guten Abend, Köln – das wird ein Abend nur unter uns” schwebt Helene Fischer im knappen blauen Stachelkostüm auf die Bühne. Sie beginnt mit ihrem Song “Nur mit dir” und gleich zur Eröffnung legt die Deutsch-Russin richtig los. Sie lässt sich an Bändern zusammen mit einem Tänzer in die Höhe ziehen. Dort rotiert die Sängerin in einem Affenzahn um die eigene Achse in rund zehn Metern Höhe. So etwas sieht und erwartet man eher im Zirkus als bei einem Helene Fischer-Konzert. Und hier zeigt sich auch bereits, was der Abend noch bringen wird, denn die Tournee wurde zusammen mit dem weltberühmten Cirque du Soleil konzipiert.
Nach dem – im wahrsten Sinne des Wortes – wirbeligen Auftritt geht´s mit Helenes Hit “Phänomen” weiter, der mit Trommeleinlagen aufgepeppt wird. Und Florian Silbereisens Freundin klärt im darauffolgenden Song auf, was das Team um Europas erfolgreichste Musikerin vorbereitet hat: “Das volle Programm!”
Technikspielereien bis zum Umfallen
Eine bewegliche 360-Grad-Bühne, um auf Tuchfühlung mit den Fans zu gehen, hoch- und runterfahrende Podeste, eine von der Hallendecke hängende Bühnenkonstruktion, immer wieder verblüffende Licht- und Showeffekte und vieles mehr! Helene Fischer erscheint und verschwindet im “Nichts”. Gerade noch singend auf der Bühne ist sie im nächsten Moment am Dach der LANXESS arena und – schwupps – im Erdboden verschwunden und mit neuer Frisur und Outfit (insgesamt gibt es acht Kostüme – inkl. eines spektakulären Wasserfallkleides) wieder da. Selten gab es eine solche Hülle und Fülle an technischen Spielereien und Tricks in einer einzigen Show zu sehen!
Dafür wurde enorm viel Aufwand betrieben: 35 vollgepackte Trucks, damit u. a. allein 114 Tonnen Material im Hallendach von rund 200 Personen auf- und abgebaut werden können. Dazu kommen noch einmal etwa 150 Personen, die ständig bei der Tournee durch 69 Städte dabei sind. Eine Gigantomanie, die ihresgleichen im Dreiländereck Deutschland, Österreich und Schweiz sucht. Innerhalb der ersten 24 Stunden wurden rund 350.000 Tickets verkauft. Bis zum Ende der Tournee wird diese Zahl wohl auf knapp 700.000 Eintrittskarten ansteigen.
Im Mittelpunkt steht Helene Fischer
Von den ganzen technischen “Spielereien” abgesehen macht aber vor allem eins die Show aus. Und das ist Helene Fischer. Während der rund dreistündigen Show zeigt die Sängerin, wie man ein Publikum wirklich “atemlos” bespielt. Scheinbar mühelos vollführt die ausgebildete Musical-Sängerin akrobatische Artistik-Einlagen. Das allein wäre schon wirklich sehr sehenswert. Hinzu kommt nun noch, dass Helene Fischer dabei – teilweise kopfüber, schwebend, tanzend, Pirouetten drehend und manchmal auch alles zusammen – die Töne perfekt trifft, wohlgemerkt während eines dreistündigen Bühnen-Marathons. Genau diese Perfektion ist scheinbar auch ihr größtes Manko, wenn man nach ihren Kritikern geht. Sie wirke “zu perfekt und fehlerfrei”.
Doch das Gegenteil ist der Fall! Der hochprofessionelle Anspruch an sie selbst (und auch das Team) ist das Ergebnis langer und oft mühevoller Arbeit und Vorbereitungszeit. So bedankt sich die Künstlerin während ihres Konzertes immer wieder bei ihren Background-Sängern, der Band und den Tänzern. Und erklärt dem Kölner Publikum, dass monatelange Arbeit und viel Herzblut in der Tour stecken. Das sieht man an jedem Muskel der Durchtrainierten. (Ein mancher Kerl wünscht sich solch einen Helene Fischer-Sixpack.)
Ein kurzer Moment außerhalb der Perfektion
Auf einem Helene Fischer-Konzert kann man als Besucher abschalten und dem täglichen Alltag für ein paar Stunden entfliehen. Anscheinend ist es genau das, was sich ihre Fans wünschen. Für einen Moment an diesem Abend holt aber auch die “perfekte” und “fehlerfrei” wirkende Helene die Realität ein. Kurz vor dem Song “Wir brechen das Schweigen” ruft sie die Arena-Besucher dazu auf, lauthals für Frieden und gegen die unruhigen Zeiten in der Welt die Stimme zu erheben. “Auf der Welt sieht es nicht gut aus, deshalb brecht euer Schweigen für mehr Respekt und Menschlichkeit, für Liebe und Frieden. Zeigen wir, wie sehr Musik verbindet”, so die aus Sibirien stammende Künstlerin. Die Kölner zeigen mit einem stimmgewaltigen Chor ihre Solidarität.
Köln feiert “seine” Helene
Die rund 15.000 Zuschauer sind von Minute 1 des Konzerts wie raderdoll. Von der kleinen und schüchternen fünfjährigen Jana (Helene: “Mein Gott! Du bist zuckersüß und erst fünf Jahre alt? Wow! Und da hast du es schon in die erste Reihe geschafft”), der die Fischer den Song “Die schönste Reise” widmet. Übrigens einer der emotionalsten Höhepunkte. Ebenso die zahlreichen älteren Gäste, die locker mit den jüngeren Semestern in der Kölner LANXESS arena mithalten konnten. Ein bunt gemischtes Publikum – vom Teenager bis Golden Girl ist wirklich jedes Alter zu sehen -, das immer wieder kurz in Kontakt mit der Sängerin kommt. Wie z. B. auch ein Fan, der quer durch Afrika mit Helenes Musik auf den Ohren gelaufen ist. Oder die zahlreichen Besucher mit selbst gebastelten Plakaten, die immer wieder auf den riesigen Leinwänden in der Event-Location eingeblendet werden.
Helene ist von den rheinländischen Frohnaturen begeistert: “Wow – ihr seid richtige Jecken. Köln, durch euch bin ich nie allein und werde auch in Zukunft für euch da sein. Kölle Alaaf!”. Und zum großen Finale mit zwei Zugaben entließ Helene Fischer die Besucher dann gegen 23 Uhr mit “Atemlos” im bunten Konfettiregen in die Nacht.
Die Helene Fischer Festspiele
Die Konzertbesucher müssen nun das Feuerwerk für die Sinne erst einmal verarbeiten – vielleicht war doch alles ein bisschen “too much”. Das Konzert zusammenfassend zu definieren fällt schwer: die Helene Fischer Festspiele vielleicht? Zirkus trifft auf Schlagerhölle, paart sich mit Elektrofestival à la Tomorrowland, kehrt um zum intimen Unplugged-Konzert, macht eine Wendung zum Country-Club, schaut noch kurz in der Tanzschule zum Disco-Fox vorbei, hält für einen Abstecher im Varieté an, um schlussendlich noch im basswummernden Techno-Szene-Laden abzusteigen.
Mit Anlauf springt die Fischer-Musik in den Gehörgang, um sich in der Nähe des Trommelfells als Ohrwurm festzusetzen, den man auch noch in der Pause, auf dem Nachhauseweg und selbst am nächsten Tag im Büro vor sich hin summt. Für alle Geschmäcker wurde an diesem Abend etwas geboten und selbst Fischer-Muffel hielt es zum Schluss nicht mehr auf den Stühlen. So verwandelte sich die Kölner Arena in einen brodelnden Hexenkessel …