Die ersten Eindrücke der imm cologne 2018 – der Einrichtungsmesse in Köln zeigen: Ob Globalisierung, Urbanisierung, Digitalisierung, Individualisierung oder Neo-Ökologie. Die deutschen wie internationalen Hersteller sind nah am Puls der Zeit. Sie bieten immer mehr und immer neue Wahlmöglichkeiten im Möbel- und Einrichtungsangebot. Kundenbedürfnisse lassen sich nämlich nicht mehr alleine an soziodemografischen Merkmalen und Zielgruppen ablesen. Dazu sind heute die Lebensstile der Menschen zu unterschiedlich.
Inhaltsverzeichnis
Die Megatrends der imm cologne 2018
Dieses “Mehr an Wahlmöglichkeiten” wird durch die Megatrends in seinen Richtungen stimuliert, sie sind also Impulsgeber und zeigen gleichzeitig Richtungen auf. Der große Trend der Individualisierung ist im Möbelbereich in mindestens zwei Ebenen noch einmal stärker geworden. Typenpläne strotzen vor Vielfalt und für den ersten Angebotsüberblick ist das Internet gesetzt. Hier bieten viele Portale individuelle Beratung an oder ermöglichen per “virtual Reality” die individuelle Einrichtung der eigenen Wohnung.
Bei den Produkten selbst wird das Thema “Smart Home” immer wichtiger. Hier werden bei vielen Haushaltsgeräten, Fenstern und Türen, bei der Weißen Ware, der Heizungssteuerung etc. Anwendungsfunktionen angeboten, die vor allem den Komfort und die Bequemlichkeit im Alltag erhöhen. Hier spielen auch die digitalen “Mitbewohner” wie Amazons Alexa und Co eine immer wichtigere Rolle.
Die zweite Dimension hat weitreichende Auswirkungen auf unser Gemüt. Wer ehrlich ist, gibt seine medialen Strapazen zu. Schon eine Minute nach dem Aufwachen haben die allermeisten Menschen ihr Smartphone in der Hand. Direkt beginnt damit oder auch mit dem Fernseher oder Radio die Reizüberflutung, die Dauerablenkung und multiple Sehnsüchte erwachen. Vor lauter Möglichkeiten (Wetter, Börse, Eilmeldungen, Emails, Rezepte, Musik…) verlieren wir uns. Wenn dann noch der Hinterkopf erwacht und mit ihm Begriffe wie digitale Transformation, Chatbots, Bitcoins, Digitalisierung, Blockchain, Dash Bottoms usw. ist plötzlich Bodenhaftung gewünscht.
Back to the roots
Bewährtes kehrt zurück. Schallplatten, Oldtimer und Filterkaffee haben Hochkonjunktur und beim Wohnen sind es Modelle aus einer vermeintlich guten alten Zeit. Shabby-Chic, Vintage-Look, Retro, Boho-Stil, Mid-Century-Design. Es ist in unserer schnelllebigen Zeit nicht verwunderlich, dass viele Menschen in den Industrienationen gerade solche Möbel lieben. In der virtuellen Wirklichkeit will man Echtes, oder vermeintlich Echtes.…
Und Pantone erklärt Ultra-Violett als die Farbe des Jahres 2018. Sie ist eine sehr alte Bekannte: Klerikale Macht, Feminismus, Extravaganz, Drama, Kreativität, “der letzte Versuch”, mystisch und spirituell, zugleich zukunftsoffen und traditionell, aber auf jeden Fall eine “Gegenkultur. Aus Dänemark kommt die Erscheinung “Hygge” zu uns, das heißt als Gegenmaßnahme kehrt Gemütlichkeit auch zurück in unsere Wohnungen.
Gemütlichkeit und Atmosphäre immer wichtiger
Für zwei Drittel der Deutschen muss die eigene Wohnung Gemütlichkeit ausstrahlen. Mit einer organischen Formensprache, authentischen Materialien, warmen Farben geht das für die meisten Menschen besser, als mit schlichten, kantigen und kühlen Möbelentwürfen. Dabei sind auch bunte Kombinationen aus Möbeln, Wandfarbe, Tapete, Dekorationen und Accessoires beliebt und lassen vor allem die gewünschte Individualität erkennen.
Immer wichtiger für die Gesamtatmosphäre beim Wohnen wird gutes Licht. Die inzwischen kostengünstige LED-Lichttechnik findet sich in der gläsernen Vitrine, hinterm Regal oder unterm Bett und trägt zur wohnlichen Beleuchtungsatmosphäre der Wohnung bei. Neuster Clou der Leuchten-Branche: verbesserte LED-Licht-Akkus mit langer Laufzeit. Diese kabellosen und tragbaren flexiblen Lichtspender sind gerade für Kleinwohnungen super praktisch. So eine kleine Lampe geht nacheinander als Funktionsleuchte in der Küche, Leselicht am Tisch, indirekte Beleuchtung zum Plaudern …
Zu Goethes Zeit wurde noch die Kerze durch die Wohnung getragen, heute ist es die moderne LED-Akku-Leuchte. Apropos Kerzen, der Kerzenkonsum echter Kerzen steigt seit gut fünf Jahren merkbar an. Laut European Candle Association (eca), hat im Jahr 2016 jeder Bürger der Europäischen Union durchschnittlich 1,45 kg Kerzen (+6,2%) konsumiert, Tendenz weiter steigend. Opulente, fast barocke Kerzenständer haben Hochkonjunktur und tragen zum gemütlichen Wohnen bei. Kerzenlicht ist hochgeschätzt. Ja man könnte auch von einer Digitalisierung im Kerzenschein sprechen. Wohn-Stil hängt eng mit dem ersehnten Lebensgefühl zusammen.
Zwischen Auenland und Grauenland
Es ist in dieser Zeit daher nicht verwunderlich, dass immer mehr Menschen ihre Welt zweiteilig aufspalten. Da ist zum einen ein “privates Auenland”, wie es Stephan Grünewald vom Institut Rheingold benennt, in dem sich die Menschen geborgen und aufgehoben fühlen, und zum anderen ein äußeres “Grauenland”, eine teilweise furchterregende Welt aus Terror, Globalisierung, Lebensmittelskandalen, Brexit und unberechenbaren politischen Führern.
Um das Äußere leichter auszublenden, wird das Private deshalb tendenziell idyllisch gestaltet. Das Idyll ist die Gegenwelt zur harten und digitalen Realität. Es geht um Nestbau, Geborgenheit, Sicherheit und eben Gemütlichkeit um einer im Außen oft gefühlten Anonymität zu entkommen.
Vor dem Hintergrund der Globalisierung wird das Zuhause der zentrale Ort für Identität. Durch die persönliche Wohnungseinrichtung wissen die Menschen, wo sie wirklich hingehören. Identität ist Selbstgestaltung, nicht nur der eigenen Persönlichkeit sondern auch der des eigenen, privaten Umfeldes. Wohnen ist alltägliche Identitätsstiftung.
Viele Menschen empfinden die Welt als ein Zuviel und die eigene Wohnung als identitätsbildende Schutzzone. Das eigene Zuhause wird behütet, gestaltet und geliebt. Sicherheitstechnik und Kreativität machen sich breit und die eigene Wohnung wird zur einzigen Enklave von Zwanglosigkeit. Nach dem Motto: “Die Welt ist mir zu viel, ich bin mir genug”, ist das Zuhause Schutz, Rückzugsort und heile Welt.
Weg vom Land – hinein in die Stadt
Tendenziell zieht es die Bevölkerung auf unserer Welt weg vom Land, hinein in die Städte. Erstmals in der Geschichte lebt heute über die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Metropolen haben zwei schon längst bekannte Herausforderungen, mit denen sie zu kämpfen haben. Die ständige Schaffung von mehr Wohnraum und die Organisation des wachsenden Verkehrsaufkommens. Beim Wohnen konkretisiert sich der Megatrend der Urbanisierung in vielerlei Hinsicht.
Zum einen steigt schon heute in den Städten die Sehnsucht nach Ruralisierung und zum andern bieten paradoxerweise ausgerechnet die digitalen Möglichkeiten gerade in der Arbeitswelt wieder neue Lebensmodelle fernab der Großstadt. Arbeiten geht in vielen Jobs schon heute ohne stationäre Basis. Wenn der Toilettendeckel des Smart Home in Zukunft noch regelmäßig den Urin auf Krankheitsanzeichen hin untersucht, ist Prävention gegeben und ärztliche Versorgung planbar. Dörfer könnten eine Renaissance erleben, wenn Drohnen Einkäufe liefern und Elektroautos autark die Kinder in die Schule bringen.
Organisch, dynamisch und natürlich
Insgesamt werden in der kommenden Saison mehr organische Formen vor allem im Sitzmöbelbereich auf den Markt kommen. Organisches Design orientiert sich an der organischen Natur. Dynamische Rundungen und kraftvolle Wölbungen treten als auffällige Merkmale hervor. Organisches Design ist weich und grenzt sich daher deutlich von geometrischen und sachlichen Formen ab. Bei den Bezugsstoffen für Polstermöbel ist ein breites Angebot an Naturfasern zu erkennen. Cord und Samt (ähnlich wie in der Modewelt) spielen eine herausragende Rolle.
Das blaue Farbspektrum von Europablau über Hellblau, Türkis zu Petrol bleibt beliebt. Blau steht für Harmonie, wirkt seriös und hat eine beruhigend-angenehme Wirkung. Als neue Farbe kommt Olivgrün. Es steht für Natürlichkeit, Frühling, Hoffnung, Gesundheit, Jugend, Natur und Vegetation. Aber Oliv ist nicht knallig, sondern mit seinem Grauanteil eher leise und unauffällig.
Holz, Glas und Metall – Hauptsache nicht billig
Linoleum kommt zurück! Das vor allem aus Leinöl, Korkmehl und Jutegewebe bestehende und schon 1860 erfundene Material war ursprünglich als elastischer Fußbodenbelag gedacht und findet auch hier heute noch Verwendung. Die Möbelindustrie zeigt den robusten und ökologischen Werkstoff als Tischplatte, Sideboardfront oder Intarsie im Sekretär. Linoleum ist ein robustes, ökologisches und wohngesundes Material.
Massivholz wird seine Stellung noch einmal ausbauen. Die Entwürfe von Tischen, Schränken oder Sideboards sind dabei filigran und elegant und weg von der Rustikalität vergangener Zeiten. Eiche bleibt Bestseller, aber auch Nussbaum und Kirsche halten ihre Stellung. Holz wird im Frontenbereich auch gerne mit anderen natürlichen Materialien wie Glas und Metall kombiniert.
Generell werden Möbel in allen Preisklassen optisch hochwertiger. Möbel, die wie auch immer “billig” aussehen erreichen in Zukunft keine gute Marktperformance mehr.
Diese Einrichtungs-Stile sind 2018 angesagt
imm cologne 2018
Die Kölner Einrichtungsmesse findet vom 15. bis 21.01.2018 statt. Publikumstage (offen für alle) sind vom 19.01. bis 21.01.2018 in der Koelnmesse. Weitere Infos zur imm cologne 2018: www.imm-cologne.de.