Dänemarks älteste Stadt Ribe feiert ihren 1300. Geburtstag

Wanderer wandern im Nationalpark Wattenmeer in Ribe. / copyright: Ribe Turistbureau/ ddp
Wanderer wandern im Nationalpark Wattenmeer in Ribe.
copyright: Ribe Turistbureau/ ddp

Vielleicht sind die Jütländer die Ostfriesen Dänemarks. Zumindest kursieren ähnliche Witze über sie. Aber mit Legoland in Billund besitzen sie eine der bekanntesten dänischen Attraktionen. Auch hat Jütland die längsten und breitesten Strände Dänemarks. Sogar die älteste Stadt des Landes liegt hier, werden doch die frühesten Siedlungsspuren in Ribe auf das Jahr 710 datiert.

Auf dem Weg ins Ferienhaus oder zum Camping kommen viele Urlauber an der 1300 Jahre alten Stadt vorbei, die im Mittelalter bedeutendster Nordseehafen und die größte und reichste Stadt Dänemarks war. Sie nutzen Ribe für einen Zwischenstopp oder kehren an Schlechtwettertagen zurück zum Einkaufsbummel durch die zahlreichen Boutiquen und Designerläden, genießen lokale Produkte wie das nach englischer Ale-Tradition gebraute Jubiläumsbier oder besuchen Kunstausstellung, Wikinger- und Mittelaltermuseen. Allen, die achtlos vorüberfahren, entgeht ein einzigartiges Kleinod.

Alljährlich am ersten Maiwochenende, wenn der größte Wikingermarkt Dänemarks, vielleicht ganz Nordeuropas, veranstaltet wird, strömen Tausende Besucher nach Ribe. Im Jubiläumsjahr sorgen die Handwerker, Krieger, Bogenschützen, Reiter und Musiker eine ganze Woche für Unterhaltung. Ob Wikingeraufführung, Musikfestival, Wattenmeerregatta oder Kunstausstellung, gefeiert wird das ganze Jahr über. Der einstige Handelsplatz der Wikinger am Meer ist immer einen Besuch wert.

Schon von weitem grüßt der Dom. Ribes Wahrzeichen ist Dänemarks einzige fünfschiffige Basilika und das wichtigste romanische Gebäude des Landes. Von der Plattform ihres 52 Meter hohen Ziegelsteinturmes reicht der Blick über die roten Dächer der Stadt bis zur Marsch. Das Glockenspiel «erzählt» zweimal täglich vom tragischen Tod der jungen Königin Dagmar 1212. Im Dom wirkte «der dänische Luther» Hans Tausen (1494-1561), der 1529 die Bibel ins Dänische übertrug, als Bischof. Ribe ist immer noch Bischofssitz, heute mit einer Frau im Amt.

Es lohnt sich, in die Geschichte Ribes einzutauchen. Bei einem Spaziergang lassen sich überall Details wie kunstvoll verzierte Türen und Fassaden, Fachwerk und alte Straßenlaternen finden, die anderswo längst verloren gegangen sind. Die Nachtwächter helfen gern bei der Entdeckungstour. Schon im 14. Jahrhundert patrouillierten sie mit Laterne und Morgenstern in den engen Gassen. Bis 1902 hatten sie die Uhrzeit auszurufen, Diebe zu verhaften und Sturmfluten zu melden. Seit Mitte der 1930er Jahre führen Nachtwächter in Originaluniform Touristen durch das nächtliche Ribe, in dessen Altstadt es keine Leuchtreklame gibt.

Einer von ihnen ist Hans Peters, ein echter «Ripenser». Er erzählt von des Schneiders Spliid Weib Maren, das 1641 als Hexe an den Galgenhügeln nördlich der Stadt verbrannt wurde, und vom Großfeuer 1580, das bis auf Rathaus und Gefängnis, heute Hotel, fast die gesamte Stadt zerstörte. Vom Königsschloss Riberhus ließen später die Schweden nichts übrig. An der Sturmflutsäule im venezianischen Stil sagt er plötzlich: «Die hat 1922 mein Großvater errichtet.» Zimmermeister und Bauunternehmer Jacob Daugaard Peters baute auch Brücken und mehrere Häuser in Ribe. Die Enkel setzten die Handwerkstradition nicht fort. Hans war Lehrer. Aber auch er engagiert sich für seine Stadt. Die beiden Jubiläumsbriefmarken der Dänischen Post etwa entstanden auf seine Initiative. Beim Rundgang zeigt er auch das Altenheim im letzten der einstmals vier Klöster. Die Reformation machte sie überflüssig, begründet er. Der König ging nach Kopenhagen. Spätestens mit dem Hafenbau von Esbjerg verlor Ribe auch seine wirtschaftliche Stellung.

Die nahe Marsch und das Wattenmeer hingegen behielten ihre Bedeutung. Einzigartige Naturerlebnisse versprechen Wattenmeer- und Austernsafaris. Das Wattenmeer, eines der zehn wichtigsten Feuchtgebiete der Erde und Dänemarks größter Nationalpark, ist voller Leben. Es gilt als Kinderstube der Seehunde und größte Speisekammer der Zugvögel. Riesige Starenschwärme sorgen für das Phänomen der «Schwarzen Sonne», wenn Formationen von bis zu einer halben Million Vögel vor Sonnenuntergang den Himmel verdunkeln.

Wer reif ist für die Insel, lässt sich mit dem hochbeinigen Traktorbus nach Mandö fahren. Das zwischen den Watteninseln Fanö und Römö gelegene acht Quadratkilometer große Eiland ist die einzige bewohnte Insel Dänemarks, die weder Hafen noch Brücke besitzt. Es gibt auch keine Fährverbindung. Kirche, Mühle, Supermarkt, alte Schmiede, Heimatmuseum, Gasthof, Ferienhäuser und etwa 20 Bauernhöfe – das ist Mandö. In Notfällen kommt der Arzt mit dem Hubschrauber. Die Insel gehört den Inselbewohnern, derzeit etwa 40. Ihre Vorfahren hatten sie um 1500 dem König abgeluchst, erzählt Preben Hjorth Nielsen. Er ist auf der Insel geboren. Jeden Tag fährt Preben die Kinder aufs elf Kilometer entfernte Festland zur Schule. Er fährt auch die Post, den Abfall und die Touristen. Und das seit 22 Jahren. Längst ist sein Sohn in das Geschäft eingestiegen. Diejenigen, die mit eigenem Auto oder Fahrrad über den Kiesweg im Wattenmeer anreisen wollen, der täglich zweimal überspült wird, warnt er: Wer in Mandö mit Blick auf den Dom von Ribe zur Flut bei nur drei Zentimetern Wasserstand losfährt, schafft es nicht mehr bis zum Festland.

Aber «wer Ribe nicht besucht und wenigstens eine Nacht im Hotel Dagmar geschlafen und die Schläge der Domuhr gehört hat, kennt Dänemark nicht», schrieb der dänische Publizist Andreas Vinding (1881-1950). Dem wird kein Besucher widersprechen.

Autor: ddp-Korrespondentin Cornelia Höhling