Gerade erst verabschiedeten sich die Ur-HÖHNER Peter Werner und Janus Fröhlich von der Bühne. Und weil jeder Abschied auch gleichzeitig immer ein Neubeginn ist, begrüßen die Höhner die neuen Mitglieder: Micki Schläger (Keyboard) und Wolf Simon (Schlagzeug) um „Alles op Anfang“ zu stellen.
Also die Koffer gepackt und ab nach Südfrankreich in ein Studio, das gleich um die Ecke zu der Villa lag, wo einst die Rolling Stones ihr legendäres Album „Exile On Main Street“ aufgenommen haben. Und es gab noch mehr Ähnlichkeiten, denn die HÖHNER nahmen ihr neues Album im legendären „direkt ins Pult Verfahren“ auf, wie es in den 60er und auch noch in den 70er Jahren Usus war.
Man kennt die HÖHNER aus Köln als leidenschaftliche und dem Leben zugewandte Musiker und Entertainer. Es ist ihr Feinsinn für Nuancen im Emotionalen, der ihren jahrzehntelangen Erfolg ausmacht. Ihre Musik klingt auch auf „Alles op Anfang“ international, aber immer noch definierbar Kölsch. Die Grenzen zwischen HÖHNER-Songformen in satter Hymnenart und Pop sind fließender geworden und der ausgeprägte Live-Sound des Albums betont diese musikalische Zielsetzung ganz gewaltig. Gleich die erste Single „Kumm loss mer danze“ ist ein wuchtiger Popsong mit gekonnt gesetzten, luftig einschwebenden E-Gitarren. Der knallige Groove ist tanzbar und drückt nach vorn. Das Lied ist Stadion-Pop in „Rheinkultur“ und das mit humanistischem Hintersinn. Einer Botschaft, die man so manchem braungefärbtem Hinterwäldler nicht oft genug in den Schädel jagen kann. Der Titelsong des Albums „Alles op Anfang“ ist das Leitmotiv des neuen Tonträgers. Folk und Pop verbinden sich mit einem klaren Statement zum neuen Bandgefühl. Alles zurück auf Start haben sich die HÖHNER gedacht und gleich wie in den Anfängen ein rein kölsches Album aufgenommen. Im Flashback schaut die Gruppe in dem Song auf Vergangenes zurück, um aus der alten Kraft ein neues Drehbuch für die Zukunft zu schreiben.
In dieses „Back to the roots“-Konzept passt auch der Song „Dat klingk noh Kölle“. Denn es ist schon sehr lange her, dass die HÖHNER ein Lied über ihre Heimatstadt Köln geschrieben haben. „Eigentlich sollte das Lied ja eine etwas extravagante, ausgeflippte Frau beschreiben“, erzählt Sänger Henning Krautmacher. „Dann fiel uns auf, dass das Lied irgendwie auch perfekt und vielleicht sogar viel besser zu Köln passt.“ Gesagt, getan und schon war nach langer Zeit wieder ein Liebeslied an die „jecke“ Heimatstadt im Kasten, das mit kritischen Randglossen aber nicht spart. Der Song hat passend zu Köln gefühlvolle Musette Anklänge und einen leichten Schlag ins Französische. Wobei die Höhner am Ende mit den Zeilen „Tollerant, för alles offe, lesbisch – oder schwul. Jäje rääts – do heiß et he: Arsch huh!“ auch hier ein klares und wichtiges Statement zur Lage der Nation abgeben.
Auch der Song „Julia“ lebt von seiner emotionalen Stärke und ist ein echtes Highlight des Albums. Das Lied erzählt die wahre Geschichte der an Leukämie erkrankten Julia, die sich in dem Dorf in der Nähe von Köln, in dem Henning wohnt, genau so abgespielt hat. Tausende von Menschen haben sich typisieren lassen, um Julia zu helfen. Am Ende wurde zwar der richtige Spender gefunden, aber Julia verlor trotz aller Bemühungen den Kampf gegen die Krankheit. Es war Henning ein Anliegen, Julia mit diesem Lied ein musikalisches Denkmal für ihren tragischen Kampf gegen diese bösartige Krankheit zu setzen. Außerdem wollte er anderen Menschen Mut machen, die mit schweren lebensbedrohlichen Leiden zu kämpfen haben.
Inhaltlich ähnlich stark ist der Song „Stille Helde`“ „Wä et Hätz am rechte Fleck hätt, dä weiß jenau, wat jedonn weede muß“ singen die Höhner und es ist sofort klar, um wen es geht: Es sind die stillen Helden, die immer wieder ein Lichtlein im Dunkeln der Zeiten oder des Schicksals anzünden. In dem Song geht es um die Helfer im Hintergrund, die in aller Stille einfach Beistand leisten, ohne nach Geld oder Ruhm zu fragen. Die einfach da sind, wenn es drauf ankommt. Der ruhige Song ist auch musikalisch eine Delikatesse. Geprägt von akustischen Gitarren und einem wunderschönen gesetzten Chorgesang klingt er in seiner amerikanischen Stilistik nach Bands wie den Eagles oder Crosby, Stills, Nash and Young. Sehr persönlich ist der Song „Heimweh“. Der Titel shuffelt straight nach vorne und schildert die aufkeimende Sehnsucht nach der Heimat auf Tour. Tage-, ja sogar wochenlang auf Achse – der Bandalltag der Höhner ist oft recht anstrengend. Bei über 300 Konzerten im Jahr ist das auch kein Wunder. Eigentlich logisch, dass sich bei den Jungs ab und zu ein melancholisches Gefühl von Heimweh einstellt. Die Ferne ist zwar aufregend, doch am schönsten ist es am Ende doch immer wieder daheim, bei den Freunden und Lieben zu Haus.
Wer jetzt denkt, dass die HÖHNER keinen Spaß mehr im Leben haben und nur noch ernste Themen anpacken, liegt natürlich komplett falsch. Es gibt wieder jede Menge humorvolle und schräge Songs auf „Alles op Anfang“. Was geht zum Beispiel ab, wenn der Typ auf den FC steht und die Frau auf die Roten aus Bayern. Letzteres ist in Köln natürlich ein absolutes No Go. Der Song „Rund ist der Ball“ geht der Sache auf den Grund und taucht in die Niederungen der echten Fußballliebe ein. Wie soll es zum Beispiel gehen, wenn zwei Mal im Jahr die jeweils geliebten Vereine gegeneinander spielen? „Liebe macht blind! Ejal, wer jewinnt – ein Herz muss immer bluten“, lassen uns die Höhner wissen. Und so gibt es eigentlich nur ein Ergebnis, das der Liebe wegen ok wäre: „Unentschiede – dat wör för die zwei janz okay! Sie es Bayern – un hä es FC!“ Musikalisch umrahmt wird der „tragische“ Song als cooler Shuffle mit Blues-Einflüssen und einer dazu passenden virtuos geblasenen Blues-Harp. Witzig und aus dem Alltag gegriffen ist auch der Song „Normal nit“. „Normal nit, da is nix zu mache“ ist ein Spruch, den jeder schon mal gehört hat, wenn die Heizung, der Kühlschrank oder der Fernseher den Geist aufgegeben hat und ein vor Wochen schon terminierter Handwerker sich den Schaden gelangweilt anguckt. Klar, dass ihm für ein paar Euro mehr die galante Lösung des Problems doch noch einfällt. Mit pointiertem Witz und locker eingespieltem Rock-Groove macht der Song sofort gute Laune, die einem evtl. wieder vergeht, wenn man tief inspiriert an die letzte Handwerker-Rechnung zurück denkt.
Zusätzlich zu dem Standard-Album veröffentlichen die HÖHNER auch noch eine Deluxe Edition mit akustischen bzw. unplugged Versionen der Songs „Kumm loss mer danze“, „Julia“, „Dat klingk noh Kölle“. Außerdem sind mit dem Liebeslied „I han jo dich“, dem lustigen Lied „Peng“ und dem Song „Du häs ne Fründ“ noch drei Bonus-Tracks auf dieser Version des Albums zu finden. Das Lied „Du häss ne Fründ“ ist dabei eine wunderschöne Feuerzeug-Ballade und handelt von der Magie echter Freundschaft. Es war auch wirklich Zeit, eine kölsche Hymne zu diesem Thema zu intonieren. Verpackt ist diese emotionale Ballade in ein harmonisches Arrangement mit Folk- und Country-Einschlag.
„Alles op Anfang“ wurde wie erwähnt nahezu komplett live eingespielt. Keine Tricks, keine digitalen Schummeleien: hier zählte wie in der guten alten Zeit der echte Könner am Instrument. Und es steht außer Frage, die HÖHNER haben das als passionierte Live-Band mit über 300 Konzerten im Jahr mit Bravour hinbekommen. Das Album zeigt durch seine Ursprünglichkeit und Ehrlichkeit, wo die HÖHNER 2015 stehen und auch wo die Reise in Zukunft hingeht.
Handgemachte Musik, Pop-Hymnen im Stadionformat, ehrliche Texte, die oft aus alltäglichen Erlebnissen entspringen und der wunderbare kölsche Humor machen die HÖHNER zu einer der aufregendsten Bands in unserem Land. Mit „Alles op Anfang“ haben sie das mit kreativem Schwung, Liebe und jeder Menge Musikalität wieder unter Beweis gestellt.