In Zell am See lassen sich die Anfänge des Ski-Tourismus nacherleben

Die Sonne geht hinter der Elisabethkapelle auf der Schmitten bei Zella am See (Kaprun), Österreich, unter. Im Jahr 1893 bestiegen erstmals zwei Kitzbüheler die Schmittenhöhe auf Skiern - heute Alltag für Skitourengeher, damals eine kleine Sensation. Als Kaiser Franz Joseph bei einem Besuch im darauf folgenden Sommer davon hörte, soll er die Pioniere mit einem anerkennenden 'mutig, mutig, die Herren' bedacht haben. Bis man damit begann, Massen von Skifahrern auf die Schmittenhöhe zu bringen, dauerte es noch Jahrzehnte. / copyright: Johannes Felsch/Zell am See-Kaprun Tourismus / dapd
Die Sonne geht hinter der Elisabethkapelle auf der Schmitten bei Zella am See (Kaprun), Österreich, unter. Im Jahr 1893 bestiegen erstmals zwei Kitzbüheler die Schmittenhöhe auf Skiern – heute Alltag für Skitourengeher, damals eine kleine Sensation. Als Kaiser Franz Joseph bei einem Besuch im darauf folgenden Sommer davon hörte, soll er die Pioniere mit einem anerkennenden ‘mutig, mutig, die Herren’ bedacht haben. Bis man damit begann, Massen von Skifahrern auf die Schmittenhöhe zu bringen, dauerte es noch Jahrzehnte.
copyright: Johannes Felsch/Zell am See-Kaprun Tourismus / dapd

So gerade noch passen die Skier aufrecht in die moderne Gondel. Um fast einen halben Meter überragen die hölzernen Spitzen ihre Besitzer, die in Lodenjanker und Kniebundhose, Norwegerpulli und Keilhose zwischen all den Skifahrern und Snowboardern in bunter Funktionskleidung in Richtung Gipfel fahren.

Die
Skifahrer mit den langen Brettern und dem unpraktischen Wollzeug sind
ein eindeutiges Zeichen: Es ist “Nostalski”-Zeit auf der Schmittenhöhe
oberhalb von Zell am See. Seit 2004 kommen hier jedes Jahr am
Faschingssamstag Ski-Nostalgiker zusammen, um auf historischen oder
originalgetreu nachgebauten Holzbrettern gegeneinander anzutreten –
entweder im traditionellen “Nebn’a’nont”-, also Parallel-Slalom, oder im
“Fernlauf”, der vom Gipfel der Schmittenhöhe bis hinunter in die Zeller
Innenstadt führt.

Das Spaß-Spektakel, das es in ähnlicher Form in
vielen Wintersportgebieten der Alpen gibt, wurde 2003 ins Leben
gerufen, um das 75-jährige Bestehen der ersten Seilbahn auf die
Schmittenhöhe zu feiern. In früheren Jahren waren schon runde Jubiläen
der Bahn, die als erste ihrer Art im Salzburger Land 1928 den Betrieb
aufgenommen hatte, so begangen worden.

“Geschichte hat für uns
einen Wert”, sagt Erich Egger, Vorstand der Schmittenhöhebahn. In einem
alten Skipullover seines Vaters sitzt er im Berghotel Schmitten, in dem
schon Kaiser Franz Joseph übernachtet hat. Am Nachmittag steht für Egger
noch ein Start beim Slalom an. “Wir haben 150 Jahre Tourismus, eine der
ältesten Traditionen in Österreich”, sagt er. “Wir machen das Rennen
nicht, um zusätzliche Gäste ranzubringen.” Blickt man auf die Zahlen,
scheint die Region das auch gar nicht nötig zu haben: Knapp eine halbe
Million Gäste urlaubte in der Saison 2011/2012 in Zell am See und
Kaprun, auf 13.000 Einwohner kommen 15.700 Gästebetten.

Beim Start
des “Fernlaufs” herrscht an diesem Karnevalssamstag nicht gerade großer
Zuschauerandrang. Die Zahl der Rennläufer – an die 50 – übersteigt die
der Zaungäste, was allerdings auch mit dem Wetter zusammenhängen könnte:
zehn Grad unter Null bei leichtem Schneefall. Die Nostalgie-Skifahrer
setzen sich indes gut gelaunt den Elementen aus, kaum einer trägt einen
Schal, die wenigen teilnehmenden Damen schützt höchstens ein alter
Fuchspelz.

Die ersten Skifahrer kamen vor 120 Jahren

In
seinen ersten Jahrzehnten spielte sich der Zeller Tourismus allein im
Sommer ab. Ab den 1870er Jahren kamen die ersten Sommerfrischler aus den
Städten, um den See, die Luft und den Panoramablick von der
Schmittenhöhe zu genießen, wie Horst Scholz erzählt. Scholz ist
Bezirksarchivar, Leiter des Stadtmuseums und eine Art wandelndes
Gedächtnis von Zell.

1893 bestiegen erstmals zwei Kitzbüheler die
Schmittenhöhe auf Skiern – heute Alltag für Skitourengeher, damals eine
kleine Sensation. Als Kaiser Franz Joseph bei einem Besuch im darauf
folgenden Sommer davon hörte, soll er die Pioniere mit einem
anerkennenden “mutig, mutig, die Herren” bedacht haben. Er selbst
bevorzugte den Pferdewagen – anders als seine Frau Elisabeth, die den
Gipfel acht Jahre zuvor selbst erklommen hatte.

Bis man damit
begann, Massen von Skifahrern auf die Schmittenhöhe zu bringen, dauerte
es noch Jahrzehnte. Zwar wurde in Zell schon 1905 ein Wintersportverein
gegründet, wie vielerorts in Österreich zu dieser Zeit. “Aber die Leute
waren ein bissl misstrauisch”, sagt Bezirksarchivar Scholz. Erst nachdem
sich das erste Hotel auf Wintergäste eingestellt und die Zimmer mit
Öfen ausgestattet habe, “sind langsam alle anderen aufgesprungen”.

Skifahren
blieb indes etwas für die Sportlichen: Präparierte Pisten gab es auf
der Schmittenhöhe bis in die 1960er Jahre nicht, und die mehr als zwei
Meter langen Holzbretter hatten mit den heutigen, leicht drehenden
Carvern so gut wie nichts gemein. “Das ist wie ein Tanz auf rohen
Eiern”, beschreibt der Zeller Bürgermeister Hermann Kaufmann das
Fahrgefühl auf den hundert Jahre alten Skiern seines Großvaters. “In den
Lederschuhen muss man jeden Zeh richtig bewegen.” Beim diesjährigen
Fernlauf benutzt er allerdings wendigere Bretter: Die blauen
Original-Skier, auf denen Toni Sailer 1956 bei Olympia in Cortina
d’Ampezzo
Gold holte.

Sehnsucht nach einer Zeit, die es nie gegeben hat

Der
unerfahrene Flachlandtiroler sollte sich beim “Nostalski” also aufs
Zuschauen beschränken. Den Rest des Jahres kann er die Zeller
Skigeschichte im Stadtmuseum nacherleben. In dem bis unter das Dach
vollgepackten mittelalterlichen Turm finden sich auf fünf Etagen
Kostbarkeiten und Kitsch, von Skiern aus 100 Jahren
Wintersportgeschichte über eine mobile Toilette des Kaisers bis hin zu
einem Schlitten, auf dem die niederländische Königin Wilhelmina 1937 in
Zell gerodelt ist.

Horst Scholz hat aus dem Fundus des Museums
einen der ersten Hartschalen-Skischuhe hervorgekramt, über seinem Kopf
baumeln Generationen lederner Vorgängermodelle. Scholz weiß zu jedem der
Stücke eine Geschichte zu erzählen, doch von der Verklärung der alten
Zeiten hält er nichts – etwa davon, dass heute Hütten allerorten mit
alten Skiern und Skischuhen dekoriert werden.

Das sei eine
Sehnsucht nach einer Zeit, “die es nie gegeben hat”, urteilt der alte
Zeller. “Die Zeiten waren hart.” Die Menschen in seiner Stadt hätten
früher Eisblöcke aus dem See verkauft oder im Bergbau gearbeitet, um zu
überleben. “Damals musste man das Gold im Berg suchen, heute liegt es
auf dem Berg.”

(Die Autorin reiste auf Einladung von Zell am See – Kaprun Tourismus.)

Autor: Redaktion / dapd