Wer seine Wohnung trendig einrichten will, stellt die Badewanne in den Schlafbereich, den Computer in die Küche und das Sofa mitten ins Zimmer. Entgrenzung heißt der entsprechende Fachbegriff. Er beschreibt, dass die herkömmlichen Wohnstrukturen zunehmend aufgebrochen werden. Dieser Trend ist auf den aktuellen Möbel-, Bau- und Einrichtungsmessen nicht zu übersehen.
«Die Menschen verabschieden sich immer mehr von den alten Raumeinteilungen mit Küche, Bad, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Kinderzimmer», sagt Ursula Geismann, Sprecherin des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie. In modernen Wohnungsgrundrissen gäbe es kaum noch geschlossene Räume. Bei Neubauten werde das Erdgeschoss heute in der Regel offen, mit wenigen Wänden geplant. Auch in Altbauten gehe die Entwicklung zu größeren Räumen. Da werden auch schon einmal Wände durchbrochen, um eine große Wohnküche zu bekommen.
Offene Küche fördert die Kommunikation
Die Bewohner wollen zunehmend die Funktion der Räume selbst bestimmen. So verschmelzen beispielsweise der Wohnbereich und die Küche. Die Küchen sind heute offen, gehen ohne störende Türen und Wände in den Essbereich über. Vorbei sind die Zeiten, da die Hausfrau im abgeschotteten Raum kochte und anschließend im Esszimmer servierte. Heute sind Küche, Esszimmer und Wohnzimmer eins. Hier spielt sich das Familienleben ab, werden Gäste empfangen. «Auch die Möbelindustrie hat sich darauf eingestellt. Sie hat zum Beispiel sehr bequeme Esssessel entwickelt, in denen man es einige Stunden aushält. Da muss man bei einer Feier nicht unbedingt aufs Sofa ausweichen», sagt Geismann.
Wellness im Schlaf- und Badbereich
Wie die Küche und das Wohnzimmer verschmelzen auch Schlafzimmer und Bad zu einer neuen Einheit. «Es ist wie ein eigener kleiner Spa- und Wellnessbereich», beschreibt sie den Trend. Entgrenzung ist ebenfalls zwischen Innen- und Außenbereich zu beobachten. «Die Menschen wollen draußen sein. Wohnungen ohne Balkon sind kaum noch zu vermieten.» Während der Außenbereich früher oft als Lager für den Kasten Wasser genutzt wurde, dient er nun zunehmend als erweitertes Wohnzimmer, das anspruchsvoll eingerichtet wird.
Flexible Möbel, fließende Übergänge
Offenes Wohnen erfordert andere Möbel als noch zu Omas Zeiten, in denen Schränke und Sofas an die Wand gestellt wurden. «Damals war es egal, wie es hinten aussah. Heute müssen sie aber von allen Seiten schön und solide gearbeitet sein, denn sie stehen oft mitten im Raum. Kunden sollten also Sofas kaufen, die auf der Rückseite keinen billigen Spannstoff haben, sondern durchgehend bepolstert sind. Dann können sie sie flexibel nutzen und haben länger etwas davon», meint die Expertin. Das gelte auch für Schränke, Regale und Raumteiler, die mit dem neuen Trend einen höheren Stellenwert erhalten.
«Wer seine Wohnung offen gestalten möchte, sollte unbedingt darauf achten, dass die einzelnen Bereiche aufeinander abgestimmt werden», rät Johanna Wilhelm von der Trendagentur Textildesign in Köln. Einfach nur Wände und Türen zu entfernen, reicht nicht aus. Stehen zum Beispiel im Wohnbereich Eichenmöbel und in der Küche Hochglanzschränke, dann passt das nicht zusammen.
Zur neuen Wohnform passen eher leichte flexible Möbel als schwere Schrankwände. «Ein Symbol für die neue Wohnform könnte der Sitzsack oder der Puff sein. Damit ist man mobil, kann sich in jedem Raum zu Hause fühlen», sagt Ursula Geismann. Insgesamt komme man mit weniger Möbeln aus als bei den herkömmlichen Einrichtungsformen. Man kann sie länger nutzen, Altes mit Neuem kombinieren, so dass immer ein anderes Ambiente entsteht. Auch Dekorationen und Accessoires überschreiten Grenzen.
Textilien und Accessoires schaffen Verbindungen
Für fließende Übergänge zwischen den einzelnen Wohnbereichen können auch Textilien sorgen. Bei der Auswahl von Vorhängen, Möbelstoffen, Teppichen und Tischwäsche sollten Kunden beachten, dass sie dem größeren, offenen Raum gerecht werden. Dazu sollten sie farblich oder im Design zusammenpassen. «Das verstärkt dann den großzügigen, wohnlichen Charakter», sagt die Designerin Johanna Wilhelm.
Liebhaber dieser lockeren, ungezwungenen Wohnform werden es zu schätzen wissen, dass der Handel zunehmen funktionale Möbel anbietet, die diesen Trend unterstützen. Es gibt Esstische, die sich mit einfachen Handgriffen für eine größere Gesellschaft verlängern lassen, der Fernsehbildschirm lässt sich im Sideboard versenken, wenn er nicht genutzt wird oder an Funktionsarmen in verschiedene Richtungen bewegen. Langweilige Backofentüren können mit LED-Lichtern aufgepeppt werden. «Den Gestaltungsideen sind keine Grenzen gesetzt. Die Wohnung verändert sich mit den Menschen, die darin leben», sagt Ursula Geismann.
Autor: dapd / BMELV/ MKULNV Redaktion