Abriss, Umbau oder Neunutzung: Dies ist die Situation, in der sich derzeit viele Kirchengebäude befinden, einige sind von Leerstand bedroht. Wie gehen wir mit diesen Bauten um, die in architektonischer, religiöser, aber auch kultureller Weise außergewöhnliche Räume erzeugen? Die Kirche St. Gertrud an der Krefelder Straße 57 in Köln wird vom 9. September bis 10. November 2019 zu diesem Thema für die Ausstellung “Fluch und Segen. Kirchen der Moderne” des M:AI – Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW zum erlebbaren Exponat inszeniert.
Die Ausstellung in dem Bauwerk von Gottfried Böhm von 1965 macht die besondere Atmosphäre von Kirchen körperlich erfahrbar und begreifbar. Die Kirche St. Gertrud wird zum erlebbaren Exponat. Mit ihrer rauen Fassade aus Sicht- und Waschbeton und ihrer asymmetrischen Form bietet sie den idealen Raum für die spannungsreiche Inszenierung der kulturellen Bedeutung von Kirchengebäuden. Darüber hinaus verkörpert der Ort selbst das stark diskutierte Thema des Umgangs mit Kirchen. St. Gertrud ist seit 2010 unter anderem auch Veranstaltungsraum für Ausstellungen und Installationen.
Ausstellung in begehbarem Exponat: St. Gertrud wird zum Ausstellungsobjekt
Mittels Projektionen und Licht inszeniert “Fluch und Segen. Kirchen der Moderne” während der Öffnungszeiten – von Mittwoch 12 bis 20 Uhr sowie Donnerstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr – wichtige architektonische Elemente des Kirchenbaus. Die Ausstellung erläutert liturgische Funktionen der Raumgestaltung, erklärt den theologischen Hintergrund und entschlüsselt die besondere Atmosphäre. Ein zweiter Teil der Ausstellung veranschaulicht wie sich die Bedeutung und Raumwirkung von Kirchengebäude durch den Umbau und andere Nutzungen verschieben.
Es ist vor allem die Stille und die Andersartigkeit der Räume, die sich so sehr von unserer Alltagswelt unterscheiden, was Menschen in Kirchen berührt. Dazu trägt ganz besonderes die architektonische Gestaltung bei. Kirchenbauten eröffneten Architekten und Künstlern zu allen Zeiten besondere Spielräume. Dadurch sind oft neue Stil-Entwicklungen vorangetrieben worden. Für die moderne Architektur war der Kirchenbau ein besonderes Feld. Er ermöglichte den Architekten doch große Freiheiten. Diese in ihrer Gestaltung, gepaart mit oft spröder Ästhetik, oft schwierig zugängliche Kirchenbauten sind aktuell besonders von Umbau und sogar Abriss bedroht. Dabei verfügt Nordrhein-Westfalen über einen weltweit einzigartigen Bestand an Kirchenbauten der Moderne.
Kirchengebäude erhalten, anpassen und umnutzen
In NRW gibt es rund 6.000 christliche Kirchen, von denen in den nächsten Jahren etwa 30 Prozent leer stehen werden (Jörg Beste, Synergon 2018). Gründe dafür sind unter anderem der demografische Wandel und eine säkularisierte Gesellschaft. Leerstehende Kirchen ohne neue Nutzung werden langfristig aus den Dörfern, Städten und Wohnquartieren verschwinden. Der Umgang mit diesem christlichen Erbe hat sich zu einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion entwickelt.
Mit der Ausstellung verbunden ist das Projekt “Zukunft-Kirchen-Räume. Kirchengebäude erhalten, anpassen und umnutzen” der StadtBauKultur NRW. Das Ziel des Projekts ist, Gemeinden und Initiativen zu unterstützen, die am Umbau oder der Umnutzung von Kirchengebäuden beteiligt sind. Zentraler Knotenpunkt ist dabei die Website zukunft-kirchen-raeume.de. Dort werden Projekte aus ganz NRW von realisierten Konzepten vorgestellt, Ansprechpersonen sowie Fachinformationen vermittelt.