Bierbranche: Säuft der Markt des Volksgetränks ab?

Auf dem deutschen Biermarkt herrscht Katerstimmung / copyright: Wandersmann / pixelio.de
Auf dem deutschen Biermarkt herrscht Katerstimmung
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Auf dem deutschen Biermarkt herrscht Katerstimmung: Seit Jahren stagniert der Markt, Brauereien müssen massive Absatzeinbrüche hinnehmen. Der historische Tiefstand des Bierkonsums von 101,4 Liter pro Kopf ist sicher mit verantwortlich. Doch die Gründe der Krise sind weitaus facettenreicher.

Viele Hersteller sind dem Kostendruck auf Energieseite mit massiven Investitionen in Energiesysteme begegnet – diese Kostenerhöhungen zehren heute an den Gewinnen der Unternehmen. Hinzu kommen steigende Preise für Braugerste und kontinuierliche Kostenerhöhungen im Güterkraftverkehr, kurz: Schwächelnder Konsum trifft auf steigende Faktorkosten – diese Kostenschere stellt die Zukunftsfähigkeit vieler Brauereien in Frage. Kapazitätsüberhänge von über 30 Prozent sowie harte Preiskämpfe ihm Rahmen der Promotionspolitik zwingen die Hersteller in die Knie.

Einziger Gewinner in dieser Situation: Der Konsument, der von Niedrigstpreisen profitiert. Eine grundsätzliche Lösung für die Branche ist nicht in Sicht. Vielmehr steht eine weitere Konsolidierungswelle an, die zu dringend notwendigen Kapazitätsbereinigungen führen wird – so die Prognose der Top-Management Beratung Dr. Wieselhuber & Partner (W&P).

Eine langfristige Beobachtung des Biermarktes zeigt: Der wichtigsten Teilmarkt Pils ist nach einer Schätzung der Branchenexperten bei W&P von 31,1 Mio. hl im Jahr 2008 bis 2011 auf 29,5 Mio. hl geschrumpft – Tendenz weiter fallend. Dieser Rückgang von rund 4 Prozent des Absatzvolumens innerhalb kürzester Zeit entspricht dem IST-Ausstoß einer der Top-Ten Bierbrauer Deutschlands. Das hat bedrohliche Auswirkungen auf die Branche, denn nahezu ein Drittel aller Produktionskapazitäten liegt brach und drücken damit auf die Gewinne.

Die Konsequenz der Brauereien: Sie treten in einen ruinösen Preis- und Mengenwettbewerb auf den Absatzmärkten, indem sie trotz steigender Faktorkosten und einem rückläufigen Normalpreis den Absatz durch Promotions-Aktionen stützen – von 2008 bis 2011 haben sie die Promotions-Menge bei Pils um stolze 23,8 Prozent angehoben. Somit gehen heute über 67 Prozent des verkauften Pils für unter 10 Euro (20er, 0,5l Mehrweg) über den Tisch – und damit knapp zwei Euro unter Normalpreis. Ein gutes Geschäft?

Ja, aber ausschließlich für den Verbraucher, meint Jürgen-Michael Gottinger, Branchenexperte bei W&P: “Laut unserer Berechnungen ergibt sich aus den Promotionsaktionen eine negative Gewinnentwicklung für den Gesamtmarkt von mindestens 30 Mio. Euro – diese Summe bleibt quasi direkt im Portemonnaie der Konsumenten”. Diese nachhaltige Gewinnveränderung bei steigenden Überkapazitäten ist in Gottingers Augen Ausdruck einer strategischen Krise im Gesamtmarkt. Zudem wird auf Grund der zunehmenden Verknappung von Braugerste ein drastischer Preisanstieg für den Rohstoff erwartet, der den Rekordpreis von 2008 schnell toppen könnte.

Vor diesem Hintergrund sei die Promotions-Strategie nicht länger haltbar – zumal trotz der niedrigen Preise weder der Bierkonsum zunimmt noch der Gesamtabsatz stabilisiert werden kann. Auch herkömmliche Maßnahmen zur Kostensenkung wie Personal- oder Materialkostensenkung reichen genauso wenig aus, um die Ertragssituation zu stabilisieren wie beachtliche Steigerungen im Exportgeschäft oder prozess- und vertriebskostenintensive Innovationen.

“Die Getränkeindustrie ist jetzt zu radikaleren Schritten gezwungen: Es müssen dringend Kapazitäten aus dem Markt verschwinden, die Gesamtbranche muss schneller konsolidieren. Es gibt eine Reihe von Akteuren wie die Radeberger Gruppe, die die Branchenlandschaft aktiv gestalten können”, weiß Branchenexperte Gottinger. So könnten durch regionale M&A-Aktivitäten oder Kooperationen in Funktionen die Fixkosten in Verwaltung, Logistik und Vertrieb gesenkt werden. Im operativen Segment hingegen sollten Produkt- und Gebinde-Portfolio überarbeitet und das Komplexitätsmanagement intensiviert werden – und das besser heute als morgen.

Denn so lange die Hersteller ihre Ausrichtung nicht überprüfen, bleibt nur ein lachender Gewinner: Der Konsument.

Autor: Redaktion / Dr. Wieselhuber & Partner GmbH