Zwischen ColognePride, Vorbereitung des CSD in Köln und Freude über die “Ehe für alle”: Interview mit Martin Rätze (KLuST-Vorstand)

KLuST-Vorstand Martin Rätze zwischen CSD- / ColognePride-Vorbereitung und Freude über die "Ehe für alle" - copyright: CityNEWS / Christian Esser
KLuST-Vorstand Martin Rätze zwischen ColognePride, Vorbereitung des CSD in Köln und Freude über die “Ehe für alle”
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Der ColognePride 2017 ist bereits gestartet, das große CSD-Wochenende rückt näher. Die Macher von Kölns zweitgrößter Veranstaltung nach dem Karneval – der Kölner Lesben- und Schwulentag e.V. (KLuST) – steckt dafür in den letzten Vorbereitungen. Die “Ehe für alle” wurde gerade beschlossen. “Das ist einer der wichtigsten Meilensteine für die LSBTQI*-Bewegung”, sagt Martin Rätze, KLuST-Vorstandsmitglied im Gespräch mit CityNEWS.

Im Interview spricht er offen über die erreichten politischen Ziele der Community, die “Ehe für alle”, den Vorbereitungsstress und die Vorfreude auf das CSD-Wochenende in Köln.

CityNEWS: Das Rahmenprogramm zum ColognePride ist bereits gestartet. Wie verlief der Start?

Martin Rätze: Am Wochenende war die erste Veranstaltung, die Denkwerkstatt vom PrideSalon. Dort wurden verschiedene Ideen offen diskutiert. Am Sonntag gab es das Sommerfest der Aids-Hilfe. Das Programm ist wirklich gut angelaufen. Wir sind bislang sehr zufrieden. Jeden Tag gibt es tolle Veranstaltungen

CityNEWS: Aber die Vorbereitung für den diesjährigen ColognePride war wirklich nicht leicht in diesem Jahr.

Martin Rätze: Ja, die Zeit war hart. Der neue Vorstand hat mit der Problematik vom Frühjahr 2017 zum Glück nichts zu tun gehabt. Aber das war für uns sehr hart, denn nach den KLuST-Vorstandswahlen Ende Mai hatten wir nur sehr wenig Zeit, um den CSD vorzubereiten.

Und wir sind noch lange nicht fertig – eine knappe Kiste an manchen Stellen. Die großen Veranstaltungen stehen natürlich alle. Aber wir suchen noch mehr Ehrenamtler, um alles umgesetzt zu bekommen. Und es ist eben noch viel “Klickarbeit” am Computer von Nöten, Listen schreiben zum Beispiel. Und wegen der großen Wellen in der Politik ist das Interesse der Medien natürlich aktuell auch sehr groß.

CityNEWS: Der CSD soll in diesem Jahr so politisch wie noch nie werden. Woran werden das die Besucher merken?

Martin Rätze: Durch die großen politischen Blocks auf den Bühnen wird man das schon sehr merken, dass der CSD in diesem Jahr noch einen wesentlich größeren politischen Rahmen haben wird. Aber auch durch die aktuellen Ereignisse, wird sich zeigen, dass der CSD in diesem Jahr noch politischer wird, insbesondere durch die Stimmung, die die vielen Besucher ausstrahlen werden. Wir haben den Bundesjustizminister Heiko Maas als Schirmherrn gewonnen. Aber es kommen auch noch viele andere hohe Bundespolitiker aller politischen Fraktionen aus dem Bundestag, unter anderem die Führungsspitze der Grünen, sowie die Familienministerin und die Umweltministerin – und noch viele weitere Gäste aus der Politik.

* lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, transsexuelle, intersexuelle und queere Menschen

Ehe für alle ist ein Meilenstein – aber es gibt weitere Baustellen

Martin Rätze: Ehe für alle ist ein Meilenstein - aber es gibt weitere Baustellen ... - copyright: CityNEWS / Christian Esser
Martin Rätze: Ehe für alle ist ein Meilenstein – aber es gibt weitere Baustellen …
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CityNEWS: Die Ereignisse um die “Ehe für alle” haben sich in dieser Woche überschlagen. Das Gesetz ist beschlossen. Das wird beim CSD doch sicher gefeiert werden.

Michael Rätze: Natürlich wird das Erreichen dieses fantastischen Meilensteins auch ordentlich gefeiert werden! Endlich haben wir auch in Deutschland die “Ehe für alle”. Ich bin auch zuversichtlich, dass diese in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird, sollten einige Abgeordnete tatsächlich dagegen klagen wollen, wie schon angekündigt ist. Nach 25 Jahren hartem und zähem Kampf konnten wir diesen wichtigen Erfolg nun endlich erzielen. Die Art und Weise wie der Punkt allerdings in den letzten Tagen zum parteipolitischen Spielball im Wahlkampf wurde, war der Sache unwürdig.

CityNEWS: Das ist zweifelsohne ein großer Meilenstein für die Pride-Bewegung. Was muss die Politik nach der Wahl in Angriff nehmen?

Michael Rätze: Das ist definitiv einer der wichtigsten Meilensteine in der Bewegung seit Jahren in Deutschland. Mit der Rehabilitierung der verurteilen Menschen nach Paragraph 175 StGB und der “Ehe für” alle haben wir damit in nur einem Jahr zwei richtig große Punkte geschafft. Das sind zwei ganz große Schritte, die so kurz hintereinander gemacht wurden. Aber es gibt immer noch genug Baustellen.

Das Adoptionsrecht muss entsprechend überarbeitet werden. Auch das Transsexuellengesetz in Deutschland ist unwürdig und muss geändert werden. Es gibt aber auch noch viele andere rechtliche Unterschiede, die aufgehoben werden müssen. Da müssen auch die Bedürfnisse älterer und jüngerer Menschen in der Community mehr berücksichtigt werden. Es braucht eine bessere und intensivere Jugendaufklärung. Das muss staatlich gefördert und unterstützt werden, um nicht nur rechtlich, sondern auch in der gesellschaftlichen Akzeptanz die nächsten Schritte zu gehen.

Die Vielfalt der Familie sollte staatlich gefördert werden!

Die Vielfalt der Familie sollte staatlich gefördert werden! - copyright: pixabay.com
Die Vielfalt der Familie sollte staatlich gefördert werden!
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CityNEWS: Ein großer Themenbereich dabei ist, wie Homosexualität und Co. als Abbildung der Vielfalt der Familie in der Bildung behandelt werden sollen.

Michael Rätze: Diese Abbildung der Vielfalt der Familie zählt für mich auch zu den Dingen, die staatlich gefördert werden müssten, um die gesellschaftliche Akzeptanz zu fördern. Das hat für mich nichts mit einer Frühsexualisierung zu tun. Wenn ich Mann, Frau und Kind abbilde, hat das auch nichts mit Frühsexualität zu tun. Das ist für mich ein Quatschargument.

Aber Bildungspolitik ist leider Ländersache. Ich glaube bei einer Schwarz-Gelben Landesregierung, wie jetzt wieder in NRW habe ich da wenig Hoffnungen. Das wird eine Mammutaufgabe für die gesamte Pride-Bewegung, diese Inhalte auch in den Schulunterricht zu bringen. Das ist eine zentraleForderung der gesamten Pride-Bewegung, nicht nur hier in Köln. Aber wir sehen jetzt endlich ein Umdenken für die “Ehe für alle” – da steigt die Hoffnung, dass das Thema Vielfalt der Familie auch in den Schulen entsprechend dargestellt wird.

CityNEWS: Die “Ehe für alle” ist beschlossen. Es gibt aber durchaus Menschen, die sagen, dass muss doch jetzt reichen. Was sagt ihr denen?

Michael Rätze: Genau das. Auch, wenn jetzt bald eine “Ehe für alle” kommen wird, ist damit noch längst nicht die gesellschaftliche Akzeptanz erreicht und hergestellt. Da gibt es zwei Aspekte: das Formaljuristische und das Gesellschaftliche. Nur die Gesetzeslage entsprechend anzupassen, wird nicht reichen. Auch die gesellschaftliche Sicht auf Homosexualität muss sich noch weiter wandeln – am Besten in eine komplette Akzeptanz. Es braucht nicht nur Gesetze und Information, sondern auch eine öffentliche Debatte darüber. Mit dem CSD möchten wir auch in diesem Jahr genau das erzeugen.

Ist der CSD in Köln zu kommerziell?

Ist der CSD in Köln zu kommerziell? - copyright: ColognePride
Ist der CSD in Köln zu kommerziell?
copyright: ColognePride

CityNEWS: Und das Argument, dass der CSD zu kommerziell sei? Wird zu viel Party gemacht?

Michael Rätze: Es wird immer wieder Vorwurf erhoben der CSD sei zu kommerziell und es gäbe zu viel Party. Es stimmt – es gibt auch Party und die Veranstaltung ist auch in einem gewissen Maße kommerziell. Aber wir haben mit so vielen Ehrenamtlern ein riesiges Programm erstellt, das 220.000 Euro kosten soll. Wer Veranstaltungen in der Größenordnung plant, muss normalerweise ohne einen siebenstelligen Betrag auf der Habenseite gar nicht die Planung beginnen.

Wir sind alle rein ehrenamtlich organisiert. Rund 350 Ehrenamtler wuseln beim CSD im Hintergrund herum und sorgen dafür, dass alles klappt. Das ist wirklich großartig. Das hat mit einer übermäßigen Kommerzialisierung nichts zu tun – es zeigt nur das große Herz und die Bereitschaft vieler Menschen die Pride-Bewegung tatkräftig zu unterstützen.

Aber neben viel Politik gibt es natürlich auch viele Feiern und Partys. Aber auch das ist ein politisches Statement. Wir, die ganze Community und alle CSD-Teilnehmer haben hier die Möglichkeit völlig frei zu sein. Wir müssen uns nicht verstecken. Es ist die Macht der Bilder, die von Köln ausgeht. Diese Bilder haben einfach eine Strahlkraft – das muss und wird sich in den Köpfen der Menschen festsetzen. Dazu gehören auch die schrillen Bilder – auch das muss sein.

Beim CSD muss man nicht alles und jeden toll finden – aber auch die schrillen Menschen müssen akzeptiert werden. Auch sie gehören in das Bild dieser Welt hinein. Man wird nicht direkt zur Dragqueen, nur weil man auf dem CSD viele davon sieht. Aber genau diese Gespräche und Diskussionen, die der CSD anstößt, helfen dabei, tiefer in die Köpfe der Menschen zu kommen. Diese Gespräche und Diskussionen fördern die gesellschaftliche Akzeptanz und senden ein positives Signal von Köln in die ganze Welt.

Kölner CSD soll eine bunte, weltoffene und politisch spannende Veranstaltung werden

Kölner CSD soll eine bunte, weltoffene und politisch spannende Veranstaltung werden - copyright: pixabay.com
Kölner CSD soll eine bunte, weltoffene und politisch spannende Veranstaltung werden
copyright: pixabay.com

CityNEWS: Was sind Deine persönlichen Erwartungen an den diesjährigen CSD?

Michael Rätze: Ich glaube wirklich, dass die Stimmung sehr positiv sein wird, insbesondere wegen der beiden Meilensteine, die in diesem Jahr erreicht werden konnten. Ich freue mich auch sehr auf die Eröffnungsworte von Heiko Maas und darüber, dass er überhaupt als Schirmherr beim CSD dabei ist. Er ist der erste Bundesjustizminister, der Schirmherr des CSD sein wird. Mit ihm haben wir einen Politiker gefunden, der in der aktuellen politischen Situation in Deutschland das geschafft hat, was möglich war.

Mit dem 175er-Rehabilitierungsgesetz, hat er etwas durchs Kabinett gedrückt, was nicht einmal im Koalitionsvertrag stand. Das verdient große Anerkennung, dass er sich diesem Thema angenommen hat und das trotz Widerstand in der Regierung durchs Parlament gebracht hat. Wir haben mit Heiko Maas eben genau den Mann, in dessen Aufgabenbereich diese weitreichenden Gesetzesänderungen, wie der Rehabilitierung Homosexueller und die “Ehe für alle” fallen.

Ich freue mich auch ganz besonders auf die spannenden politischen Diskussionen beim CSD. Insbesondere jetzt, wo die “Ehe für alle” noch vor der Sommerpause im Bundestag verabschiedet wurde. Mich interessiert jetzt, was die politischen Gäste danach planen und verändern möchten. Ich bin wirklich gespannt, was von ihnen inhaltlich an Input kommen wird und was sie in der nächsten Legislaturperiode verändern möchten. Insgesamt glaube ich, dass der CSD auch in diesem Jahr wieder eine bunte, weltoffene und politisch spannende Veranstaltung wird, bei der auch die Feierlichkeiten nicht zu kurz kommen werden.

Hier alle Infos zum ColognePride 2017: CSD in Köln