Ein, man möchte sagen, für Köln nicht ungewöhnliches Tauziehen hat sich im Zusammenhang mit dem Ausbau des Geißbockheims entwickelt. Für oder gegen die Erweiterung des Sportparks im Äußeren Grüngürtel in Köln-Sülz. An dem Tau ziehen die unterschiedlichsten Teams, politisch könnte man sagen Fraktionen. Und eine Oberbürgermeisterin, die keine Probleme hat, mal am einen, mal am anderen Ende des dicken Seils zu ziehen.
Dabei entwickelt sich Tauziehen in der Domstadt zur Ausdauersportart. Denn bereits seit dem Jahr 2014 ist der 1. FC Köln sowohl mit den zuständigen Ämtern als auch den politischen Fraktionen in regem Austausch. Gut sechs Jahre später also geht das Spiel um die Spielplätze in die finale Phase. Die Verwaltung hat ihren Job erledigt. Die Beschlussvorlage zur Erweiterung am Clubhaus ist ins Ratsinformationssystem der Stadt Köln eingespeist. Jetzt ist die Politik am Zug.
1. FC Köln will Profis und Nachwuchs am traditionellen Standort zusammenhalten
In einem Newsletter des 1. FC Köln vom 11. Mai 2020 äußert sich der Geschäftsführer der Geißböcke Alexander Wehrle wie folgt: “Wir begrüßen es sehr, dass das Verfahren nun auf die Zielgerade einbiegt. Für den FC als nahbarer Club dieser Stadt ist es strategisch von enormer Bedeutung, Profis und Nachwuchs am traditionellen Standort zusammenhalten und sich zugleich für die Zukunft modern weiterentwickeln zu können. Für dieses übergeordnete Ziel sind wir im Verfahren auch die nötigen Kompromisse eingegangen.”
Außerdem äußerte der FC-Geschäftsführer: “Ich weiß, wie viel Arbeit auf allen Seiten in so einem Projekt steckt, das bislang stets kritisch öffentlich begleitet wurde. Mein Dank gilt heute daher ausdrücklich den vielen daran beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung. Sie waren für uns mit Sicherheit nicht immer bequem, aber immer hoch professionell, verlässlich und engagiert.”
Was genau ist im Zuge der Erweiterung des Kölner Geißbockheims geplant?
Auf einer bereits versiegelten Fläche neben dem Franz-Kremer-Stadion soll ein neues Leistungszentrum für den Nachwuchs und die Profis entstehen. Weiter nördlich, auf einer Wiese zwischen Militärringstraße und Decksteiner Weiher, sind drei Trainingsplätze aus Kunstrasen geplant. Außerdem runden neue Kleinspielfelder das Bauvorhaben ab. Diese sollen allen Bürgern zur Verfügung stehen.
Wenn die Politik in diesem Sinne entscheidet, wären die Geißböcke im 21. Jahrhundert angekommen. Denn solche Strukturen haben Vereine wie der FC Bayern München, Schalke 04 und Borussia Dortmund seit vielen Jahren. Die professionelle Nachwuchsarbeit spült immer wieder Talente in den Kader der ersten Mannschaft. Die wird entsprechend verstärkt, oder ein Talent wird teuer verkauft und generiert den Vereinen auf diese Weise Mehreinnahmen.
Das Geißbockheim – ein Teil der Sportkultur der Rheinmetropole
Das Geißbockheim ist allerdings auch ein großes Stück Tradition. Erbaut im Jahre 1926 ist es die Heimat der Geißböcke beziehungsweise seiner Vorgängervereine. Hier hatten viele Nationalspieler ihre ersten Balkontakte, hier sind die Kiebitze während des Trainings ganz nah am Geschehen. Der Erfinder des Grüngürtels, Konrad Adenauer hatte schon Ende der 1920er Jahre das Bild vor Augen, das nun gemalt werden soll. Trainingsplätze genau an der Stelle, wo jetzt die neuen Anlagen geplant sind.
Oberbürgermeisterin Henriette Reker, lange Zeit eine Befürworterin des Bebauungsplans mit dem eher sperrigen Titel Erweiterung RheinEnergieSportpark in Köln-Sülz, hat jedenfalls umgeschwenkt. Im August letzten Jahres führte sie den Klimanotstand ins Feld, um der Versiegelung von Grünflächen im Grüngürtel eine Abfuhr erteilen.
Entweder Beschluss des Bebauungsplans oder alles auf Anfang
Nunmehr also geht die Stadt mit zwei Beschlussvarianten in die Beratungen zum Ausbau des Geländes.
Version 1: Sie verwirklicht das Ergebnis der Abwägung, dass das Erweiterungsvorhaben rechtlich zulässig ist. Sie greift die Stellungnahmen zu über 7.000 eingereichten Anregungen und Bedenken auf und beschließt den entsprechenden Bebauungsplan.
Version 2: Sie sieht vor, den – Zitat: “Bebauungsplan nicht zu beschließen, sondern die Verwaltung zu beauftragen, in Gespräche mit dem FC Köln einzutreten und gemeinsam einen alternativen Standort, insbesondere auch für eine Teilverlagerung zu entwickeln. Bei einer Teilverlagerung ließen sich zum Beispiel das geplante Leistungszentrum neben dem Geißbockheim realisieren und gleichzeitig die “Gleueler Wiese” für die Öffentlichkeit erhalten. Die bisherigen Prüfungen und gutachterlichen Stellungnahmen bezogen sich ausschließlich auf eine Realisierung des gesamten Ausbauvorhabens an einer Stelle”. (Quelle: Pressemitteilung der Stadt Köln vom 11. Mai 2020).
Wenn alles glatt läuft, könnte der Rat noch in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause am 18. Juni 2020 über das Vorhaben entscheiden. Aus der Bürgerschaft der Domstadt gingen über 7.100 Stellungnahmen zu den umfangreichen Ausbauplänen des Traditionsclubs bei der Stadt Köln ein. Davon sprachen sich 60 Prozent gegen die vorgelegten Pläne aus. Eine Rekordzahl in Sachen Bürgerbeteiligung, die die Entscheidung jedoch nicht einfacher macht.
Entscheidung zum Geißbockheim noch vor den NRW-Kommunalwahlen unwahrscheinlich
Allerdings läuft es eher darauf hinaus, dass in der für den 10. September 2020 angesetzten Ratssitzung über das weitere Vorgehen entschieden wird. Wenn überhaupt. Denn nur drei Tage später sind Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen. Keine gute Zeit, um weitreichende politische Entscheidungen auf den Weg zu bringen. Momentan ist die politische Stimmung wie folgt: CDU und SPD befürworten das Projekt, die Grünen stellen sich dagegen.
Und wer sich ganz tief ins Archiv der Niederschriften über die Sitzungen der Bezirksvertretung Lindenthal begibt, stößt auf folgenden Beschluss unter dem Punkt 8.2.6.:
“Die Bezirksvertretung Lindenthal lehnt auch den veränderten Neubau des Bürogebäudes für den 1. FC Köln im Äußeren Grüngürtel am Geißbockheim ab. Sie stuft den Schutz des Denkmals “Äußerer Grüngürtel” und das Landschaftsschutzgebiet “Äußerer Grüngürtel” höher ein als das Baugesuch des 1. FC Köln.” Das war in der 32. Sitzung der Lindenthaler Bezirksvertretung, stattgefunden am 28. Januar 2008.