Einst sollte das prächtige geschmückte Totenboot einen neuseeländischen Maori-Häuptling zu seinen Vorfahren bringen. Nun ist es eines der herausragenden Exponate im neuen Kulturquartier am Kölner Neumarkt, das am Wochenende eröffnet wird.
In vier Jahren Bauzeit ist hier der Neubau des Rautenstrauch-Joest-Museums entstanden, das einzige kommunale Völkerkundemuseum in NRW. Dazu gehört auch das um einen Erweiterungsbau vergrößerte Museum Schnütgen für die Kunst des Mittelalters.
Das Kulturquartier ist das sehnsüchtig erwartete Leuchtturm-Projekt für die kriselnde Kölner Kulturlandschaft. Zuletzt sorgten die Debatte um die Zukunft von Schauspielhaus und Oper, der desolate Zustand des Stadtmuseums sowie die Querelen um das Prestigeprojekt Archäologische Zone für Aufregung. Über all dem hängt das Desaster des Stadtarchiv-Einsturzes mit zwei Toten und dem unermesslichen Schaden am kulturellen Erbe der Region.
Prestigeprojekt mit wechselvoller Vorgeschichte
Da ist nachvollziehbar, dass jetzt das Kulturquartier von der Kölner Stadtspitze bejubelt wird. Kulturdezernent Georg Quander nennt die Wiedereröffnung der beiden Häuser “das glanzvollste Kulturereignis dieses Jahres in unserer Stadt”. Und Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) ergänzt: “Beide Häuser gehören zu den international herausragenden Museen, die nunmehr endlich über ihrer Bedeutung entsprechende Ausstellungs- und Funktionsräume verfügen.”
Die holperige Vorgeschichte des Baus scheint da kaum noch einer Erwähnung wert zu sein. Denn ehe am 14. Juni 2005 der Grundstein gelegt wurde, musste die traditionsreiche Josef-Haubrich-Kunsthalle weichen, wogegen prominente Künstler aus ganz Deutschland protestierten. Die dadurch entstandene trostlose Baugrube machte monatelang als “Kölner Loch” in den Feuilletons Schlagzeilen, für viele das Symbol für eine kommunale Kulturpolitik, die sich vor allem durch Desinteresse und Inkompetenz auszeichnete.
Das Braunschweiger Architekturbüro Schneider und Sendelbach entwarf für den Neubau einen mächtigen Gebäudeblock, der durch markante Glasfläche gebrochen wird. Die massive Ausbildung des Gebäudes entspreche dem Charakter eines Ortes, der Ausstellung und Bewahrung gewidmet ist, betonten die Architekten. Über einen Kern aus Beton legt sich die Fassade aus manuell gebranntem Stein: “Ein Verweis auf die römische Geschichte der Stadt.” Die Bau- und Planungskosten betrugen 66,7 Millionen Euro, an denen sich das Land mit 24 Millionen Euro beteiligt hat. Die Einrichtungskosten der beiden Museum belaufen sich auf weitere 13,7 Millionen Euro.
Neuer Ansatz für Völkerkundemuseum
Das Rautenstrauch-Joest Museum verzichtet auf eine geografische Gliederung seiner Schau. Stattdessen ist der Bestand nach Themen gegliedert, die Menschen überall auf der Welt bewegen, denen sie aber je nach regionaler und kultureller Prägung auf jeweils eigene Weise begegnen. Auf 3.600 Quadratmeter Ausstellungsfläche sollen die Besucher so für Sichtweisen anderer Kulturen sensibilisiert werden. Spektakulärer Blickfang ist dabei ein elf Meter hoher und sieben Meter langer indonesischer Reisspeicher, ein Stück, das weltweit nur im Kölner Museum zu sehen ist.
100 Jahre nach seiner Gründung erhält das Museum Schnütgen nun seinen dringend benötigten zusätzlichen Platz. Zwei Ausstellungssäle entstanden in unmittelbarer Nachbarschaft der des Museumskerns, der romanischen Kirche St. Cäcilien. Damit hat sich die Ausstellungsfläche des Museums auf 1.900 Quadratmeter vergrößert. Sie bietet nun Platz für etwa 2.000 Exponate – weiterhin nur ein Bruchteil der Sammlung von 13.000 Objekten.
Das Kulturquartier umfasst neben den beiden Museen auch das Forum Volkshochschule, die Stadtbibliothek, das Haus der Architektur und die Kunststation Sankt Peter. Zum feierlichen Einweihung wird am Freitag Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) erwartet.
Besucher können beide Museen am Eröffnungswochenende in der Zeit von 10.00 bis 18.00 Uhr bei freiem Eintritt erleben.
Autor: Redaktion/ dapd