75 Prozent der Deutschen sind prinzipiell bereit, nach ihrem Ableben Organe zu spenden. Doch nur 43 Prozent besitzen den dafür notwendigen Organspendeausweis. Wer eine Organspende ablehnt, tut dies in erster Linie aus mangelndem Vertrauen in das Vergabesystem sowie Bedenken in Bezug auf eine sichere Todesdiagnose. Dies sind Ergebnisse der aktuellen Studie.
Fast drei von vier Spendewilligen (73 Prozent) würden ausnahmslos alle Organe spenden, 27 Prozent eine Auswahl vorgeben. Am größten ist deren Spendenbereitschaft bei Nieren und Leber, gefolgt von Herz, Lunge, Bauchspeicheldrüse und Darm. Am geringsten ist die Spendenbereitschaft, wenn es um die Entnahme von Gewebe, etwa Augenhornhaut oder Knochen geht. Ihre potenzielle Spendenbereitschaft begründet die Mehrheit der Spendebereiten mit dem Wunsch, anderen Menschen zu helfen (62 Prozent). Das Motiv, als Betroffener oder Angehöriger selbst auch eine Organspende in Anspruch nehmen zu wollen, ist mit 44 Prozent geringer ausgeprägt.
Ausweisregel schließt viele potenzielle Spender aus
“Die Bereitschaft der Bevölkerung in Deutschland zur Organspende ist weitaus größer als erwartet. Die Ansprache potenzieller Spender sollte jedoch vereinfacht werden, da sie ein Drittel der Spendewilligen offenbar nicht anspricht”, sagt Lutz Kaiser, Vorstand der pronova BKK. Wer in Deutschland sein Einverständnis zur Organspende nicht ausdrücklich schriftlich gibt und das Dokument ständig mit sich führt, scheidet als Spender und Lebensretter somit aus. Eine Widerspruchslösung wie in anderen europäischen Ländern, bei der die Bürger einer Organspende aktiv widersprechen müssen, findet in Deutschland jedoch keine Mehrheit. Nur 39 Prozent würden dies laut Studie befürworten. Die neue Lösung müsste daher die aktive Zustimmung beibehalten.
Gegner misstrauen Vergabesystem und Diagnose
Wer grundsätzlich jegliche Spendenbereitschaft ausschließt, hegt vor allem Zweifel am Vergabesystem (52 Prozent). Dieses Misstrauen wird von Medienberichten über Skandale befeuert – jeder zweite Deutsche lässt sich dadurch negativ in seiner Einstellung zur Organspende beeinflussen. Der am zweithäufigsten genannte Grund ist die Angst, zum Organspender wider Willen zu werden. Zum Beispiel, wenn Ärzte die Überlebenschancen eines potenziellen Organempfängers höher einschätzen als die eigenen. Diesen Grund geben 29 Prozent der Gegner an. Eng damit zusammen hängt die Angst vor Fehldiagnosen beim Hirntod. Dass es dafür ein Standardverfahren gibt, bei dem zwei Ärzte den Hirntod unabhängig voneinander durch eine anerkannte Methode diagnostizieren müssen, war vielen der Befragten offenbar nicht bewusst. Denn die Mehrheit (55 Prozent) der Befragten gab an, dass sie in diesem Fall ihre Entscheidung noch einmal überdenken würden.
Hier sieht die pronova BKK den primären Ansatzpunkt für künftige Aufklärungsarbeit. “Nur, wenn wir den Menschen diese Befürchtungen nehmen, machen wir sie zu aktiven Organspendern aus Überzeugung”, so Lutz Kaiser. Gefordert sind dabei Akteure des Gesundheitswesens genauso wie Medien, wie die Studie offenlegt. Die meisten Befragten (64 Prozent) wünschen sich mehr Aufklärung von ihren Krankenkassen und ihrem Hausarzt (56 Prozent). Die Medien sehen 39 Prozent in der Pflicht.