CityNEWS beim Frühstückskaffee im Gespräch mit Jürgen Becker

CityNEWS beim Frühstückskaffee im Gespräch mit Jürgen Becker copyright: CityNEWS
CityNEWS beim Frühstückskaffee im Gespräch mit Jürgen Becker
copyright: CityNEWS

“Der Künstler ist anwesend” heißt sein aktuelles Programm und dieser Titel ist durchaus wörtlich zu nehmen. Ob Radio, TV oder Bühne: Jürgen Becker dreht seine Runden derzeit in allen Manegen des breiten Medienzirkus. Und nicht nur da ist er präsent. CityNEWS traf den Künstler zum Interview beim Frühstückskaffee.

Schon seit rund zehn Jahren engagiert sich der Künstler auch hinter den Kulissen in seiner Heimatstadt Köln, unter anderem als Mitglied des Bürgerkomitees alternative Ehrenbürgerschaft. “Das Bürgerkomitee möchte mit der Auszeichnung die Aufmerksamkeit auf Bürger und Netzwerke lenken, die sich ohne finanzielle Ressourcen und oft abseits des Mainstreams der öffentlichen Meinung in Köln engagieren”, erklärt Becker im Interview mit CityNEWS. Beim gemütlichen Frühstückskaffee – ohne Milch und Zucker – gerät der Kabarettist ins Plaudern: über das hohe Gut der Pressefreiheit, den Karneval und sein soziales Engagement für Kölner Schüler.

CityNEWS: Ob Sauerland, zu Guttenberg oder Wulff – die Themen für Kabarettisten liegen derzeit auf der Straße, oder?

Jürgen Becker: Stimmt, in der Ära Kohl war die Welt relativ ereignislos im Vergleich zu heute. Es ist alles schnelllebiger geworden.

CityNEWS: Manchmal ist Kabarett eine Gratwanderung. Hat sich noch nie jemand über Sie beschwert?

Jürgen Becker: Nein, die Meinungsfreiheit ist als Gütesiegel unserer Gesellschaft akzeptiert. Beschwerden sind äußerst selten.

CityNEWS: Aber Sie beeinflussen das Publikum doch gewaltig?

Jürgen Becker: Da darf man sich selbst nicht überschätzen. Wir betreiben in unserem Beruf eine Art Spiel: So wie der Karikaturist mit Bildern arbeitet, machen wir es mit Worten. Es ist wie bei Hunden, die miteinander herumtollen. So lassen wir unsere Gedanken spielen und regen die Phantasie des Publikums an. Ich glaube aber nicht, dass es sich dadurch beeinflussen lässt.

CityNEWS: Früher haben Sie alle Gags noch selbst geschrieben. Wie ist das heute?

Jürgen Becker: Ich habe kein Autorenteam um mich herum. Ich arbeite allein mit Dietmar Jacobs zusammen, einem brillanten Schreiber und gutem Freund. Im Ping-Pong ein gutes Programm zu entwickeln ist viel effizienter – und bringt mehr Spaß. So auch mit Didi Jünemann in der “Frühstückspause”, freitags auf WDR 2.

CityNEWS: Die Ideen scheinen Ihnen jedenfalls nicht auszugehen. Letztes Jahr sind Sie als erster deutscher Kabarettist in einer Moschee in Duisburg aufgetreten. Wann sieht man Sie in der Kölner Moschee?

Jürgen Becker: Ja, das war ein spannendes Projekt und ist sehr gut angekommen. Wir machen das bald wieder, aber in Duisburg, nicht in Köln. Bis die Moschee in Ehrenfeld fertig ist, werden wohl noch 600 Jahre vergehen. So lange hat der Bau des Doms gedauert. (lacht!)

Jürgen Becker: “Kölns Zukunft hängt von der Bildung ab!”

CityNEWS: Sie sind ein Mann des offenes Wortes: Woran muss Köln noch arbeiten?

Jürgen Becker: Ich glaube, die Zukunft Kölns hängt im Wesentlichen von der Bildung und davon ab, wie viele es von der Hauptschule an die Universitäten schaffen! 30 Prozent der Pänz sprechen zu Hause kein Deutsch. Das muss kein Problem sein.

CityNEWS: Was wollen Sie damit sagen?

Jürgen Becker: Die Kölner hängen zu viel in ihren Veedeln herum. Ich bin selbst viel unterwegs, auch in weniger intakten Vierteln wie Kalk, Chorweiler oder Höhenberg. Da gibt es viele Probleme, die die Mittelschicht nicht sehen will, weil sie lieber unter sich bleibt.

CityNEWS: Engagieren Sie sich denn, um das zu ändern?

Jürgen Becker: Viele Freunde haben mit mir zum Beispiel in den letzten drei Jahren mit den Schülern der Hauptschule Borsigstraße einen Karnevalswagen im Rahmen einer Projektwoche gebaut. Damit sind wir bei den Schull- und Veedelszöch mitgezogen, hatten einen Riesenspaß und konnten uns sogar anschließend die Übertragung im Fernsehen anschauen. Alle waren mächtig stolz.

CityNEWS: Womit wir beim Thema Karneval sind: Was kann unser Fastelovend für die Integration tun?

Jürgen Becker: Eine Menge, tut er aber nicht. Das Festkomitee braut viel zu sehr sein eigenes Süppchen. Der Kölner Karneval ist für mich wie ein Komposthaufen, der mal dringend gewendet werden muss, damit er nicht schimmelt. Die Gewichtung sollte verlagert werden: Warum nicht statt Pripro mal in die Hauptschulen gehen und mit den Schülern etwas gemeinsam auf die Beine stellen. Viele Pänz sind eben nicht gut in Mathe, sind aber handwerklich talentiert und dafür ist der Wagenbau ein Eldorado.

CityNEWS: Spricht da ein gebranntes Kind?

Jürgen Becker: Ich war kein guter Schüler, bin zweimal sitzen geblieben. Ich fand Schule immer langweilig und hätte mit großer Freude mal ein solches Projekt mitgemacht.

Nichts zu machen ist eine billige Ausrede

CityNEWS: Geht Ihr soziales Engagement an Schulen weiter?

Jürgen Becker: Ich arbeite dran. Nun wird die Schule Borsigstraße im Zuge des städtischen Standortkonzeptes Hauptschulen dieses Jahr geschlossen, daher ist die Aktion Karnevalswagen erst mal auf Eis gelegt. Aber in vielen anderen Bezirken in Köln herrscht ebenfalls Notstand, diese Kinder darf man nicht aufgeben. ‘Nichts zu machen‘ ist für mich eine billige Ausrede.

CityNEWS: Wo sehen Sie Köln in zehn Jahren?

Jürgen Becker: Das kann ich nicht sagen. Aber ich vergleiche Köln durchaus mit anderen Städten, wie zum Beispiel Düsseldorf. Da werden besonders im Kölner Karneval viele Witze drüber gemacht, aber mal ehrlich: Die Düsseldorfer haben keine Schulden und dort sind sogar die Kindergärten umsonst. So muss es sein! Warum also nicht mal über den Tellerrand schauen und von anderen Städten lernen?