Wenn sich die Trommeln seiner kleinen Röstmaschine über den Gasflammen drehen und die Kaffeebohnen darin rasselnd umgewälzt werden, dann ist Alex Kunkel in seinem Element. Der 58-Jährige weiß viel über die braune Bohne zu erzählen.
Dass die Bohne “bei 150 Grad beginnt, selbst Hitze zu produzieren”, dass nahe 220 Grad “ein Überdruck von 20 Bar in den Zellen der Bohne entsteht” und sich mit laut knackendem Geräusch entlädt, all das weiß der 58-Jährige zu berichten. Und wer einen seiner regelmäßigen Workshops im Kaffeegarten Ruhr in der Essener Gruga besucht, merkt schnell: Der 58-Jährige kann noch weitaus mehr über die braune Bohne zu berichten.
Dabei war Kunkel vor zehn Jahren noch ein wahrer Banause, was Kaffee betrifft. Damals bot ihm eine Bekannte an, die kleine Aachener Kaffeerösterei ihrer Eltern zu übernehmen. Dazu konnte er sich zwar nicht entschließen, aber die Geschichten des alten Kaffeerösters hatten ihn so begeistert, dass er ihm altes Inventar abkaufte, selbst leidenschaftlicher Kaffee-Fan wurde und immer mehr über die braune Bohne und ihre Geschichte lernte.
Inzwischen verfügt der 58-jährige Werkzeugmacher, der ein begnadeter Erzähler ist, über einen schier unerschöpflichen Fundus an Kaffee-Geschichten. So weiß er von harten Verboten zu berichten, die ausgesprochen wurden, als der Kaffee nach Europa kam. “Friedrich der Große hat dem gemeinen Volk den Kaffee untersagt, ihm aber selber weiter kräftig zugesprochen.” Der Grund: Dem Preußenkönig war die massenhafte Einfuhr des exotischen Produktes zu teuer. Und so ließ er eigens eine Polizeitruppe aufbauen, die “Kaffeeschnüffler”, die in Berlin in die Haushalte eindrangen, um das Verbot durchzusetzen. Um der königlichen Anweisung Nachdruck zu verleihen, sei mancherorts “alles private Kaffeegeschirr von Amts wegen zerdeppert” worden, erzählt Kunkel.
Durchgesetzt hat sich das Verbot in Preußen und anderswo auf die Dauer bekanntlich nicht. Doch auch in jüngerer Vergangenheit versuchte ein Machthaber, des Geldes wegen am Kaffee sparen – Erich Honecker. “Die DDR bekam in den siebziger Jahren Devisenprobleme”, erzählt Alex Kunkel. “Deshalb wurde der Kaffee dort mit Ersatzkaffee versetzt. Das gab einen richtigen Kaffee-Aufstand in der Bevölkerung.”
Kunkel setzt sich für fairen Handel ein
Seine Anekdoten und sein Wissen über den Kaffee ergänzt der 58-Jährige bei seinen Workshops aber auch gerne mit politischen Botschaften. “Wir verstehen uns als Stützpunkt des fairen Handels”, betont er. “Nur fünf Prozent des Wertes der Ware Kaffee bleiben heute beim Produzenten”, und das trotz äußerst arbeitsintensiver Ernte der Kaffeekirschen per Hand. “Da muss sich was ändern”, ist Kunkel überzeugt und will mit den anderen – wie er ehrenamtlichen – Mitarbeitern des Kaffeegartens dazu beitragen.
Christiane Heiser, die Geschäftsführerin der Mustergartenanlage, in dem der Kaffeegarten Ruhr untergebracht ist, ist fasziniert von Alex Kunkels Wissen zur Kaffeekunde. “Man ahnt ja nicht, was historisch und politisch am Kaffee hängt, wenn man seine Tasse trinkt”, sagt sie.
Kunkel schmiedet derweil Pläne für die Zeit der nicht mehr allzu fernen Rente. Möglichst viele Kaffeeländer will er bereisen: “Äthiopien, Kolumbien, Guatemala, das wäre schon toll”, sagt der 58-Jährige. Viele neue Kaffee-Geschichten wird er von dort mitbringen – die auch in Zukunft seine Zuhörer in ihren Bann ziehen werden.
Autor: Redaktion/ dapd