Seit Februar ist „Die Reifeprüfung“ unter der Regie von Rene Heinersdorf im Theater am Dom zu sehen. CityNEWS sprach mit den Schauspielern Marco Pustisek, Jenny Elvers-Elbertshagen, Michael Damman und dem Musiker Rasmus Schuhmacher über das Stück, gesellschaftliche Normen und über das Gulasch vom Neumarkt.
CityNEWS: Erzählen Sie doch für die Leser, die bislang weder Bühnenstück noch Film gesehen haben, worum es geht.
Marko Pustisek: Es geht um zwei miteinander befreundete Familien und die Beziehung des Sohnes (Benjamin) der einen, mit der Mutter (Mrs. Robinson) der anderen Familie. Daraus ergibt sich zunächst eine intensive sexuelle Affäre. Der Plot ist ganz einfach: Letztendlich kommt es dazu, dass sich Benjamin in die Tochter seiner Affäre verliebt. Das Stück lebt von der Konstellation der Figuren, die 1968 während des gesellschaftlichen Umbruchs leben. Eine Gesellschaftsstruktur, die sich in etablierten und konventionellen familiären Konstellation widerspiegelt. Das interessante an dem Stück ist, dass man sieht, dass eben dieser Umbruch nicht nur durch die plakative „Hippie-Kultur“ stattfand, sondern man immer dieses Pendant zu der etablierten Gesellschaft aus den 50er und 60er Jahren hat, gegen die dann diese neue Generation revoltiert. Der junge Benjamin ist im Grunde, so wie er aufgewachsen ist, wie er aussieht und wie er lebt, eigentlich nicht mit dieser typischen Endsechzigerbewegung in Verbindung zu bringen. Er hat seine Schule gemacht, steht kurz vor Collegeausbildung, dem Studium und auch ihn erwischt diese innere Rebellion, diesen Befreiungsschlag gegen die Generation der Eltern auf eine Art und Weise. Nämlich mit der skurrilen Affäre mit Mrs. Robinson.
Jenny Elvers-Elbertzhagen: Es geht vor allen Dingen auch um den Skandal, dass eine ältere Frau einen jüngeren Mann verführt. Die Familie ist ohnehin nicht so, wie sie sich nach außen hin darstellt. Die heile Scheinwelt bricht dann letzten Endes mit der Aufdeckung dieser Affäre zusammen.
CityNEWS: Der bekannte Film „Die Reifeprüfung“ hat bei seinem Erscheinen 1967 große Empörung erregt. Ist die Beziehung einer älteren Frau zu einem jüngeren Mann nach wie vor ein Skandal, oder würden Sie sagen, dass man mittlerweile sehr viel lockerer damit umgehen kann?
Jenny Elvers-Elbertzhagen: Die Beziehung zwischen einer älteren Frau mit einem jüngeren Mann ist durchaus heute noch ein Skandal. Man sollte meinen, so etwas hätten wir hinter uns gelassen, aber von wegen… Die Revolution hat letztendlich keine Spuren hinterlassen. Das sieht man unter anderem an den aktuellen Reaktionen, die es in Irland gegeben hat, wo kürzlich die Affäre einer älteren Dame, die lustigerweise tatsächlich auch Mrs. Robinson hieß, zu ihrem jüngeren Lover ans Licht kam. Eine Affäre zwischen einem älterem Mann mit einer jüngeren Frau erregt bei weitem nicht so viel Aufsehen. Ein Mann darf das. Eine Frau nicht.
Marco Pustisek: Es ist erstaunlich, aber offensichtlich setzt sich eine Aufklärung, bei der es um Sexualität geht, immer noch nicht durch. Wir tuscheln immer noch gerne. Gerade dann, wenn eine Frau einen jüngeren Mann hat. In der umgekehrten Konstellation ist die Toleranz, was den Altersunterschied angeht, wesentlich größer.
Werner Michael Damman: Bei der Szene, in der ich als Benjamin gegenüber Jenny als Mrs. Robinson stehe und sie küsse, geht in jeder Vorstellung ein Raunen durch das Publikum. Das ist wirklich brisant.
CityNEWS: Frau Elvers-Elbertzhagen, Sie haben ja selbst einen Sohn. Wie würden Sie wohl reagieren, käme dieser eines Tages mit einer Frau ihrem Alters nach Hause?
Jenny Elvers-Elbertshagen: Mein Sohn ist ja jetzt erst neun Jahre alt. (lacht) Da wäre das schon komisch, wenn nicht absurd.
Grundsätzlich möchte ich mein Kind natürlich glücklich sehen. Da ist es vollkommen egal ob er mit einem Mann, einer Frau, einer älteren oder einer jüngeren Person nach Hause kommt.
CityNEWS: Der Schluss des Bühnenstücks unterscheidet sich von dem des Films. Warum ist das so?
Werner Michael Damman: Ja, das Bühnenstück geht noch ein wenig über das Ende des Filmes heraus. In dem Film ist das Ende vollkommen offen, im Bühnenstück schließt der Rahmen sich dramaturgisch sinnvoll. Im Theater kann man den Zuschauer nicht einfach alleine, ganz ohne Schluss da sitzen lassen. Es gibt auch im Bühnenstück genug Interpretationsspielraum, aber in dem Rahmen, in dem man das Publikum gerne entlässt.
Marko Pustisek: Im Theater ist das nicht so einfach. Das Publikum sitzt direkt vor einem, da ist es für den Zuschauer unbefriedigend, wenn man etwas mit einem Bild auslaufen lässt. Das ist eine dynamische Gesetzmäßigkeit. Die Behandlung des Schlusses der Geschichte ist so gewählt, damit der Zuschauer überhaupt einen Abschluss hat.
CityNEWS: Herr Dammann, für Sie ist „Die Reifeprüfung“ das erste Stück überhaupt, in dem Sie nach Ihrem Abschluss an der Schauspielschule spielen. In den Kritiken sind Sie für Ihre Darstellung hoch gelobt worden. Der Kölner Stadtanzeiger schrieb, dass sie im Casting 1968 wohl sogar Dustin Hoffman ernsthaft Konkurrenz gemacht hätten. Das ist ein sehr wünschenswerter Karrierestart. Wie geht es weiter?
Werner Michael Dammann: Dieses Jahr ist mit Theater schon vollkommen ausgeplant. In der Nähe von Würzburg wird es 2010 noch ein Boulevardstück mit mir geben. Zum Ende des Jahres spiele ich ein Stück in München. Danach werde ich wohl erstmal reif für eine Pause sein. Ich hatte gehofft, dass ich an das Ende der Ausbildung gleich mit einem Engagement anknüpfen kann. Ich habe nun gleich drei bekommen und sehr glücklich darüber. Die Kritiken haben mich sprachlos gemacht, denn mit solch positivem Feedback hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Vielleicht ist das sogar das Geheimnis, denn häufig ist es so, geht man unverkrampft an eine Sache heran und macht sich nicht allzuviele Gedanken, dann funktioniert alles um so besser. Der Vergleich mit Dustin Hoffman, das ist natürlich Geschmackssache. Es erzeugt unter Umständen eine Menge Druck, du musst diese Leistung halten, die Erwartungshaltung steigert sich dadurch. Davon muss man sich irgendwie freimachen, dann klappt das auch. Alles in Allem bin ich sehr froh darüber, wie das bislang gelaufen ist.
CityNEWS: Frau Elvers-Elbertzhagen, Sie haben in den 90ern viel beim Fernsehen gemacht. Jetzt das Theater. Gibt es schon Pläne für die Zukunft?
Jenny Elvers-Elbertzhagen: Ja, klar! Aber die werde ich erst zu gegebener Zeit preisgeben. Ich habe eine große Bandbreite an Angeboten. Ich könnte auch mit einer Kollegin von hier aus dem Ensemble zusammen etwas im Bereich Comedy machen, was ich schon seit 100 Jahren nicht mehr getan habe. Das würde sicherlich eine Menge Spaß machen. Gerade heute habe ich ich noch eine Anfrage wegen eines Horrorfilmes bekommen, der in Hamburg gedreht wird. In jedem Falle geht es dann eher wieder in Richtung Fernsehen.
CityNEWS: Herr Schuhmacher, Ihr Gesicht wird dem Kölner Publikum möglicherweise bekannt vorkommen, denn man kann sie häufig mit ihrer Gitarre in der Innenstadt finden. Wie kommen Sie jetzt ins Theater am Dom?
Rasmus Schuhmacher: Ja, wie das Leben so spielt. Ich mache nun seit sieben Jahren Straßenmusik in Köln. Mal mehr mal weniger – je nachdem wie mir mein Sportstudium Zeit lässt. Eines Tages habe ich Mittags hier, gleich vor der Eingangstür des Theaters, auf der Breite Straße gestanden und gespielt. Da wurde ich von einem Herrn mit einer netten, jüngeren Begleitung angesprochen. Der Herr war der Regisseur, Rene Heinersdorf, die Begleitung Nika Krosny, die die Rolle der Elaine Robinson hat. Man erklärte mir kurz,
dass man gerade über die musikalische Begleitung zu einem Stück nachdenke und fragte nach meiner Nummer. Schon vier Minuten später klingelte mein Telefon und nach weiteren fünf Minuten saß ich auch schon im Proberaum und unterhielt mich weiter mit Herrn Heinersdorf. Er fragte, ob ich noch jemanden kennen würde, der mit mir die bekannten Simon and Garfunkel-Songs aus dem Film spielen könnte. Ich dachte gleich an Alexander Collatz, der sofort Feuer und Flamme war, als ich ihm davon erzählte. Schon am nächsten Tag begannen wir mit den Proben. Die Songs kannte ich natürlich vom hören, aber selbst hatte ich sie nie gespielt: Durch dieses Engagement musste ich mich intensiver damit auseinandersetzen und habe festgestellt, welch geniales Songwriting das ist! Aus der Popularmusik ist man das nicht gewohnt.
CityNEWS: Der Titelsong „Mrs. Robinson“ ist vermutlich einer der Songs, die jeder kennt und jeder auch mal gerne hört. Mal. Wie sieht das aus, wenn man ihn wochenlang permanent hören oder spielen muss?
Jenny Elvers-Elbertzhagen: Wir waren damals alle ganz begeistert von dem Song – und sind es immer noch. Die musikalischen Elemente spielen in dem Stück eine große Rolle, sie sind ein roter Faden, der dabei sein muss. Die Jungs transportieren das sehr sehr gut. Hinter dem Vorhang sehen ich und Susanne Huber, die unter anderem Benjamins Mutter spielt, uns immer an, beginnen zu tanzen und jeden Abend macht uns die Musik gute Laune.
Rasmus Schuhmacher: Die Musik ist zeitlos und stets in Interaktion mit dem Stück. Sie führt aus der einen Szene raus und in die andere Szene hinein. Dieses verbindende Element ist genial, es trägt das Stück und macht die Sache rund. Man wird es nicht über. Auch das Publikum geht immer mit.
CityNEWS: Sie alle spielen das Stück über einen Zeitraum von drei Monaten jeden Tag, an Samstagen sogar zweimal. Wie erhält man sich über einen solch langen Zeitraum die Authentizität auf der Bühne und die Spielfreunde?
Marko Pustisek: Man hat als Schauspieler einfach den Anspruch an sich selbst, dass man “frisch” ist. Ein bekannter Regisseur hat mir dazu mal einen guten Tipp gegeben. Er sagte, man müsse sich für jede Vorstellung ein Wort, einen Atemzug, einen Blick verändern und sich genau darauf konzentrieren. Diese kleine Wendung hält einen selbst, aber auch die Anderen immer konzentriert. Das ist extrem wichtig, denn wenn man weiß, man spielt jetzt neunzig mal und leiert einfach nur seinen Text runter, dann funktioniert das nicht. Es sind solche Kleinigkeiten, die dazu führen, dass man jeden Abend gerne, gut und frisch spielen kann.
Jenny Elvers-Elbertzhagen: Es gibt immer Punkte, an denen man variiert. Natürlich muss man sich immer wieder motivieren. Das Team hilft hierbei. Es ist wirklich gut zusammengesetzt, wir verstehen uns alle prima. Das ist auch ein wichtiger Faktor. Würde man denken: „Oh nein, der schon wieder kann das wirklich schlimm sein. Wir Mädels treffen uns auch privat und wahrscheinlich wird es für alle erstmal schwierig sein, wenn das hier vorbei ist.
Wener Michael Damman: Ganz entscheidend ist auch das Publikum. Es ist jeden Abend ein anderes und so wie das Publikum anders mitgeht, so macht es auch das Stück zu etwas anderem. Mal klatscht das Publikum an der einen Stelle, am nächsten Tag an der anderen. Das lässt es auch für uns nicht langweilig werden.
CityNEWS: Was gefällt Ihnen ganz besonders an Köln?
Werner Michael Damman: Ich bin das erste mal über einen längeren Zeitraum in Köln.Am besten gefällt mir das Gulasch vom Neumarkt, „dat Kölsch“ und ich mag das Kölner Publikum.
Marko Pustisek: Was soll ich dazu sagen? Ich lebe hier, Köln ist meine Wahlheimat.
Rasmus Schuhmacher: Köln wird immer meine Heimat bleiben. Egal wo es mich noch hinverschlagen mag, ich weiß, ich werde immer hierher zurückfinden, kurz den Dom sehen und wissen, dass ich zu Hause bin. Ich mag die Offenheit der Menschen, den CSD und natürlich den Karneval.
Jenny Elvers-Elbertzhagen: Ich mag den Dom, wo ich auch immer wieder mal eine Kerze anzünde. Die Menschen hier sind etwas ganz besonderes. Außerdem mag ich die Sprache hier. Die hat so etwas Warmes und Einnehmendes.
Autor: Ina Laudenberg