Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag auf die Fahnen geschrieben, die Versorgung pflegebedürftiger Menschen zu reformieren. Zudem soll es pflegenden Angehörigen leichter gemacht werden, Pflege und Beruf miteinander zu vereinbaren. ARAG Experten erläutern hier bei CityNEWS, was es damit auf sich hat.
Der Gesetzgeber hatte deshalb im vergangenen Jahr ein „Erstes Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften“ – vereinfacht „Pflegestärkungsgesetz I“ auf den Weg gebracht. Nun wurde auch das „Pflegestärkungsgesetz II“ verabschiedet und soll in Teilen zum 1. Januar 2016 in Kraft treten.
Pflegestufen: Aus drei mach fünf
Zentraler Punkt der Reform ist ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff, der auch Demenzkranken sowie psychisch und seelisch erkrankten Menschen Anspruch auf Leistungen einräumt. Die drei bisherigen Pflegestufen schlossen diese Patienten bisher nahezu aus oder gewährten ihnen lediglich die Pflegestufe 0. Darum werden sie durch fünf Pflegegrade ersetzt. Die Einstufung der Pflegebedürftigen orientiert sich dann auch nicht mehr am Pflegeaufwand pro Minute sondern am Grad der Selbständigkeit. Dieser soll durch sechs festgelegte Kriterien, denen jeweils ein fester Punktwert zugeordnet ist, bestimmt werden. Im neuen Begutachtungsassessment (NBA) werden nach Schwere der Beeinträchtigung in den Bereichen der Selbständigkeit Punkte vergeben. Mit ihnen wird dann anhand einer Skala von 0 bis 100 der Pflegegrad ermittelt. Anhand dieser Punkte erfolgt die Einteilung der Pflegebedürftigen in einen der fünf Pflegegrade. Das neue Pflegegrad-System wird derzeit schon in einer Probephase durchgeführt.
Die Pflegebedürftigen, die bereits eine Pflegestufe haben, werden folgendermaßen in einen neuen Pflegegrad eingestuft:
- Pflegestufe 0 = Pflegegrad 1
- Pflegestufe 1 = Pflegegrad 2
- Pflegestufe 1 + Eingeschränkte Alltagskompetenz = Pflegegrad 3
- Pflegestufe 2 = Pflegegrad 3
- Pflegestufe 2 + Eingeschränkte Alltagskompetenz = Pflegegrad 4
- Pflegestufe 3 = Pflegegrad 4
- Pflegestufe 3 + Eingeschränkte Alltagskompetenz = Pflegegrad 5
- Härtefall = Pflegegrad 5
Muss auch mit Einbußen gerechnet werden?
Nein! Laut Regierungskoalition soll durch die Umstellung niemand schlechter gestellt werden als vorher. Grundsätzlich werden Leistungsansprüche nur nach oben angepasst, heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Diesen Bestandsschutz soll es auch für Pflegebedürftige geben, die sich in der Hoffnung auf eine höhere Einstufung neu begutachten lassen. Ergibt die Untersuchung, dass sie eigentlich herabgestuft werden müssten, wird dies nicht umgesetzt. Es bleibt bei der vorherigen Einstufung. Für Menschen, die nach Einführung des neuen Systems pflegebedürftig werden, kann sich aber – verglichen mit dem alten System – durchaus eine Verschlechterung ergeben.
Darum ein Tipp der ARAG Experten: Zeichnet sich eine Pflegebedürftigkeit bei Ihnen oder einem Angehörigen ab, sollten Sie keine Zeit verlieren. Beantragen Sie Leistungen aus der Pflegeversicherung noch in diesem Jahr. So werden Ihre Ansprüche noch auf die bisherige Art nach Pflegestufen berechnet. Wird dann für zukünftige Leistungen auf die fünf Pflegegrade umgestellt, werden Sie auch bei geringerem Anspruch nicht mehr herabgestuft. Werden allerdings höhere Ansprüche fällig, erhalten Sie auch höhere Leistungen.
Wann kommt die Umstellung?
Die Bundestagsabgeordneten beraten nach der Sommerpause über den vorliegenden Entwurf. Die Zustimmung gilt als sicher. Der Bundesrat muss nicht zustimmen. Zum Teil soll das Gesetz bereits Anfang 2016 formal in Kraft treten. Die Umstellung auf das neue System wird dann aber noch etliche Zeit dauern, sodass der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und das Begutachtungsverfahren tatsächlich erst zwölf Monate später in Kraft treten – also 2017.
Autor: Redaktion / ARAG