Neue OP-Technik im Krankenhaus Köln Merheim verbessert die Situation unter anderem von Parkinson-Patienten

Prof. Dr. Horst Kierdorf (links) und Dr. Mohammad Maarouf (rechts) copyright: Kliniken Köln / Rütten
Prof. Dr. Horst Kierdorf (links) und Dr. Mohammad Maarouf (rechts)
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Der demografische Wandel schreitet voran, Erkrankungen wie Morbus Parkinson nehmen deutlich zu. In Deutschland gibt es etwa 300.000 Betroffene, rund 30.000 neue Erkrankungen kommen jährlich hinzu. Parkinson ist nicht heilbar, jedoch lassen sich die extrem belastenden Symptome wie zum Beispiel der quälende Tremor (Händezittern), Rigors (Steifigkeit) und Akinese (Minderbeweglichkeit) durch eine neue hoch-präzise Operationstechnik mit Hilfe eines robotisierten chirurgischen Assistenten im Krankenhaus Merheim so deutlich verringern, dass der Leidensdruck entfällt und die Patienten wieder am alltäglichen Leben mit Freude teilnehmen können.

Dr. Maarouf erläutert die Funktion von ROSA, dem Assistenzroboter copyright: Kliniken Köln / Rütten
Dr. Maarouf erläutert die Funktion von ROSA, dem Assistenzroboter
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Das entsprechende Gerät, das den Operateur unterstützt heißt „ROSA“ dies steht für „Robotic Surgery Assistant“. Priv.-Doz. Dr. Mohammad Maarouf, Leiter der Abteilung Funktionelle Neurochirurgie und Stereotaxie im Zentrum für Neurochirurgie Köln-Merheim, bietet mit seinem Team seit einiger Zeit dieses innovative minimal-invasive operative Verfahren zur Behandlung von neurologischen Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Tremor und Dystonie sowie ausgewählten psychiatrischen Erkrankungen wie Zwangskrankheiten (OCD) und Tourette Syndrom an. Zudem behandelt er Patienten mit Hirntumoren. „Das Verfahren ist für den Patienten deutlich sicherer, schonender und schneller, hier bieten wir beste Medizin für den einzelnen individuellen Patienten und können damit bei Betroffenen und Angehörigen buchstäblich Leid lindern“, erläutert Prof. Dr. Horst Kierdorf, Klinischer Direktor der Kliniken Köln.

Krankenhaus Merheim liegt bei den Roboter assistierten stereotaktischen Hirnoperationen bundesweit an der Spitze copyright: Kliniken der Stadt Köln gGmbH
Krankenhaus Merheim liegt bei den Roboter assistierten stereotaktischen Hirnoperationen bundesweit an der Spitze
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Die Neurochirurgische Klinik im Krankenhaus Merheim bietet Patientinnen und Patienten eine jahrzehntelange Erfahrung. Die besondere Kompetenz setzt sich mit den neuen minimal invasiven OP-Anwendungen in der Abteilung „Funktionelle Neurochirurgie und Stereotaxie“ weiter fort. Der Einsatz von ROSA und die daraus folgenden positiven Ergebnisse für die Patienten wurden in einer ersten Evaluation von Priv.-Doz. Dr. Maarouf und seinem Team ausgearbeitet.

Bisher wurden Operationen in den tiefen Hirnarealen mit dem Einsatz einer stereotaktischen Halterung (konventionelle Stereotaxie) durchgeführt. Die errechneten Zielpunkt Koordinaten wurden durch den Operateur manuell eingestellt und das Zielgerät auf den Patienten-Grundring übertragen. Der in allen Dimensionen bewegliche Arm des Roboters registriert präzise den Patienten-Grundring und positioniert eine Halterung für das Bohrinstrumentarium an der exakten Stelle ohne Übertragungsfehler. Mit Assistenz des Roboters kann der Operateur exakt an der vordefinierten Stelle millimetergenau eine Hirnelektrode oder Biopsie-Sonde ohne Blutgefäße zu verletzen einführen. Menschliche Fehler sind nahezu ausgeschlossen. Die gesamte OP-Vorbereitung und Durchführung erfolgt präzise und sicher. ROSA wurde von dem französischen Medizintechnik-Unternehmen MedTech entwickelt. Weltweit sind über 50 Systeme im Einsatz, vier davon in Deutschland. Doch nur in Merheim wird diese innovative Technik für das breite Spektrum der stereotaktischen Neurochirurgie – Tiefe Hirnstimulation für die Behandlung von Bewegungsstörungen und ausgewählten psychiatrischen Erkrankungen sowie für die Diagnostik und Therapie von Hirntumoren – eingesetzt.

Dr. Maarouf (links) und Prof. Dr. Hort Kierdorf copyright: Kliniken Köln / Rütten
Dr. Maarouf (links) und Prof. Dr. Hort Kierdorf
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Bei der Behandlung von Parkinson-Patienten werden mit der Assistenz von ROSA Hirn-Elektroden zu Tiefen Hirnstimulation eingesetzt. Patienten, die beispielsweise durch ein starkes Händezittern maximal in ihrer Lebensqualität eingeschränkt waren, können heute den Alltag normal bewältigen und sogar Auto fahren. „Der Leidensdruck der Patienten entfällt unmittelbar, was uns als Chirurgen die Bestätigung gibt, hier die beste medizinische Lösung für den unmittelbar Betroffenen anbieten zu können“, freut sich Priv.-Doz. Dr. Mohammad Maarouf.


Hintergründe zur Stereotaktischen und Funktionellen Neurochirurgie

Die Neurochirurgie ist eine der ältesten Methoden der Heilkunst. Sie hat sich durch technische Innovationen wie Operationsmikroskop, intraoperatives Monitoring, Neuronavigation und immer leistungsstärkeren Bildgebungssystemen in rasantem Tempo weiterentwickelt. In Zukunft wird vor allem die bildgebungsgestützte Chirurgie im Mittelpunkt stehen, da sie noch präzisere und noch besser gesteuerte und kontrollierte Eingriffe ermöglicht.

Die heutige Neurochirurgie ist mit vielen neuen Möglichkeiten und Herausforderungen konfrontiert. Durch diagnostische und chirurgische Fortschritte wurde das Operationsrisiko minimiert und die meisten Eingriffe sind zur klinischen Routine geworden. Neue Operationstechniken und nicht invasive Behandlungsmöglichkeiten sowie eine präzise Lokalisation der Hirn-, Rückenmark- und Nervenläsionen und ein genauer operativer Zugang haben die Prognose neurochirurgischer Erkrankungen in den letzten Jahrzehnten bedeutend verändert, die Krankenhausaufenthalte verkürzt und die Lebensqualität nach Operationen signifikant verbessert.

Stereotaktische Operation

Die stereotaktische Hirnoperation ist eine neurochirurgische Operation, bei der die zu operierende Struktur nicht operativ freigelegt wird. Der Eingriffsort wird stattdessen mit geometrischen Methoden berechnet. Von der Einführung dieser Operationsmethode versprach sich die funktionelle Hirnchirurgie eine Beeinflussungsmöglichkeit cerebraler Funktionsabläufe, im Gegensatz zur klassischen Neurochirurgie, durch die im Wesentlichen krankhaftes Gewebe wie Tumore, Abszesse oder Gefäßmissbildungen entfernt werden.

Die funktionelle Neurochirurgie setzt eine Methode voraus, mit der man ein Kerngebiet und/oder Nervenfasern im Gehirn neuromoduliert, ohne dass man durch den Zugang Läsionen setzt. Nach der Berechnung des Zielpunktes wird der Stereotaktische Apparat am Schädel befestigt und eine kleine Trepanation zur Einführung von Hirnelektroden bzw. -Sonden vorgenommen. Die Operation ist nicht schmerzhaft und kann in Lokalanästhesie ausgeführt.

Die „Funktionelle Stereotaxie“ nutzt vor allem die Methode der hochfrequenten Tiefenhirnstimulation nach Implantation geeigneter Stimulationssysteme (vulgo Hirnschrittmacher). Hierfür wird seit den 1940er Jahren ein dreidimensionales Ringsystem („stereotaktischer Rahmen“), gespannt um den Kopf des Patienten, angewandt.

Tiefe Hirnstimulation

Die Tiefe Hirnstimulation (THS, engl. DBS Deep Brain Stimulation) ist ein grundsätzlich re-versibler, neurochirurgischer Eingriff in das Gehirn, der für die Behandlung von bestimmten neurologischen Erkrankungen wie z.B. der Parkinsonerkrankung weltweit zugelassen ist. Umgangssprachlich ist auch der Begriff Hirnschrittmacher geläufig, der erstmals Anfang der 70-Jahre von dem spanischen Wissenschaftler José Delgado geprägt worden ist und die technologische Verwandtschaft mit dem Herzschrittmacher betont.

Weltweit wurden etwa 120.000 Patienten mit einem Hirnschrittmacher operativ versorgt. Die THS ist in der EU zugelassen für essentiellen Tremor (seit 1995), für Parkinsonerkrankung (1998), für Dystonie (2003), Zwangserkrankungen (2009), und Epilepsie (2010) und geht mit beträchtlichen Lebensqualitätsverbesserungen einher. Belastbare Zahlen belegen, dass in Deutschland derzeit ca. 6000 Patienten mit einem Hirnschrittmacher versorgt sind; ca. 400-500 Neubehandlungen kommen pro Jahr in Deutschland aktuell hinzu.

Anwendungsgebiete

Bewegungsstörungen

Die Methode wird gegenwärtig hauptsächlich bei der Behandlung verschiedener Bewegungs-störungen angewendet, wie den Symptomen der Parkinson-Krankheit, Tourette-Syndrom, essentiellem Tremor, Tremor bei Multipler Sklerose sowie Dystonie.

Morbus Parkinson

Die Parkinson-Krankheit gehört zu den häufigsten Erkrankungen des zentralen Nervensystems. In Deutschland leben schätzungsweise rund 300.000 Betroffene, jedes Jahr kommen bis zu 20.000 Neuerkrankungen hinzu. Die Häufigkeit von Parkinson steigt im Alter. Die meisten erkranken zwischen dem 50. und 79. Lebensjahr. Männer sind häufiger betroffen als Frauen.

Hirnbiopsie

Bei der Hirnbiopsie wird zur Diagnostik noch unklarer Hirnläsionen eine Probe des Gehirns entnommen, um diese weiter untersuchen zu können. Vor allem bei zunehmend symptomatischen Läsionen, die sich auch in der Bildgebung ausbreiten, hat die Hirnbiopsie einen großen Stellenwert. Durch neue Methoden wie Stereotaxie, Neuronavigation, multimodale Bildfusion, MRT- und PET-Diagnostik sind die Verfahren heute sehr treffsicher und tragen wesentlich zur Diagnostik bei.

Häufig erfolgt die Diagnose primärer Hirntumoren über eine Biopsie, vor allem wenn eine Resektion kontraindiziert ist (z. B. Lage des Tumors, Alter). Die genaue Diagnose ist aber trotz-dem von hohem Stellenwert, um die weitere Therapie zu planen.

Indikationen von Hirnbiopsien sind:

  • Abklärung von Hirntumoren,
  • Diagnosesicherung eines primären ZNS-Lymphom (Goldstandard) und
  • Diagnostik entzündlicher Läsionen.

Vorbereitend muss eine ausführliche Bildgebung erfolgen um die Lokalisation der Läsion zu präzisieren. Dann wird in Lokalanästhesie oder in Allgemeinanästhesie ein stereotaktischer Rahmen mit Schrauben an die Schädeldecke angebracht. Danach erfolgen mit dem Rahmen weitere bildgebende Verfahren (CCT mit Kontrastmittel) unter stereotaktischen Bedingungen.
Aus diesen Bildern wird mittels eines Computersystems eine OP-Planung durchgeführt, bei der verschiedenste verwendete bildgebende Verfahren fusioniert werden können.

Es wird eine genaue Zielpunkt-/Trajektplanung durchgeführt, um mit der Nadel nicht nur die Läsion zu erreichen, sondern auch so wenig wie möglich gesundes Hirngewebe zu schädigen.

Herkömmliche Vorgehensweise:

Bei der Operation wird der Patient mit dem Rahmen am Operationstisch fixiert, die Kopfhaut wird desinfiziert und steril abgedeckt. Der Stereotaktische Rahmen wird manuell auf die Koordinaten eingestellt. Dann erfolgt ein kleiner Hautschnitt und ein Loch wird durch den Schädelknochen gebohrt. Im Anschluss daran wird die Hohlnadel mittels Zielbügel bis zum Läsionsbeginn vorgeschoben. Je nach Läsion entnimmt man ein Bioptat oder auch mehrere Bioptate. Durch intraoperative Schnelldiagnostik kann die Treffsicherheit noch erhöht werden, weil dann bei nicht richtungweisender Diagnose noch weitere Bioptate entnommen werden können.

ROSA System:

Der Patient wird mit dem Unterteil des stereotaktischen Rahmens am Roboter fixiert, wobei der Roboter am Boden mittels hydraulischer Füße am Boden fixiert ist und sich nicht mehr bewegen lässt. Die Kopfhaut wird desinfiziert und steril abgedeckt. Es erfolgt eine Registrierungsmethode mit dem Roboter, damit das System die genaue Position des Patienten er-kennt. Der Roboter fährt dann in die entsprechende geplante Position (Eintrittspunkt/Zielpunkt) und der Chirurg führt einen kleinen Hautschnitt durch und bohrt ein Loch durch den Schädelknochen. Im Anschluss daran wird die Hohlnadel durch einen Adapter bis zum Läsionsbeginn vorgeschoben. Je nach Läsion entnimmt man ein Bioptat oder auch mehrere Bioptate. Durch intraoperative Schnelldiagnostik kann die Treffsicherheit noch erhöht werden, weil dann bei nicht richtungweisender Diagnose noch weitere Bioptate entnommen werden können.