Kaufentscheidung: Jahreswagen vs. Neuwagen

Unter Berücksichtigung tatsächlicher Kaufpreise von Neuwagen, gerät der viel diskutierte Preisvorteil von Jahreswagen ins wanken / copyright: Thorben Wengert / pixelio.de
Unter Berücksichtigung tatsächlicher Kaufpreise von Neuwagen, gerät der viel diskutierte Preisvorteil von Jahreswagen ins wanken
copyright: Thorben Wengert / pixelio.de

Die Vorzüge eines Jahreswagens werden von Teilen der Automobilbranche gerne angepriesen. Er gilt als kostengünstige Alternative zum Neuwagen, die zumeist aus den Händen eines Werksangehörigen und den Fuhrparks der Hersteller stammt.

Auf Gebrauchtwagenportalen werden Sie als bis zu 30 Prozent günstigere Variante zum Neuwagen beworben – 30 Prozent Nachlass auf den Listenpreis! Doch wer kauft heutzutage ein Fahrzeug zum Listenpreis? Dem Kaufinteressenten wird mit der hohen Ersparnis suggeriert, dass er den starken Wertverlust im ersten Jahr nur durch den Kauf eines Jahreswagens umgeht. Dabei liegen die tatsächlichen Kaufpreise auch bei Neuwagen zumeist deutlich unter dem Listenpreis. Leicht lassen sich Neuwagenangebote von Händlern über das Internet mit bis zu 30 Prozent Nachlass finden. Zwar ist in der Regel davon auszugehen, dass Jahreswagen günstiger als Neuwagen angeboten werden, doch neben dem Preis sollten sich Kaufinteressenten an weiteren Kriterien bei der Entscheidung zwischen Jahres- und Neuwagen orientieren. Eine Studie des Neuwagenvermittlers MeinAuto.de stellt bei 15 der beliebtesten Modelle Neu- und Jahreswagenpreise gegenüber und analysiert, ob das häufig verwandte Argument des hohen Wertverlustes im ersten Jahr zutrifft.

Die „echte“ Restwertkurve

Eines der beliebtesten Argumente für einen Jahreswagen ist der rasante Wertverlust eines Neuwagens innerhalb der ersten 12 Monate nach der Erstzulassung. Dieser Wertverlust wird jedoch auf Basis des Listenpreises berechnet, der vor allem bei Angeboten von Händlern über das Internet weit entfernt vom tatsächlichen Kaufpreis liegt.

„Der Wertverlust von Neuwagen ist deutlich niedriger als gemeinhin angenommen. Tatsächlich wird kaum ein Auto zur unverbindlichen Preisempfehlung verkauft. So ist die Berechnung des Wertverlustes anhand dieses Listenpreises häufig irreführend“, gibt Alexander Bugge, Branchenexperte und Geschäftsführer von MeinAuto.de zu bedenken.

Berechnet man den Wertverlust basierend auf dem Listenpreis, wirkt die Argumentation schlüssig, einen PKW zu einem späteren Zeitpunkt zu übernehmen und den Verlust nicht selbst zu finanzieren. Aus der Infografik geht am Beispiel des VW Touran jedoch hervor, dass es aus der Sicht eines Kaufinteressenten häufig wirtschaftlich sinnvoller ist – durch günstige Neuwagenangebote – niedriger anstatt später in die Wertverlustkurve einzusteigen. Für den Kauf eines Neuwagens über das Internet resultiert ab dem ersten Tag eine extrem flache Kurve mit dem üblichen abgemilderten Wertverlust über die Zeit. Der Ausgangspunkt der Berechnung für den Jahreswagen beginnt auf einem erheblich höheren Niveau – dem Listenpreis – und verläuft dann nach dem ersten Jahr parallel. Entscheidend für eine realistische Betrachtung der Wertentwicklung sind die Flächen unterhalb der Kurven, die den Wertverlust darstellen – In der Infografik als „Wertverlust ab Listenpreis“, „„Echter“ Wertverlust Neuwagen“ und „Wertverlust Jahreswagen“ bezeichnet. Auf den ersten Blick wird zum Einen deutlich, dass der „echte“ Wertverlust im ersten Jahr nach dem Kauf eines Neuwagens geringer ist, als in Angeboten für Jahreswagen suggeriert. Ein Neuwagenkäufer finanziert also tatsächlich einen viel geringeren Wertverlust selbst. Zum Anderen unterliegt selbstverständlich auch ein Jahreswagen weiterem Wertverlust. Dieser Wertverlust liegt konservativ kalkuliert bei weiteren 9 bis 11 Prozent im zweiten Jahr. Die Mehrinvestition in einen Neuwagen macht demnach so lange Sinn, bis der „echte“ Wertverlust des Neuwagens diesen Wert überschreitet. Bei allen 15 beliebten Neuwagenmodellen der Auswertung liegt der „echte“ Wertverlust in den ersten 12 Monaten unter 8 Prozent.

Was Autokäufer neben dem Preis bei der Kaufentscheidung beachten sollten

Die reine finanzielle Betrachtung macht bereits deutlich, dass vor jeder Kaufentscheidung detailliert Preise verglichen werden sollten. Neben den finanziellen Rahmenbedingungen existieren zudem weitere kaufentscheidende Kriterien, die sich Autokäufer bewusst machen sollten. Hierzu ist es hilfreich sich einige wichtige Fragen zu stellen: Wann möchte ich den Autokauf realisieren und kann ich eine eventuelle Lieferzeit für einen Neuwagen in Kauf nehmen? Wie gut ist der Zustand eines zwar jungen, aber dennoch gebrauchten PKW? Entspricht die vom Vorbesitzer gewählte Ausstattung meinen Wünschen? Wie groß ist der Nachteil der kürzeren verbleibenden Herstellergarantie bei Jahreswagen? Kaufe ich mit dem Jahreswagen noch den neuesten Stand der Technik oder gibt es Verbesserungen an meinem Wunschmodell, die im Neuwagen bereits verbaut werden?

Sofern der Neuwagen zum Kaufzeitpunkt weniger als 9 Prozent teurer als der Jahreswagen erhältlich ist, macht in der Regel die Entscheidung für den neuen PKW Sinn. Darüber hinaus hat jedes weitere Kriterium einen individuellen Wert in Abhängigkeit der Vorlieben des Interessenten. Hat der Käufer die Möglichkeit eine eventuelle Lieferzeit abzuwarten, erhält er dafür einen Wagen ohne Vorbesitzer in frei gewählter Wunschausstattung und mit voller Herstellergarantie. Die Motorisierung sowie die technischen Details sind bei einem Neuwagen zum Kaufzeitpunkt immer auf dem neusten Stand. Wiegt für den Kaufinteressent das Kriterium der sofortigen Verfügbarkeit schwerer als alle anderen, bietet der Jahreswagen eine günstige Alternative.

Preisvorteil Neuwagen – Bereits zum Kaufzeitpunkt möglich

Bei allen 15 Modellen in der Auswertung, ist durch Nachlässe auf den Listenpreis der „echte“ Wertverlust im ersten Jahr geringer als der Wertverlust des Jahreswagens ab dem Kaufzeitpunkt. Wie bereits erwähnt spielt bei der Kaufentscheidung unter anderem der Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs eine wichtige Rolle. Der Kaufzeitpunkt ist deshalb entscheidend, weil sowohl Hersteller als auch Händler immer wieder verkaufsfördernde Maßnahmen ergreifen und Neuwagenmodelle extrem günstig auf dem Markt anbieten. Nicht zuletzt Online-Vermittlungsportale tragen dazu bei, dass Neuwagenkaufpreise verbraucherfreundlich und transparent für Kunden sind und bleiben. Der Jahreswagenmarkt reagiert lediglich verzögert auf günstige Neuwagenpreise. Dadurch ist es für Kaufinteressenten sogar teilweise möglich über die richtige Bezugsquelle, einen Neuwagen günstiger oder zumindest zu einem ähnlichen Preis wie einen Jahreswagen zu erwerben – So ist es auch bei einem Modell in der Auswertung. Der Opel Astra wird in der geräumigen Sports Tourer Variante mit 110 PS online von Händlern bereits ab 13.198 Euro inklusive Überführungskosten angeboten. Jahreswagenangebote liegen ab 13.463 Euro. Der Rüsselsheimer bietet damit als Neuwagen bereits ab dem ersten Tag im Vergleich zum Jahreswagen eine Ersparnis von 265 Euro. Nach einem Jahr ist der Preisvorteil auf satte 2.101 Euro angewachsen.

Da in der Regel davon auszugehen ist, dass Jahreswagen günstiger angeboten werden als Neuwagen, hilft es den Preisvorteil nach 12 Monaten zu betrachten, um sich ein Urteil über die richtige Kaufentscheidung bilden zu können. Der Seat Leon 1.2 TSI Start & Stop Style mit 110 PS wird als Jahreswagen ab 14.646 Euro angeboten. Hat der Kaufinteressent jedoch die Möglichkeit eine übliche Lieferzeit abzuwarten, bekommt er ein neues Fahrzeug in Wunschausstattung über das Internet bereits ab 15.211 Euro inklusive Überführungskosten. Er investiert zum Kaufzeitpunkt 565 Euro mehr im Vergleich zum Jahreswagen, die dem „echten“ Wertverlust im ersten Jahr ab Kaufzeitpunkt entsprechen. Ein Jahreswagenkäufer zahlt diesen zwar nicht, nimmt jedoch in den folgenden 12 Monaten einen Wertverlust von 2.461 Euro in Kauf. Durch die geringe Investition bleibt für den Neuwagenkäufer unter dem Strich ein Preisvorteil von 1.996 Euro. Sowohl der Golf als auch der Polo aus dem Hause Volkswagen werden aktuell von Händlern über das Intern
et als Neuwagen nahe der Jahreswagenpreise angeboten. Für die Ausstattungsvariante Trendline BMT inklusive Klimaanlage investiert ein Kaufinteressent beim Golf 99 Euro und beim kleinen Bruder Polo 131 Euro mehr in den Neuwagen und erhält damit alle Vorzüge, die dieser bietet. Über 12 Monate verlieren beide Modelle lediglich diese Mehrinvestition an Wert. Dadurch liegt der Preisvorteil nach einem Jahr im Gegensatz zum Jahreswagenkauf beim Polo bei 1.090 Euro und für den Golf bei 1.833 Euro. Auch Familien, die traditionell über ein straff kalkuliertes Budget verfügen, sollten nicht vorschnell von einem Neuwagenkauf abrücken. Der familienfreundliche Großraumvan VW Touran wird online ab 19.058 Euro angeboten. Er ist damit um 1.060 Euro teurer als ein Jahreswagen. Der Wertverlust des Jahreswagens in den ersten 12 Monaten ab dem Kaufzeitpunkt liegt jedoch bei 2.354 Euro. Durch den Vergleich mit dem tatsächlich möglichen Kaufpreis, schlägt auch hier ein Preisvorteil des Neuwagens nach einem Jahr mit 1.294 Euro zu Buche.

Autor: Redaktion / MeinAuto.de