Ein Leuchtturm fern vom Meer mitten Köln

Ein Leuchtturm mitten in Köln? / copyright: Christian Brandstätter Verlag
Ein Leuchtturm mitten in Köln?
copyright: Christian Brandstätter Verlag

Heute starten wir mit unserer neuen Reihe “Nur in Köln”. Denn für den eiligen Besucher ist es leicht, sich einen Überblick über das große Angebot an Museen, Galerien, Restaurants und bemerkenswerten Gebäuden in der Domstadt zu verschaffen. Unser erstes Ziel ist ein Leuchtturm fern vom Meer…

Köln hat aber viel mehr zu bieten, als man auf den ersten Blick erkennen kann: Römische Ausgrabungen und vergessene Festungen, verlassene Friedhöfe, atmos phärische Krypten und ungewöhnlichen Geschäf te. Wir gehen mit Ihnen auf Entdeckungstour – nicht nur für Köln-Besucher, die etwas Besonderes erleben wollen, sondern auch für Einheimische, die ihre Stadt schon zu kennen glaubten.

Der Kölner Stadtbezirk Ehrenfeld, der 1888 in die Stadt eingemeindet wurde, ist sehr weit vom nächstgelegenen Ozean entfernt, ja nicht einmal der Rhein ist von hier aus zu sehen. Umso mehr zeigt sich der Besucher überrascht, ausgerechnet an diesem Ort einen 40 Meter hohen Leuchtturm zu entdecken!

Ein Leuchtturm fern vom Meer

Hoch aufragend über der Heliosstraße (passenderweise nach dem griechischen Sonnengott Helios benannt) wurde der Leuchtturm als Wahrzeichen für die Helios AG für elektrisches Licht und Telegraphenanlagenbau errichtet, die an dieser Stelle im Jahre 1882 gegründet wurde.

Der Standort war wegen seiner Nähe zur damals bereits bestehenden Eisenbahnstrecke Köln-Aachen sowie zur Pferdetrambahn Ehrenfeld-Köln ausgewählt worden. Heute bildet der Leuchtturm den Brennpunkt eines der wichtigsten erhaltenen Kölner Ensembles aus der Zeit der Industrialisierung. Das Unternehmen beschäftigte an die 2000 Mitarbeiter, die Stromgeneratoren produzierten, aber auch die deutschlandweit ersten Transformatoren und Dynamos. Im Werk war der erste elektrisch betriebene Kran Deutschlands in Verwendung, und man betrieb eine Teststrecke für elektrische Tramwägen. Die Gehäuse und die Gussteile wurden in einer werkseigenen Gießerei selbst hergestellt, Strom lieferten zwei Helios-Generatoren mit je 250 PS. Nicht weniger als 23 vollständige Kraftwerke wurden hier gebaut, außerdem sämtliche Komponenten für sechs deutsche Straßenbahnnetze. Damit hat die Helios AG einen erheblichen Beitrag nicht nur zur Entwicklung der Kraftwerkstechnologie in Deutschland, sondern auch zur europaweiten Elektrifizierung der Industrie, des öffentlichen Verkehrs und der öffentlichen Beleuchtungssysteme geleistet.

Im Jahr 1891 stellte das Unternehmen an der prestigeträchtigen Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt aus. Zum Produktsortiment gehörten auch Navigationsleuchten zum Einsatz in der Nordsee und im Nord-Ostsee-Kanal. 1895 lieferte das Unternehmen 20 Leuchtfeuer für den Kaiser-Wilhelm-Kanal (heute: Nord-Ostsee- Kanal). Trotz dieser vielen Erfolge musste das Unternehmen wegen rückläufiger Auftragszahlen und eines erfolglosen Ausflugs ins Bankwesen zunächst im Jahr 1905 von Siemens und AEG übernommen werden, um 1930 schließlich die Pforten für immer zu schließen.

Der Helios-Leuchtturm hat sich seit seiner Errichtung kaum verändert

Das in der nordwestlichen Ecke der alten Fabrik stehende Bauwerk ruht auf einem mächtigen quadratischen Sockel, aus dem der sich verjüngende Ziegelturm hochragt, ganz oben das Lampenhaus in einer Eisen-/ Glaskonstruktion. Zwar ist des Nachts noch eine Dauerbeleuchtung eingeschaltet, jedoch ohne Optik.

Neben dem Leuchtturm, dem 1996 ein neues Lampenhaus spendiert wurde, besteht auch das Helios-Haus, das imponierende ehemalige Verwaltungsgebäude, noch an der Venloer Straße 389. Beeindruckend ist vor allem sein grandioses Treppenhaus mit gusseisernen Geländern und Galerien, das durch ein Glasdach mit Licht geflutet wird. Heute befinden sich etliche Arztpraxen in dem Gebäude, gelegentlich wird es auch von TV-Gesellschaften als Drehort genutzt.

Der Schriftzug Cölner Industrie Welt an der Fassade erinnert an die GmbH, die das Fabrikgelände ab dem Jahr 1907 an verschiedene Unternehmen vermietet hatte. Auch die beiden Werkshallen der Fabrik stehen nach wie vor. In diesen wurden einst große Maschinen montiert.

Im Jahr 1911 wurden in einer der Hallen, der sogenannten Rheinlandhalle, Automotoren gefertigt.

Das Unternehmen ging pleite, und 1928 wurde die Halle in eine Radrennbahn umgebaut. Eine Wandtafel erinnert an den Rad- Champion Albert Richter (1912−1940), der wegen seiner Gegnerschaft zu Hitler von der Gestapo ermordet wurde. Auf dieser Bahn fanden die Sechstage-Radrennen von Köln statt, aber auch Boxkämpfe und sogar Wahlkampfveranstaltungen der Nazipartei; eine Weile lang war sie denn auch nach Adolf Hitler benannt.

Die im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigte Halle wurde 1957 zur Heimstatt des ersten Kölner Supermarkts. Seither haben sich hier unterschiedliche Einzelhandelsfirmen eingemietet.

Weitere spannende Geschichten rund um Köln finden Sie in dem Buch “Nur in Köln – Ein Reiseführer zu sonderbaren Orten, geheimen Plätzen und versteckten Sehenswürdigkeiten” von Duncan J. D. Smith, erschienen im Christian Brandstätter Verlag, ISBN 978-3-85033-454-9, 19,90 Euro (UVP), www.nurinreisefuehrer.com