Schilddrüsenvergrößerung ist mit durchschnittlich 294.000 Suchen pro Monat die mit Abstand meistgesuchte Krankheit der Deutschen im Internet. Erst dann folgen auf Rang zwei und drei die Volkskrankheiten Diabetes (140.220 Suchen pro Monat) und Hämorrhoiden (127.400 Suchen pro Monat).
Das ist das überraschende Ergebnis der Studie “Praxis Dr. Internet”, die die Central Krankenversicherung aktuell veröffentlicht hat. Die Studie fußt auf einer Analyse von deutschlandweit mehr als 41,2 Millionen Google-Suchen (Zeitraum 11/2013-10/2014) und gibt außerdem Aufschluss über das regionale Krankheitssuchverhalten der Deutschen. Demnach informieren sich Hamburger, Bremer und Berliner mit durchschnittlich 1 bis 1,18 Suchen pro Einwohner (Alter: 14-75 Jahre) im Jahr bundesweit am häufigsten über Krankheiten im Internet. Am wenigsten verbreitet ist das Krankheiten-Googeln hingegen in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Im Schnitt sind es in den ostdeutschen Bundesländern gemäß Central Studie gerade einmal 0,3 bis 0,44 Krankheitssuchen pro Einwohner im Jahr.
Mit ihrer Studie “Praxis Dr. Internet” geht die Central jedoch noch einen Schritt weiter und ermittelte ausgehend von den meistgesuchten Krankheiten der Deutschen, wie es um die Qualität der im Internet veröffentlichten Gesundheitsinformationen bestellt ist. Hierzu analysierte ein Ärzteteam der Central mittels eines umfassenden Webseiten-Checks insgesamt 100 Ratgeberseiten und kam nach Prüfung von 24 Kriterien zu einem ernüchternden Ergebnis: Mehr als 30 Prozent der bewerteten Webseiten schnitten mit “mangelhaft” oder sogar “ungenügend” ab. Über alle 100 Webseiten hinweg wurde gerade einmal die Durchschnittsnote “ausreichend” (4+) erzielt. “Angesichts der Tatsache, dass etwa 80 Prozent der Internetsurfer Gesundheitsinformationen im Netz suchen, ist dieses Ergebnis mehr als bedenklich”, erklärt Dr. Markus Homann, Leiter des Gesundheitsmanagements der Central Krankenversicherung. Hier drohe laut Homann, dass Gesundheitssurfer auf Grundlage falscher Informationen selbst Diagnosen erstellen und sich schlimmstenfalls selbst behandeln. “Bei Gesundheitsinformationen im Internet muss man im Sinne der Patientensicherheit akribisch und streng sein. Die meisten Angebote dagegen sind unvollständig, fehlerhaft und lassen den Suchenden oft ohne jegliche Einordnung zurück.” Der Gesundheitsmanager spricht sich deshalb für verbindliche Standards für Gesundheitsinformationen im Netz aus.
Die meistgesuchten Krankheiten der Deutschen
Chronische Krankheiten, psychische Leiden und gesellschaftlich tabuisierte Erkrankungen führen das Top-10-Ranking der meistgesuchten Krankheiten der Deutschen an. So landen neben Diabetes, Bluthochdruck, ADHS und Depressionen mit Hämorrhoiden und Magersucht gleich zwei Krankheiten in den Top 10, die zu den Tabukrankheiten gehören und offensichtlich eine deutlich höhere gesellschaftliche Relevanz haben, als es die Zahl an tatsächlichen Diagnosen durch Ärzte vermuten lässt.
Rang Krankheit Ø Suchvolumen / Monat 1 Schilddrüsenvergrößerung 294.690 2 Diabetes 140.220 3 Hämorrhoiden 127.400 4 Magenschleimhautentzündung 118.740 5 Magersucht 109.020 6 Neurodermitis 107.240 7 ADHS 103.720 8 Depression 102.430 9 Durchfall 99.270 10 Bluthochdruck 96.470
Basis der Erhebung ist ein Krankheitenkatalog, der auf Grundlage öffentlicher Diagnosestatistiken sowie der Expertise eines interdisziplinären Ärzteteams erstellt wurde. Er umfasst sowohl die am häufigsten in deutschen Arztpraxen diagnostizierten Krankheiten als auch die wichtigsten Tabukrankheiten, die deutlich seltener zum Arztbesuch führen.
Warum ausgerechnet die Schilddrüsenvergrößerung Spitzenreiter des Rankings ist und mehr als doppelt so häufig wie die Volkskrankheit Diabetes im Internet gesucht wird, erklärt Dr. Markus Homann, Leiter des Gesundheitsmanagements der Central: “Die Ursachen der Schilddrüsenerkrankung sind ebenso vielfältig wie die Therapieansätze. Damit sind hier auch die Verunsicherung und das Informationsbedürfnis bei den Patienten sehr hoch.” Die besonders hohe Relevanz gerade bei psychischen Erkrankungen und Tabukrankheiten macht laut Homann deutlich, wie wichtig es ist, Betroffene und Angehörige mit guten medizinischen Internetinhalten zu unterstützen und sie außerdem zusätzlich zum Arztbesuch zu motivieren.
Hier leben die Gesundheits-Surfer
Mehr als 41,2 Millionen Mal suchten die Deutschen innerhalb eines Jahres nach Krankheiten im Internet. Dabei kommen im Bundesvergleich die meisten Krankheitssuchen pro Einwohner aus Hamburg, Berlin und Bremen. Das Schlusslicht bilden Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Warum gerade in den Stadtstaaten so häufig nach Krankheiten im Internet recherchiert wird, liegt nach Ansicht der Central neben soziodemografischen Faktoren wie Alters- und Bildungsunterschieden sowie dem Technik- bzw. Internetzugang auch an der Ärztedichte. “Diese ist im urbanen Umfeld der Stadtstaaten pro Einwohner am höchsten und führt zu mehr Praxisbesuchen, Diagnosen und Krankheitsrecherchen”, erklärt Dr. Homann.
Bundesland Ø Anzahl der Krankheitssuchen pro Einwohner (14-75 Jahre) Hamburg 1,18 Bremen 1,06 Berlin 1,03 Nordrhein-Westfalen 0,70 Hessen 0,70 Niedersachsen 0,64 Baden-Württemberg 0,64 Saarland 0,62 Bayern 0,62 Rheinland-Pfalz 0,56 Sachsen 0,56 Schleswig-Holstein 0,53 Thüringen 0,44 Mecklenburg-Vorpommern 0,44 Sachsen-Anhalt 0,41 Brandenburg 0,38
Regionale Unterschiede im Krankheitssuchverhalten
Während die Top-10-Krankheiten in nahezu allen Bundesländern ähnlich häufig gesucht werden, ergeben sich auf den nachfolgenden Rängen zum Teil erhebliche Unterschiede. So verzeichnen etwa Brandenburg und Berlin, verglichen mit dem Bundesdurchschnitt, ein überdurchschnittliches Krankheitssuchvolumen für Brustkrebs (vgl. nachfolgende Tabelle). In Hamburg und Bremen wird nicht nur generell am häufigsten nach Krankheiten im Netz recherchiert, Bewohner der beiden Stadtstaaten suchen auch überdurchschnittlich oft nach psychosomatischen Erkrankungen. Hierbei leiden Erkrankte unter verschiedenen körperlichen Beschwerden, für die jedoch keine körperlichen Ursachen zu finden sind. Hamburg und Berlin verzeichnen außerdem, verglichen mit dem Bundesdurchschnitt, die meisten Google-Suchen für Akne. Und schließlich informieren sich Berliner überdurchschnittlich oft über HIV im Internet.
Bei welchen Krankheiten darüber hinaus in den einzelnen Bundesländern im Vergleich zum Bundesdurchschnitt ein höheres Suchvolumen generiert wird, zeigt die folgende Übersicht:
Bundesland Krankheit/Affinitätsindex* Baden-Württemberg Nicht oder nur teilweise durchgebrochene Zähne (116,98) Haarausfall (115,85) Magersucht (115,03) Bayern Hämorrhoiden (116,95) Hepatitis B (111,06) Fettstoffwechselstörung (111,05) Berlin Brustkrebs (160,64) Akne (130,22) HIV (122,05) Brandenburg Brustkrebs (338,75) Prostatavergrößerung (155,89) Nierenschwäche (133,28) Bremen Psychosomatische Erkrankungen (156,54) Prostatavergrößerung (155,58) Übermäßiges Schwitzen (151,10) Hamburg Akne (135,54) Hepatitis B (120,04) Psychosomatische Erkrankungen (117,40) Hessen Hepatitis B (119,95) Akne (109,04) Kurz-/Weitsichtigkeit (108,64) Mecklenburg-Vorpommern Prostatavergrößerung (182,51) Häufiges Wasserlassen (148,75) Übermäßiges Schwitzen (148,04) Niedersachsen Chronische Bronchitis (114,43) Bandscheibenvorfall (110,48) Darmkrebs (110,31) Nordrhein-Westfalen Ausstülpung der Darmwand (Divertikulose) (111,57) Magenschleimhautentzündung (110,28) Wechseljahrsbeschwerden (108,79) Rheinland-Pfalz Prostatavergrößerung (114,97) Asthma (114,28) Chronische Bronchitis (113,57) Saarland Prostatavergrößerung (193,78) Übermäßiges Schwitzen (152,59) Asthma (146,12) Sachsen Kopfschmerzen (122,38) Prostatavergrößerung (121,31) Häufiges Wasserlassen (117,61) Sachsen-Anhalt Prostatavergrößerung (152,11) Übermäßiges Schwitzen (137,95) Nierenschwäche (134,90) Schleswig-Holstein Prostatavergrößerung (129,01) Inkontinenz (116,76) Übermäßiges Schwitzen (116,46) Thüringen Prostatavergrößerung (148,70) Degenerative Veränderung der Wirbel (137,73) Häufiges Wasserlassen (129,10)
*Der Affinitätsindex zeigt an, ob eine Krankheit im Vergleich zum Bundesdurchschnitt (Wert=100) häufiger (Werte über 100) oder seltener (Werte unter 100) gesucht wird. Hier sind jeweils die Top-3-Krankheiten pro Bundesland mit der höchsten Abweichung dargestellt.
Webseiten-Check: Central fordert Qualitätsoffensive
Auf Basis der Top-10-Krankheiten der Deutschen führte die Central die erste systematische Webseiten-Bewertung durch und prüfte die medizinische Güte der dargestellten Informationen. Hierzu wurden pro Krankheit die ersten zehn Ratgeberseiten der Google-Trefferliste ausgewählt und anhand eines umfassenden Kriterienkatalogs bewertet. Dieser umfasste insgesamt 24 Prüfkriterien zur inhaltlichen Bewertung der medizinischen Qualität sowie zur Verständlichkeit der Darstellung und zur Einhaltung formaler Kriterien.
Dabei wurde über alle 100 Webseiten hinweg gerade einmal die Durchschnittsnote “ausreichend” (4+) erzielt. Bewertet wurden neben Gesundheitsportalen auch Ratgeberinformationen von Unternehmen, institutionellen Einrichtungen und Verbänden. Des Weiteren wurden wegen ihrer hohen Relevanz bei den Internetnutzern auch Online-Lexika berücksichtigt, deren Einträge von den Nutzern selbst mitgestaltet werden. Unter den Informationsangeboten zu den zehn untersuchten Krankheiten schnitten die Webseiten zu den Themen Magersucht (3+) und Depression (3-) mit der Durchschnittsnote “befriedigend” noch am besten ab. Enttäuschend: Die Informationen über die übrigen acht untersuchten Krankheiten wurden jeweils nur mit “ausreichend” bewertet.
Notenverteilung im Einzelnen:
Note Wie häufig erreicht? Sehr gut - Gut 9 Befriedigend 34 Ausreichend 24 Mangelhaft 30 Ungenügend 3
“Dieses Ergebnis ist besorgniserregend und es wird höchste Zeit, dass sich die großen Informationsanbieter, aber auch die gesamte Gesundheitsbranche mit der Qualität der Gesundheitsinformationen im Internet auseinandersetzen”, erklärt Dr. Markus Homann von der Central. Schließlich ist das Thema Gesundheit besonders sensibel: Für viele Internetnutzer ist es längst alltäglich, Symptome zu recherchieren, ärztliche Diagnosen zu hinterfragen, aber auch auf Grundlage der Online-Informationen selbst Diagnosen zu erstellen und sich zu behandeln. “Gesundheitssurfern müssen unabhängige und verlässliche Informationen zur Seite gestellt werden, die sie außerdem zusätzlich zum Arztbesuch bewegen. Deshalb haben wir für die Central Studie einen Anforderungskatalog für Gesundheitsinformationen im Internet erarbeitet, mit dem wir in den Dialog gehen möchten und der sich zu einem verbindlichen Standard weiterentwickeln lässt”, so Homann weiter.
Weiterführende Informationen zur Studie finden Sie unter: www.Central.de/Praxis-Dr-Internet
Autor: Central Krankenversicherung