Die Deutschen scheitern oft am Erfolg…

'Stand-Up-Comdedy ist ein Spiegelbild der Gesellschaft.' / copyright: Daniel Berbig / CityNEWS
‘Stand-Up-Comdedy ist ein Spiegelbild der Gesellschaft.’
copyright: Daniel Berbig / CityNEWS

Klaus Jürgen „Knacki“ Deuser hat mit “NightWash” die Stand-Up-Comedy auch in Deutschland salonfähig gemacht. Er ist Produzent, Moderator, Kabarettist und wohl einer der besten deutschen Stand-Upper. CityNEWS sprach mit dem Multitalent über seine abgebrochene Karriere als Hochleistungssportler und über den Werdegang der deutschen Comedy.

CityNEWS: Eigentlich heißen Sie Klaus-Jürgen, die meisten kennen Sie aber unter dem Namen „Knacki“. Wo kommt der Name her?

Knacki Deuser: Der kommt aus einem Kinderreim. Es ist ein Spitzname den mir meine Schwester mal gab. Zuerst war es Knacks, später wurde daraus Knacki – so hat mich dann damals in Koblenz, wo ich aufgewachsen bin, jeder genannt. Es gab mal so einen sagenumwobenen Empfang vom damaligen Oberbürgermeister, weil ich sehr erfolgreich im Sport war, da wurden dann meine Eltern ganz offiziell mit „Herr und Frau Knacki“ vorgestellt. Ich hatte ja nie geplant auf die Bühne zu gehen und mir auch nie Gedanken um einen Künstlernamen gemacht. Das hat sich alles so ergeben und irgendwann habe ich festgestellt, dass es wohl auch zu spät ist sich jetzt noch „Philippe Beaublond“ oder so zu nennen. Daher heiße ich nun „Klaus-Jürgen Knacki Deuser“.

CityNEWS: Waren Sie als Kind schon der Klassenclown?

Knacki Deuser: Naja, ich hab schon zu den Lebendigeren gehört und alles Mögliche angestellt. Das ich am Ende aber damit auf der Bühne lande, dass war mir nicht klar. Ich wollte ja eigentlich Sport machen oder Lehrer werden. Da haben mir immer alle von abgeraten, deswegen bin ich kein Lehrer geworden.

CityNEWS: Und warum hörten Sie mit dem Hochleistungssport auf?

Knacki Deuser: Es war mit Leichtathletik einfach unmöglich Geld zu verdienen. Das war der Hauptgrund. Ich habe ja auch lange weitergemacht und trainiere bis heute auch ständig. Ich bin ja immer noch fit. Ich bin auch mehr als froh, dass ich das gemacht habe. Als Jugendlicher war ich in den Endläufen. Da trainiert man da vielleicht elf, zwölf mal die Woche und bekommt dann mit ein bisschen Glück 200 DM im Monat und die Turnschuhe gesponsert. Das war knüppelhartes Training, ich habe es gerne gemacht, aber davon konnte ich nicht leben.

CityNEWS: Die Intention aus der NightWash entstand war, den Menschen Stand-Up Comedy näher zu bringen. Wieso ausgerechnet Stand-Up?

Knacki Deuser: Weil ich einfach fand, dass es eine sehr spannende, moderne Kulturform ist, mit der man sich einfach und schnell ausdrücken kann. Ich habe das damals in den Staaten gesehen – meine Frau ist Amerikanerin – und ich fand das spitze. Wir in Deutschland haben eine ganz andere Tradition. Nach dem letzten Weltkrieg sind wir in eine sehr harmlose Form der Kultur geraten. Wir hatten die klassischen Liedermacher oder Kabarettisten, bei denen die Politik immer im Vordergrund stand. Ich finde es gut, wenn du über einen Unterhaltungsgedanken an verschiedene Themen herangehst, der natürlich durchaus schlau sein kann und das auch sein soll. Die Deutschen haben sich damit lange Zeit schwer getan. Strukturell haben wir in Deutschland nur diese Kleinkunstbühnen, auf denen du immer ein volles 90-Minuten-Programm spielen musst. Damit kannst du dann ins Senftöpfchen, oder in die Comedia und wie sie alle heißen. Bei den amerikanischen Formen hast du zehn, vielleicht fünfzehn Minuten und kannst damit auftreten. Das war auch der Grund weswegen ich Stand-Up in einen Waschsalon genommen habe. Ich wollte bewusst aus diesen Theatern raus um dieser gemixten Form eine Chance zu geben und auch, um ein jüngeres Publikum anzusprechen. Die gingen in so Läden ja gar nicht erst rein. Ich dachte mir, wenn das junge Publikum nicht zur Comedy kommt, dann muss die Comedy eben zum jungen Publikum. Daher die Überlegung, wo man junge Menschen häufig antrifft. Die Überlegungen gingen dann von der Bushaltestelle über eine Metzgerei bis hin zur Drehtür in einem Hotel.

CityNEWS: Wieso ist es dann der Waschsalon geworden?

Knacki Deuser: Irgendwann kam ich in Amerika in einem Waschsalon vorbei. Da stand einer drin und las Gedichte vor. Da saßen nur drei Leute und von denen hat keiner zugehört, aber ich dachte „Wow! Das ist es!“ Bei eins festival ist NightWash jetzt auch wieder im Waschsalon. Der Waschsalon, in dem wir zuerst gedreht haben, wurde ja mittlerweile geschlossen – da ist jetzt ein Supermarkt drin. Comedy Central hat das dann gerne genutzt, denn die wollten ohnehin etwas mehr Glamour und alles immer größer und größer… bis NightWash dann aussah wie alle anderen Sendungen auch. Daher bin ich froh, dass eins festival das jetzt wieder in seiner Ur-Form möglich macht.

CityNEWS: NightWash hat seine Wurzeln in Köln, feierte dann aber schnell so große Erfolge, dass ihr schon bald durch ganz Deutschland tourtet. Merkt man dem Publikum seine Stadt an?

Knacki Deuser: Ich sage jetzt mal ganz vorsichtig, dass ich denke, dass es da vielleicht eher Unterschiede gibt zwischen den Menschen auf dem Land oder der Stadt, oder eben zwischen verschiedenen Altersgruppen. Wenn die Leute 50 aufwärts sind, dann lachen sie über andere Themen, als wenn sie alle um die 25 sind.Wenn du in einer Großstadt wie München, Berlin oder Hamburg bist, dann kannst du auch das ein oder andere Thema angehen und vielleicht in deiner Wortwahl ein bisschen weiter gehen. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, wenn es ein richtig guter Gag ist, dann lachen die überall. Wenn du nur Frankenwitze machst, dann funktioniert das in Franken natürlich besser als in Schleswig-Holstein. Aber wenn du gute allgemeine Themen hast, dann packst du das Publikum überall.

CityNEWS: Müssen die Themen immer krasser werden? Das dritte Reich, Guantanamo, Religion… wäre das vor 20 Jahren in der Form möglich gewesen? Muss man immer noch eins drauflegen, damit es funktioniert?

Knacki Deuser: Das glaube ich nicht. Ich glaube, was krasser geworden ist, ist tatsächlich die Wortwahl. Aber erstmal verändern sich die Themen der Gesellschaft und damit auch die Themen, die wir bearbeiten. Ich glaube, dass es mittlerweile mehr Tabus gibt, als das vor 20 Jahren der Fall war. Wenn jetzt einer „Ficken“ sagt, dann denken die Leute schon „Ach, nee, wie wild!“ – aber seit es Menschen gibt, gibt es das Thema – sonst würde es ja auch keine Menschen geben. Darüber wurden schon immer Witze gemacht. Wenn man das Thema Religion angeht, dann finde ich, dass wir viel mehr Schranken im Kopf haben als vor noch vor 20 Jahren. Wir mache Witze über katholische Pfarrer – die haben es aber doch auch einfach wirklich nicht anders verdient. Bei dem, was da letztes Jahr ans Licht kam, da ist es nur rechtens, dass man darüber Witze macht. Sobald es ums Thema Islam geht, da werden wir alle so unfassbar vorsichtig. Da sagt überhaupt keiner was drüber. Da muss ich sagen, dass wir, was das angeht, vor 20 Jahren doch wesentlich entspannter waren.

CityNEWS: Es fällt auf, dass immer mehr Menschen mir Migrationshintergrund wie Dave Davis oder Marek Fis ihre eigene Indentität, bzw. die Klischees, mit der diese behaftet ist, auf die Schippe nehmen. Früher haben Deutsche Polenwitze gemacht, jetzt übernimmt das Marek Fis. Warum funktioniert das so gut?

Knacki Deuser: Es ist ja noch gar nicht so lange her, dass so viele junge Polen in der Gesellschaft richtig integriert waren. Früher hat aber auch Otto als Ostfriese Witze über Ostfriesen gemacht. Ein Pole macht jetzt Witze, weil er vollkommen integriert ist. Stand-Up-Comedy ist ein unglaublich gutes Spiegelbild der Gesellschaft. Wir Stand-Up-Comedians kämpfen oft mit dem Vorurteil, wir seien nicht politisch. Das halte ich für totalen Unsinn. Wenn du die Zeit gut einfängst und beschreibst, dann bist du oft politischer als wenn du fünf mal hintereinander “Merkel”
oder “Westerwelle” sagst. Die Gesellschaft hat sich geändert und gerade wenn wir das Thema Migration oder Integration betrachten, dann sehen wir, wie viele Menschen in unserer Gesellschaft angekommen sind – und zwar gut angekommen sind. Das ein Marek Fis so entspannt über sich als Polen lästern kann ist für mich ein positives Zeichen unserer Gesellschaft.
Und mit Dave Davis haben wir den ersten Deutsch-Afrikaner auf der Bühne. Früher kamen Schwarze aus Amerika oder maximal aus England. Ich finde das lustig: Kaya Yanar und Bülent Ceylan haben die uns bekannten Ausländer karrikiert. Jetzt kommt da mit Dave Davis ein “richtiger” Ausländer. Da kann jetzt vielleicht noch ein Asiate kommen, dann haben wir aber auch alles durch… Und wenn wir das Thema Migration aus dieser Sicht betrachten, dann können wir sehen, wie positiv Deutschland sich da verändert hat.

CityNEWS: Ihr neues Programm heißt “Mist, mir geht’s gut!”. Das erinnert ein wenig an den Titel des Buches, welches der Hawaaiianer Eric T. Hanson letztens herausgebracht hat. In “Nörgeln, des Deutschen liebste Lust”, schreibt er, dass der Amerikaner, wenn er gerade überfahren auf der Straße liegt, auf die Frage nach seinem Befinden immer noch antwortet: “I’m fine, thank you! This is the greatest day of my life!”. Der Deutsche hingegen hat es auch an seinen besten Tagen noch “irgendwie im Kreuz”. Können Sie das, wo sie noch dazu eine Amerikanische Frau haben, bestätigen?

Knacki Deuser: Auf jeden Fall! Das kann ich eins zu eins unterschreiben. Wenn ich sage “Mist, mir geht’s gut!”, dann geht es mir nicht nur darum zu Nörgeln, sondern auch darum, zu zeigen, wie viel wir auf die Reihe bekommen. Dass wir so viel schaffen und das aber nicht merken, ist eine Sache, über die ich mich wirklich oft ärgere. Ich behaupte, dass die Deutschen am Erfolg scheitern. Wir sind eines der wenigen Völker auf der Welt, das sich Dinge vornimmt und sie dann auch schafft. Wir planen zehn Notfallszenarien ein und rechnen nicht damit, dass das, was wir uns vorgenommen haben, auch klappt. Damit haben wir nicht gerechnet und rufen: „Was? Das Auto fährt? Gebt es den Japanern!“ Wie haben eben keinen Plan für den Erfolg. Und dann mache ich mich darüber lustig, dass ich genauso bin und mich oft frage warum es mir eigentlich so gut geht. Die letzten drei Jahre sind unfassbar gut gelaufen. Natürlich waren sie auch sehr anstrengend, aber alles in allem muss ich sagen: Ich liebe den Job den ich mache, ich lebe in einer guten Beziehung und wohne in einem wirklich gesichertem Land. Das muss man einfach auch mal sagen, wenn man mal die Zeitung aufschlägt, dann kann man wirklich nur dankbar sein.
Wenn jetzt aber meine Frau sagt, dass alles prima ist, dann fange ich schon mal an mit: „Na, ob das alles so prima ist, das weiß ich nicht…“ Ich lebe jetzt allerdings auch seit 20 Jahren in Köln und die gute Laune hier ist wirklich ansteckend. Dann noch die Amerikanische Frau – das färbt schon ab. Vor zwei Wochen habe ich mich noch dazu durchgerungen Nichtraucher zu werden und dann gemerkt, dass ich ja gar nicht rauche. Das sind dann so Sachen, die sind ganz schlimm…

CityNEWS: Stellen Sie sich vor: Sie müssen sieben Jahre auf eine einsame Insel…

Knacki Deuser: Oh Gott!

CityNEWS: Und es geht noch weiter: Sie dürfen nichts mitnehmen, außer drei deutschen Stand-Up- Comedians, von denen sie sich dort unterhalten lassen müssen. Wen nehmen Sie mit?

Knacki Deuser: Dann nehme ich drei mit, die ganz neu und furchtbar schlecht sind.

CityNEWS: Haben Sie da jemanden im Hinterkopf?

Knacki Deuser: Nee, die müssen ganz unbekannt sein. Damit ich sieben Jahre arbeiten kann. Wenn da drei gute Comedians sind, und wir sind sieben Jahre auf einer einsamen Insel, ja dann passiert doch nichts. Was sollen wir denn da machen? Dann lieber welche, die noch keine Sau kennt. Und dann arbeite ich mit denen, damit ich irgendwann mal lachen kann. Aber das wäre ein Albtraum! Ich will doch nicht nur in meinem eigenen Saft braten. Schrecklich! Ich mag die ja alle aber das wäre furchtbar.

CityNEWS: Gerade war Karneval in Köln. Sind Sie da aktiv?

Knacki Deuser: Also feiern tue ich schon. Nicht unbedingt vier, fünf Tage – eher zwei – aber die gehören auch irgendwie dazu. Ein bisschen übertrieben finde ich es nur, wenn die Leute meinen, Karneval findet 11 Monate statt.

CityNEWS: Verkleiden Sie sich auch? Und wenn ja, als was?

Knacki Deuser: Ich habe vor Karneval immer eine Idee im Kopf, der ich dann aber nicht weiter nachgehe. Wenn die anderen dann schon rufen, dass wir los müssen, dann fange ich zumeist erst an etwas zu suchen. Ich habe da durch die ganzen Theatersachen zum Glück so einen kleinen Fundus. Ich bin mal als existentialistischer Clown gegangen. Als Clown also, der zwei Sartre Bücher dabei hatte und nie gelacht hat. Die ganze Zeit über habe ich keine Miene verzogen, so dass ich dann irgendwann wirklich schlecht drauf war. Dann merkte ich, dass diese Idee keine so gute war. Einmal bin ich als mittelalter Holländer gegangen. Von oben bis unten war ich mit Käse behangen und hatte immer was zu essen dabei.

CityNEWS: Haben Sie einen Lieblingswitz?

Knacki Deuser: Für Witze muss immer die richtige Situation sein. Im Moment finde ich es sehr witzig, dass eine Stichprobe aus 500 Feldpostbriefen ergeben haben soll, dass Guttenberg immer noch sehr beliebt ist. Naja, ich kenne sonst noch einen, der ist zwar schon alt, aber der perfekte deutsche Witz: „Geht ‘n Mann in den Spielzeugladen und sagt: „Ich hätte gerne ein Geduldsspiel – aber zack zack!“

CityNEWS: Vielen Dank für das Gespräch.

Autor: Ina Laudenberg