Google und Amazon werden häufig in einem Atemzug genannt, wenn es um den E-Commerce geht: Google für die Suche nach geeigneten Produkten, dann geht der Nutzer zu Amazon, um zu kaufen. Das klingt nach einer klassischen Win-Win-Situation. Die Realität sieht jedoch längst anders aus.
„Google sieht Amazon inzwischen als ärgsten Wettbewerber, wenn es um die Produktsuche geht“, sagt Jochen Krisch. Er ist Herausgeber des Online-Handels-Branchendienstes Exciting Commerce. „Immer mehr Nutzer suchen Produkte nicht mehr über Google, sondern schauen direkt bei Amazon.“ Der Anteil der Onlinekäufe, die ohne Google direkt bei Amazon starten, liege in Deutschland schon bei 30-40 Prozent, schätzt Alexander Graf. Er ist Inhaber des Blogs Kassenzone.de, wo es um Online-Geschäftsmodelle geht.
Amazon wird als erste Suchmaschine für Produkte noch wichtiger werden
„Kunden suchen in Zukunft weniger nach Marken, sondern eher zweckgetrieben“, sagt Graf. Statt „Bosch Bohrmaschine” suche man beispielsweise „günstige Bohrmaschine”. „Die Funktion klassischer Marken wird von personalisierten Bewertungsmechanismen ersetzt. Nach dem Motto: 98 Prozent aller 4-Personenhaushalte würden diese Bohrmaschine für den privaten Gebrauch weiterempfehlen. „Solche Informationen gehören heute nun mal Amazon, und sie werden dazu beitragen, dass Amazon als erste Suchmaschine für Produkte noch wichtiger wird.“ Händler sehen das ähnlich. Nicole Krahl, Controllerin bei der Online-Apotheke Aponeo: „Kunden nutzen Amazon, weil sie auf Bewertungen schwören. Man bevorzugt den Erfahrungsaustausch mit Gleichgesinnten. Alles, was vom Hersteller kommt, wird oft als Vermarktung gesehen mit geringerer Glaubwürdigkeit.“ Dass natürlich längst nicht alle Bewertungen bei Amazon zielführend sind, und viele gar von den Herstellern selbst geschrieben werden, sei Krahl zufolge nur bedingt problematisch. „Amazon punktet mit der Masse.“
Es bieten sich auch Chancen, wenn Amazon seine Bedeutung weiter ausbaut
Jochen Krisch sagt, dass der Online-Handel auf die Veränderungen reagieren wird. „Vor allem reichweitenschwache Händler müssen den Spagat meistern und sich irgendwie mit Amazon arrangieren.“ Immerhin bieten sich auch Chancen, wenn Amazon seine Bedeutung weiter ausbaut: Es lassen sich unter Umständen höhere Preise erzielen. So sagt Stephan Meixner, E-Commerce-Experte bei Neuhandeln.de: „Wer bei Google oder auch bei Preisportalen ein Produkt sucht, findet möglicherweise Anbieter und Shops, die günstiger sind als Amazon. Oft kaufen Verbraucher bei solchen Shops dann aber zum ersten Mal, so dass sie erst ein Nutzerkonto mit Passwort einrichten und Adressdaten hinterlegen müssen.“ Das schrecke ab. Bei Amazon sei ohnehin fast jeder schon Kunde, so dass man sich diesen Schritt sparen könne. „Das dürfte bei vielen Kunden dazu führen, dass sie nicht erst den Umweg über Google gehen, sondern direkt bei Amazon suchen. Und dass sie dann auch dort kaufen, selbst wenn sie dort mehr zahlen. Der Preisunterschied muss schon wirklich groß sein, damit die Kunden den Aufwand der Registrierung bei anderen Shops auf sich nehmen.“ Zudem sei das Vertrauen in die Services von Amazon groß – beispielsweise beim Thema Retouren. Meixner ist sich sicher: „Die Bedeutung von Amazon wird zunehmen. Nicht nur als Shopping-Plattform, sondern auch als Suchmaschine.“
Suche über Amazon und höhere Preise – nicht alle, aber doch einige Händler bestätigen den Trend
Erneut das Beispiel Aponeo: Ob Beauty- und Kosmetikartikel oder rezeptfreies Medikament – „Google verliert hier als Suchmaschine an Bedeutung“, sagt Hartmut Deiwick. Er ist kaufmännischer Leiter bei Aponeo. „In anderen Segmenten ist das ähnlich.“ Aber: „Viele Händler haben noch nicht darauf reagiert. Wer heute seine Suchmaschinenoptimierung weiterhin primär auf Google abstellt, der denkt zumindest im Moment zu kurz.“ Thema höhere Preise: Sie seien längst Realität. „Früher gab es auf dem Amazon-Marktplatz die so genannte Preisparität“, sagt Deiwick. „Externe Händler mussten ihre Waren zum gleichen Preis anbieten wie im eigenen Shop. Das gilt heute nicht mehr. Also schlägt man in der Regel die Amazon-Gebühren oben drauf, um keinen Verlust zu machen. Die Kunden kaufen trotzdem.“
Ob sich Amazon langfristig als Suchmaschine für Produkte etabliert, oder ob Google sich erfolgreich wehrt, das weiß Deiwick nicht. Er weiß nur: „Wir erleben gerade einen Kampf der Systeme, und jeder Online-Händler muss für sich sehen, wie er da reinpasst. Und wie er vielleicht doch auch abseits der großen Plattformen Kunden bindet.“ Innovationen im Service und der Lieferung seien hier denkbare Wege. Als Beispiele nennt er mehr Beratung und zeitlich flexiblere Lieferungen an den Kunden – über den eigenen Shop.“
Autor: Redaktion / APONEO Apotheke