Dieser Beitrag wurde am 25.03.2019 aktualisiert: Die einen sehen schon das Ende des freien Internets, andere halten Horrorszenarien für völlig übertrieben. Die Rede ist von der EU-Urheberrechtsreform. Insbesondere die Artikel 11 und 13 sind Streitpunkte. An vielen Orten der Bundesrepublik demonstrierten Tausende gegen das neue Gesetzespaket, was das EU-Parlament noch vor den Europawahlen verabschieden möchte. CityNEWS hat über dieses Thema exklusiv mit dem Vorsitzenden des Deutschen Journalisten-Verbands, Frank Überall, gesprochen.
Das Urheberrecht im Internet ist ein Problemfall. Denn so wie das aktuelle europäische Urheberrecht aufgestellt ist, ist es längst nicht mehr auf den aktuellen Stand der Digitalisierung zugeschnitten. Letztmals gab es 2001 auf EU-Ebene eine größere Veränderung. Doch gab es Unternehmen wie Google, Facebook, YouTube, Spotify und Co. noch gar nicht in der heute bestehenden Größenordnung – oder sie entstanden erst kurz vor der Jahrtausendwende. Seit 2016 wurden die Stimmen nach einer EU-weiten Reform des Urheberrechts lauter.
Inhaltsverzeichnis
- DJV-Vorsitzender Frank Überall begrüßt Reform-Pläne
- Macht von Google & Co.: Probleme bei Artikel 11
- Leistungsschutzrecht in Deutschland seit 2013
- Artikel 13 – der ominöse “Upload-Filter”
- Zwischen Meinungsfreiheit und Zensur
- Proteste gegen Urheberrechtsreform werden größer
- Noch ein Problem mit dem “Upload-Filter”
- Wen betrifft die EU-Urheberrechtsreform überhaupt?
- Bundesregierung hat bereits “Go” zur Reform gegeben
DJV-Vorsitzender Frank Überall begrüßt Reform-Pläne
Angestoßen hatte dies der damalige Digitalkommissar Günther Oettinger. Das Ziel: Urheber und Rechteinhaber sollen für ihre Arbeit fairer entlohnt werden. Ein zweiter wichtiger Faktor bei der sogenannten Copyright-Reform ist das Leistungsschutzrecht für Presseverlage und die Haftung für Plattformbetreiber bei Urheberrechtsverletzungen.
Grundsätzlich begrüßt der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands, Frank Überall, die Pläne der EU zur Urheberrechtsreform: “Die geplante Urheberrechtsrichtlinie ist die Voraussetzung dafür, dass Urheber in der digitalisierten Medienwelt auch morgen noch eine Existenzgrundlage haben. Bisher streichen die großen globalen Internetkonzerne die Gewinne ein, ohne die Urheber, um deren Werke es schließlich geht, zu beteiligen. Das will die Richtlinie beenden.”
Macht von Google & Co.: Probleme bei Artikel 11
Besonders der Artikel 11 der EU-Urheberrechtsreform stößt bei vielen Menschen jedoch auf Skepsis. Worum geht es hier eigentlich? Artikel 11 sieht vor, dass Portale wie Google künftig nicht mehr einfach Überschriften oder kurze Ausschnitte aus Presseveröffentlichungen, sogenannte Snippets, in den Suchergebnissen anzeigen dürfen. Suchmaschinen wie Google sollen Verlage künftig um Erlaubnis bitten, dass solche Snippets bei Google angezeigt werden dürfen, gegebenenfalls gegen eine Bezahlung – das wäre dann quasi eine Steuer für Links.
Doch Gegner der EU-Urheberrechtsreform befürchten Nachteile für Verlage. Diese sind oftmals darauf angewiesen, dass Suchmaschinen ihre Ergebnisse und Texte listen, um über Werbeanzeigen Geld verdienen zu können. Hier fürchten Gegner des Reformpakets, dass Verlage dadurch eine schwache Verhandlungsposition gegenüber Suchmaschinenbetreibern hätten.
Die Verlegerverbände BDZV (Bund Deutscher Zeitungsverleger) und der VDZ (Verband Deutscher Zeitschriftenverleger) finden, dass das Leistungsschutzrecht “für die Sicherung des freien, unabhängigen Journalismus in der digitalen Welt” dringend nötig sei. Es brauche ob der Marktmacht von Internetriesen wie Google, Facebook und Co. verlässliche Regularien. Nur mit dieser EU-weiten Regelung könne man genug Druck auf die milliardenschweren US-Konzerne aufbauen.
Leistungsschutzrecht in Deutschland seit 2013
Neu ist ein sogenanntes Leistungsschutzrecht für Deutschland nicht. Dies gibt es bereits seit 2013. Dennoch schrecken immer noch viele Verlage davor zurück, sich gegenüber Google und anderen Suchmaschinenbetreibern zu behaupten und erteilten den Suchplattformen weiterhin die Erlaubnis, Inhalte unentgeltlich zu nutzen.
“Solche Dienste könnten überhaupt nur entstehen, weil die Verlage jahrelang die Artikel von Urhebern zum Nulltarif ins Internet verschleudert haben. Das ist kein zukunftsfähiges Geschäftsmodell für Medienhäuser und für Urheber schon gar nicht. Wenn Journalisten wirtschaftlich überleben wollen, müssen ihre Werke bezahlt werden”, so der DJV-Vorsitzende Frank Überall im Gespräch mit CityNEWS.
Doch noch immer haben besonders kleine, lokale, regionale und unabhängige Verlage Angst davor, bei Suchmaschinen sonst nicht mehr gelistet zu werden. Dies hätte zur Folge, dass diese Publikationen einen großen Teil der Leser einbüßen würde und somit auch die Erlöse aus Werbeanzeige noch weiter einbrechen würden, als sie es sowieso schon tun. Zudem kommt hinzu, dass die Medienlandschaft dadurch sehr beschränkt würde, man oft nur noch eine sehr einseitige Berichterstattung erfahren würde, investigativer Journalismus nicht mehr unabhängig sein könnte und dem Click-Baiting, Fake News und Co. die Türen geöffnet oder gar gefördert würde.
Wie groß die Marktmacht von Google ist, mussten spanische User erfahren. Weil Google nicht an die dortigen Verlage Gebühren für Snippets und Headlines entrichten wollte, wurde die spanische Version der “Google News” eingestampft. Dieser Schachzug des Internetriesen verdeutlicht eine weitere Gefahr. Denn es ist anzunehmen, dass Google nur bei bestimmten, mutmaßlich reichweitenstarken Medien Lizenzkäufe erwägen würde. Dies hätte zur Folge, dass die europäische Medienvielfalt stark beschnitten würde – und das nicht von europäischen Institutionen selbst, sondern von einem US-amerikanischen Konzern. Die Meinungsfreiheit und -vielfalt würde so massiv leiden.
Artikel 13 – der ominöse “Upload-Filter”
Doch neben Artikel 11 stößt auch der Artikel 13 auf Unmut. Dieser Artikel bezieht sich auf reichweitenstarke Plattformen mit bspw. sogenannten “User Generated Content“, wie bei YouTube oder Twitch. Das Ziel ist, dass solche Plattformen beim Urheberrecht stärker in die Pflicht genommen werden sollen. Bislang ist es so gewesen, dass Betreiber solcher Seiten Werke von ihrer Seite löschen müssen, sobald jemand dagegen Beschwerde einlegt.
Das soll sich nun ändern. Artikel 13 sieht vor, dass die Betreiber bereits beim Upload sicherstellen müssen, dass urheberrechtlich geschützte Werke nicht ohne Erlaubnis auf ihren Seiten angezeigt und abgespielt werden können. Kritiker fürchten, dass dies nur mit sogenannten Upload-Filtern umgesetzt werde könnte. Viele Gegner von Artikel 13 denken hierbei an Zensur.
Zwischen Meinungsfreiheit und Zensur
“Von Upload-Filtern steht nichts im Gesetzestext. Das ist ein Begriff, an dem sich die Gegner der Richtlinie festbeißen. Ich kann verstehen, dass viele Internetnutzer deshalb verunsichert sind. Diese Ängste gilt es ernst zu nehmen. Das darf aber nicht zu Ablehnung der Richtlinie führen”, so Frank Überall im Gespräch mit CityNEWS. Zwar sollen Memes oder Parodien nicht unter diese Regelung fallen – doch sieht beispielsweise der Chaos Computer Club (CCC) das “freie bunte Internet” in Gefahr. Dies läge auch daran, dass diese Filter, sofern sie denn eingesetzt werden müssen, um das Gesetz entsprechend umzusetzen, fehleranfällig sein.
Diese Filter könnten nicht zwischen erlaubter Satire, Parodien oder wörtlichen Zitaten von Urheberrechtsverletzungen unterscheiden oder mithilfe einer Videobearbeitungen (z.B. Einfügen eines Balkens oder einer Figur) könnte der Filter außerdem ausgetrickst werden. Letztlich bedrohe Artikel 13 nichts weniger als die Meinungsfreiheit, so der CCC und viele Kritiker.
Proteste gegen Urheberrechtsreform werden größer
Europaweit formiert sich eine große Widerstandswelle. Selten haben EU-Abgeordnete so viele Protestmails und Anrufe erhalten. YouTuber und Streamer mit vielen Followern wie beispielsweise LeFloid, Gronkh oder das Team PietSmiet fordern “Stoppt Artikel 13!” Eine Onlinepetition hat bereits über fünf Millionen Unterschriften gesammelt.
Auch die Wikipedia-Foundation sieht das freie Internet durch die EU-Urheberrechtsreform gefährdet. Zwar ist die freie Enzyklopädie explizit von den Reformplänen ausgenommen, dennoch wollen die Autoren ein Zeichen gegen Artikel 13 setzen. Am 21. März 2019 wurde aus Protest das deutschsprachige Angebot für 24 Stunden komplett abgeschaltet. Dies ist nicht der erste öffentliche Protest von Wikipedia gegen die Reformpläne der EU. Bereits am 12. September 2018 wurde mit einem Banner auf der deutschen Wikipedia-Plattform auf die Gefahr für freie Informationsflüsse hingewiesen.
In zahlreichen deutschen Städten (u.a. Köln und Berlin) gehen immer mehr Gegner der Reform seit einigen Wochen auf die Straße und demonstrieren gegen die geplanten Änderungen. Am 23. März 2019 wurde zudem europaweite Kundgebungen und Proteste abgehalten. Allein in Köln sollen Schätzungen zufolge rund 10.000 Teilnehmer an der Demo teilgenommen haben, in München und Berlin waren es weitaus mehr.
Urheberrechts-Befürworter sehen hinter den Demos eine gezielte Lobby-Kampagne von YouTube und Co. und bezeichneten die Prostestler u.a. als “Bots der Internetkozerne” und, dass diese von Nicht-Regierungs-Organisationen mit Geldmittel für die Demoteilnahme bezahlt sein sollten.
Dabei fällt auf, dass viele größere Medien nicht oder nur in sehr eingeschränktem Umfang über die Reform-Proteste berichten. Hier könnte man nun ebenfalls eine Art “Lobbyismus” der großen Verlage sehen, um die Berichterstattung möglichst klein zu halten. Die wirklich großen Medienunternehmen haben nämlich natürlich ein Interesse am finanziellen Anreiz in der Reform, um etwaige Monetarisierungen später anhand der Reform durchführen zu können.
Noch ein Problem mit dem “Upload-Filter”
Es gibt nicht nur Sorgen wegen einer möglichen Zensur oder der Bedrohung der Meinungsfreiheit. Die EU-Urheberrechtsreform, die besonders vom CDU-Europa-Abgeordneten Axel Voss vorangetrieben wurde, ruft auch Datenschutzrechtler auf den Plan. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber sieht beim Einsatz der sogenannten Upload-Filter die Gefahr, dass große Anbieter solche Software-Systeme verstärkt an Daten von Nutzern kleinere Plattformen und Dienst herankommen.
Das Problem: kleine Plattform-Betreiber seien nicht in der Lage einen derartigen Programmieraufwand für solche Upload-Filter zu leisten. Sie müssten auf Angebote großer IT-Firmen zurückgreifen. Kelber befürchtet die Entstehung eines Oligopols weniger Anbieter von Filtertechniken.
Im Interview mit der Deutschen Welle ließ Axel Voss außerdem verlauten, dass die von ihm geforderten Reformen in erster Linie auf die Plattformen zielen, welche Urheberrechtsverletzungen begehen, wie beispielsweise YouTube.
So sagte er: “Wir alle haben rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen. Wenn sie eine riesige Plattform wie YouTube haben, müssen sie eine technologische Lösung einsetzen. Jeder hat diese Verpflichtungen. Sie haben ein Geschäftsmodell mit dem Eigentum anderer Personen geschaffen – auf urheberrechtlich geschützten Werken. Wenn es das Ziel der Plattform ist, Leuten den Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken zu ermöglichen, müssen wir darüber nachdenken, ob diese Art von Geschäft existieren sollte.”
Wen betrifft die EU-Urheberrechtsreform überhaupt?
Den normalen Internetnutzer wird diese Reform nicht wirklich treffen. Die Regeln betreffen vor allem kommerzielle Nutzer – aber auch der “Otto-Normal-User” könnte Probleme beim Upload von Videos bekommen. Das Hochzeitsvideo vom Tanz des Brautpaars könnte beim Upload geblockt werden, da eventuell im Hintergrund die Musik eines Künstlers zu hören ist. Dies wäre dann eine Verletzung des Urheberrechts (je nach Interpretation).
Dennoch beziehen sich die Regelungen insbesondere auf große Unternehmen, die seit über drei Jahren bestehen, deren Jahresumsatz bei über zehn Millionen liegt und mehr als fünf Millionen User pro Monat haben.
Bundesregierung hat bereits “Go” zur Reform gegeben
Die Ursprünge der EU-Urheberrechtsreform gehen bis zu Jahr 2016 zurück. Seither haben Unterhändler des Europäischen Rates und des EU-Parlaments einen Kompromissentwurf erarbeitet. Dieser Entwurf bekam 21 von 28 möglichen Stimmen der Regierungen, darunter auch die Zustimmung der Bundesregierung. Doch ist dies nicht ganz unproblematisch. Denn in der Koalitionsvereinbarung, die CDU, CSU und SPD geschlossen haben, werden sogenannte Upload-Filter abgelehnt. Nachdem sich Justizministerin Katarina Barley, als federführende Politikerin erst öffentlich gegen solche Upload-Filter stellte, stimmte sie letztlich dennoch dafür – und damit entgegen der Linie, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurde.
Hier müssen die 751 EU-Parlamentarier Ende März entscheiden, ob das Gesetzespaket durchkommt oder nicht. Ob die EU-Urheberrechtsreform als Komplettpaket mit den umstrittenen Artikeln 11 und 13 verabschiedet wird, ist allerdings noch fraglich. Möglich ist auch, dass die Reform, ohne die im Vorfeld breit diskutierten Artikeln verabschiedet wird oder für das Reformpaket einen neuen Anlauf nach der Europawahl im Ende Mai 2019 nehmen muss.
Dieser Beitrag wurde am 25.03.2019 aktualisiert.