Wenn sie vor einem Jahr vor der Wahl gestanden hätten, ob sie freiwillig ihren Zivildienst machen sollten oder nicht, hätten sie sich dagegen entschieden. Doch Philipp Greyff und Adrian Wirths haben ihren Dienst in einer Kölner Behinderteneinrichtung verlängert.
«Jetzt möchte ich diese Erfahrung auf gar keinen Fall missen», sagt Philipp Greyff (20). Sein Kollege Adrian Wirths (20) pflichtet ihm bei. Beide sind Zivildienstleistende in den Gemeinnützigen Werkstätten Köln (GWK) im Stadtteil Pesch, und beide haben ihren Zivildienst über den 30. Juni hinaus verlängert. Wirths wird sogar bis Ende November bleiben. «Ich habe so lange verlängert, wie es ging», sagt er. Greyff hört Ende Juli auf.
Die Gründe für beide, nicht dann aufzuhören, wenn es der Gesetzgeber erlaubt, sind vielfältig. «Zum einen sind es finanzielle Gründe, und außerdem möchte ich Zeit überbrücken», sagt Greyff. Vor allem aber mache ihm die Arbeit in den Behindertenwerkstätten «sehr viel Spaß». So ist der 20-Jährige für die Behinderten, die er täglich betreut, eine wichtige Bezugsperson geworden.
Soziale Kompetenzen lernen
Auch Wirths kümmert sich um Schwerbehinderte, hilft ihnen bei alltäglichen Dingen wie beispielsweise dem Gang zur Toilette. Er ist der Erste, den die Menschen morgens sehen, wenn sie an ihrer Arbeitsstelle ankommen und derjenige, der sie nach Feierabend wieder zu den Bussen bringt.
«Diese Menschen sind so herzlich und sie geben einem viel zurück», sagt Wirths. Nach seinem Zivildienst will er Lehrer werden. Dieser Berufswunsch habe sich durch den Dienst noch verfestigt. Während seiner Zeit in den Werkstätten habe er bereits viel gelernt, Dinge, die in der Schule nicht auf dem Lehrplan stehen. «Das ist mein Einstieg ins Berufsleben, und dazu gehört auch, wie ich mit Kollegen oder Vorgesetzten umgehe», sagt er.
Thomas Petry, der in den GWK für die Zivildienstleistenden zuständig ist, sagt: «Die jungen Leute lernen hier auch soziale Kompetenzen. Das ist etwas, was ihnen in jedem Beruf etwas nützt.»
Wenn die Zivil-Zeit zu Ende geht, fließen nicht selten Tränen, wie Petry sagt. «Viele unserer ehemaligen Zivis kommen uns auch später besuchen.» Manche bleiben. Patrick Wlodarczyk (22) hat als Zivi angefangen und sich dann entschlossen, eine Ausbildung als Heilerziehungspfleger in der Kölner Einrichtung zu machen. «Durch den Zivildienst war mir erst klar, was ich überhaupt machen möchte. Nach dem Abitur hatte ich noch keine klaren Vorstellungen.»
Erst eine Bewerbung für den Freiwilligendienst
Zurzeit gibt es 22 Zivildienstleistende in den GWK. Sie seien eine große Stütze, sagt Petry. Und sie werden fehlen. Denn auch hier werden die Zivildienststellen in Stellen für den BundesFreiwilligendienst (BFD) umgewandelt. Dieser ist dann nicht mehr verpflichtend, sondern freiwillig. Wie sich das dann entwickelt, weiß Petry noch nicht. «Bis jetzt haben wir eine Bewerbung für den BFD», sagt er. Dies liege nach seiner Ansicht vor allem daran, dass der BFD noch zu unbekannt sei.
Viele Möglichkeiten für einen Einsatz im neuen Freiwilligendienst
Ab Freitag fällt der Zivildienst offiziell weg. Das bedeutet für die 4.649 Zivildienstleistenden in NRW, dass sie entscheiden können, ob sie zu diesem Stichtag aufhören oder freiwillig verlängern. Derzeit sind bundesweit in NRW die meisten Zivis tätig. An zweiter Stelle folgt Baden-Württemberg mit 3.077 Wehrdienstverweigerern. Wie Peter Schlossmacher vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben in Köln der Nachrichtenagentur dapd sagte, haben bundesweit 14.000 Zivildienstleistende freiwillig ihren Dienst verlängert. Maximal könnten sie bis Ende des Jahres weiter arbeiten.
«Wir besuchen im Jahr rund 50 Ausbildungsmessen und das Interesse ist groß, wenn die jungen Leute erfahren, dass man auch in Umwelteinrichtungen oder bei Sportvereinen eingesetzt werden kann», sagt Schlossmacher. So konnten Wehrdienstverweigerer in NRW beispielsweise auch in der Dombauhütte in Köln ihren Zivildienst leisten. In Köln gebe es zudem einen Olympiastandort für Spitzensportler. Dort habe auch Fußballnationalspieler Lukas Podolski seinen Zivildienst gemacht.
Bereits 2.599 BFD-Stellen besetzt
Ab dem 1. Juli wird der Zivildienst durch den Bundesfreiwilligendienst (BFD) ersetzt. Anders als beim Zivildienst kann sich laut Schlossmacher dafür jeder Bürger, also auch ein Rentner, melden. Die Dauer des BFD-Dienstes liege zwischen mindestens einem halben Jahr und maximal 18 Monaten. Die bereits bestehenden rund 100.000 Zivildienstplätze in Deutschland würden Eins zu Eins in BFD-Plätze umgewandelt. Auf NRW entfallen davon 25.257 und damit die meisten Stellen in Deutschland. Davon seien zum 1. Juni 2.599 Posten als BFD-Stellen besetzt gewesen.
Dass es bundesweit fünf Mal so viele freie Plätze wie aktuell Zivildienstleistende gebe, liege daran, dass der Bund verpflichtet war, ausreichend Plätze zur Verfügung zu stellen, damit jeder sein Grundrecht auf Wehrdienstverweigerung ausüben könne, erklärt Schlossmacher.
Was die Nachfrage für den Bundesfreiwilligendienst angeht, ist das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben optimistisch. Genaue Bewerberzahlen für den BFD liegen laut Schlossmacher zwar noch nicht vor, doch seien seit Ende Mai rund 250 Bewerbungen pro Woche bei den verschiedenen Außenstellen eingegangen. «Die Sommermonate von Juni bis August sind traditionell eine Saure-Gurken-Zeit. Das war auch beim Zivildienst nicht anders», sagt Schlossmacher. Viele Abiturienten gönnten sich im Sommer erst einmal eine Auszeit.
Autor: Redaktion / dapd / http://bvap.de