Aus Frust am Arbeitsplatz wollen sich immer mehr Deutsche selbstständig machen

Fünf Jahre verfolgten die Faß ihren Traum. Angefangen hatte er auf einer Reise durch Kanada. Dort sahen sie zum ersten Mal frei lebende Wölfe. / copyright: Ulrike Schacht / Bundesagentur für Arbeit
Fünf Jahre verfolgten die Faß ihren Traum. Angefangen hatte er auf einer Reise durch Kanada. Dort sahen sie zum ersten Mal frei lebende Wölfe.
copyright: Ulrike Schacht / Bundesagentur für Arbeit

Doch wer es wirklich schaffen will, braucht eine Top-Idee, Ausdauer und Mut. Wie das Ehepaar Faß mit ihrem Wolfcenter. Fazit: “Fünf Jahre harte Arbeit haben sich für uns gelohnt!” Wie sie es angepackt haben, lesen Sie hier!

Wenn sie morgens vom Frühstückstisch aus dem Fenster schauen, sehen sie, dass sie es richtig gemacht haben. Sie blicken dann auf das, was ihr Leben jetzt ausmacht: Das große Gelände das ihnen gehört, die zehn Wölfe in den zwei Gehegen, das Haupthaus mit Restaurant, Info-Center, Seminarräumen. “Wir haben uns unseren Lebenstraum erfüllt”, lächelt Frank Faß (36) und seine Frau Christina (39) nickt dazu.

Für ihren Traum hat das Ehepaar ihre festen Jobs bei Airbus und einem Bremer Stahlwerk aufgegeben. Sie haben ihr Haus verkauft, rund 1,4 Millionen in den Umbau eines ehemaligen Kasernengeländes in Dörverden an der Aller investiert. Dort haben sie Zäune hochgezogen, Gehege gebaut, ein hochmodernes Infotainment-Center eingerichtet, Seminarräume installiert, fünf teilweise arbeitslose Mitarbeiter eingestellt, sechs Wolfswelpen mit der Flasche großgezogen (“Sie waren zehn Tage alt, brauchten alle zwei Stunden die Flasche, 24 Stunden am Tag”), ihr neues Wohnhaus hochziehen lassen. “Es waren”, sagt Christina Faß, “die härtesten neun Monate meines Lebens.” Aber sie haben sich gelohnt.

Fünf Jahre verfolgten die Faß ihren Traum. Angefangen hatte er auf einer Reise durch Kanada. Dort sahen sie zum ersten Mal frei lebende Wölfe. “Die Tiere haben mich fasziniert”, sagt Frank Faß. Nach einem Besuch in einem kanadischen Wolfscenter reifte der Entschluss: “So etwas möchten wir auch machen.”

Zurück in Deutschland schrieben die Faß Konzepte, wälzten Fachbücher, machten eine Weiterbildung in Sachen Tierhaltung, sprachen mit Biologen, Behörden, Landräten, Bürgermeistern, Banken. Sie beantragten EU-Fördergelder und Gründungszuschüsse der Bundesagentur für Arbeit, suchten lange einen geeigneten Standort. Da traf es sich gut, dass in Dörverden die Bundeswehr einen Standort geschlossen hatte, dass der kleine Ort dringend Investoren suchte, und dass der Bund dieses Gelände verkaufen wollte.

Von den Genehmigungen der Gelder bis zur Eröffnung des Wolfcenters im Sommer 2010 hat es noch zweieinhalb Jahre gedauert. Ausdauer haben sie gebraucht, Mut, Überzeugungskraft und den festen Willen, es zu schaffen. “Manchmal hatten wir schon großen Frust, weil es so lange brauchte, das Ziel zu erreichen. Aber dann hat der eine den anderen wieder motivieren können”, erinnert sich Christina Faß, die in den Jahren auch noch Mutter von Tochter Marieke wurde.

Sich selbstständig machen, ein eigenes Unternehmen gründen – davon träumen in Deutschland immer mehr Beschäftigte. Aber der Schritt dahin ist kein Zuckerschlecken. Viele Hürden sind zu nehmen. Und wer sich aus der Not heraus selbstständig machen will, etwa um einer drohenden Arbeitslosigkeit zu entgehen, hat meist keine guten Aussichten. 

Nach einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hängt der Erfolg eines Unternehmens von den Motiven der Gründer ab. Je stärker der Wunsch sein eigener Chef zu sein, je intensiver die Verfolgung der eigenen Geschäftsidee, je ausgefeilter die Suche nach einer Marktlücke, desto wahrscheinlicher sei der Erfolg eines neuen Unternehmens. 

Fazit: Wer hoch motiviert ist, ohne Druck handelt, sich Zeit lässt, der schafft es auch. So zeigt die neueste Statistik, dass 81 Prozent der jungen Unternehmer auch nach drei Jahren noch selbstständig waren. Nur fünf Prozent erreichten ihr Ziel nicht.

Für Frank und Christina Faß ist das Wolfcenter in Dörverden nicht nur eine neue Existenz, ein neuer Arbeitsplatz. Es ist jetzt auch ein Leben mit Zukunftsängsten, Erschöpfung, Bilanzen und Zukunftsplanung.
26.000 Besucher haben seit der Eröffnung vor sechs Monaten die Wölfe in freier Natur beobachtet. “Bei 50.000 Besuchern im Jahr schreiben wir eine schwarze Null“, hat Frank Faß gerechnet. „Das sollte in 2011 möglich sein.” Und er hofft, dass in fünf Jahren jährlich bis zu 100.000 Besucher nach Dörverden kommen. Dann könnte er die Schulden fast abbezahlt haben.

Er hat vier Ferienzimmer für Gäste gebaut, die über Nacht die Wölfe beobachten wollen. Jetzt im Januar hat er die Gastronomie in seinem Wolfcenter übernommen, vermietet seine Räume an Seminar-Teilnehmer. Noch in diesem Jahr will er anfangen, auf seinem Gelände zwei weitere Wolfs-Gehege zu bauen. “Mit niedrigeren Zäunen, so dass die Besucher noch näher, aber dennoch ungefährdet an den Tieren sind.”

Er will mehr Hinweisschilder auf das Wolfcenter anbringen. “Wir haben jetzt die Genehmigung, eines an der Autobahn aufstellen zu dürfen.” Und er hofft, nach der Erweiterung des Centers noch mehr Mitarbeiter einstellen zu können.

Frank Faß trägt heute grün-braune Arbeitskleidung mit dem Wolfcenter-Logo, statt Anzug und Krawatte wie früher bei Airbus. Er arbeitet heute von 9 bis 22 Uhr. Viele Stunden mehr als bei Airbus. Er blickt schon weit in die Zukunft, hat noch viele Ideen. “Das ist wohl Voraussetzung, dass ein Unternehmen wächst.” Sehnsucht nach dem alten, sicheren Job bei Airbus? “Keine Sekunde”, sagt Frank Faß. Und seine Frau Christina nickt. “Unser neues Leben ist einfach toll.”

Sich selbstständig machen

Die Agentur für Arbeit vergibt unter bestimmten Voraussetzungen einen Gründungszuschuss für Arbeitslosengeld I –Empfänger. Der Gründungszuschuss ist so hoch wie das Arbeitslosengeld und kann für 9 Monate bezogen werden. Hinzu kommen 300 Euro für die soziale Absicherung, denn Selbständige müssen sich selbst krankenversichern. Diese 300 Euro können unter Umständen noch weitere 6 Monate gezahlt werden. Bezieher von Arbeitslosengeld II können beim Schritt in die Selbständigkeit mit dem sogenannten Einstiegsgeld vom Jobcenter gefördert werden. Wie hoch das Einstiegsgeld ist, hängt von den individuellen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen ab. Wer sich mit dem Gründungszuschuss oder dem Einstiegsgeld fördern lassen will, sollte rechtzeitig Kontakt zur Arbeitsagentur / zum Jobcenter aufnehmen. Wichtig: eine fachkundige Stelle (IHK o.ä.) muss die Tragfähigkeit der Gründungsidee positiv bewerten.

Autor: Redaktion/ Bundesagentur für Arbeit