Mit Job-Speed-Dating will die Arbeitsagentur langwierige Bewerbungsprozesse umgehen

Felicitas Reiser (28) aus Köln bemüht sich um einen Job. Die diplomierte Industrie-Designerin ist seit sieben Monaten auf Arbeitsuche und jetzt „hoch motiviert“. / copyright: Bundesagentur für Arbeit
Felicitas Reiser (28) aus Köln bemüht sich um einen Job. Die diplomierte Industrie-Designerin ist seit sieben Monaten auf Arbeitsuche und jetzt „hoch motiviert“.
copyright: Bundesagentur für Arbeit

Köln, Aachener Straße 999, das RheinEnergieStadion an einem Dienstag. Dort, wo sonst die Bundesliga-Kicker vom 1. FC antreten, füllen sich an diesem Morgen die Parkplätze. 900 langzeitarbeitslose Menschen aus der Kölner Region treten an zum ersten und größten Job-Speed-Dating des Jahres.

Der “Flirt für eine neue Stelle” hat zunehmend Erfolg

Es herrscht Gedränge, angespannte Atmosphäre, überall aufgeregte Gesichter – jeder Teilnehmer hat nur zehn Minuten Zeit, um sich bei einer Firma um einen neuen Job zu bewerben. Da muss alles schnell gehen. Die Zeit läuft.

In der Club Lounge und den Zentrallogen des Stadions warten knapp 70 Firmen und ihre Personal-Manager nach Branchen aufgeteilt auf die Bewerber. Versicherungen, Gastro Betriebe, Personal-Dienstleister, Gebäudereiniger, Möbelhäuser, Sicherheitsdienste. Warenhausketten, Textilunternehmen, Kindertagesstätten, Supermärkte bieten an diesem Tag eine Vielzahl von Jobs an.
Kurzes Händeschütteln. Dann geht es an den Tischen sofort zur Sache. Woher? Wie alt? Warum arbeitslos? Welche Ausbildung? Welche beruflichen Zukunftsvorstellungen? Warum gerade diese Firma? Etwa 600 Sekunden hat der Arbeitssuchende, um sich ins rechte Licht zu stellen. An dem Nebentisch sieht man die Konkurrenz erzählen. Hinter einem wartet der nächste Kandidat. Der kommt dran, wenn ein Gongschlag das Ende der Gesprächsdauer über Lautsprecher verkündet.

Veranstalter des Castings für Arbeitslose ist die ARGE Köln in Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit Köln. Und der Kurzzeit-Kontakt zwischen Job-Suchenden und Firmen ist eine der erfolgreichsten Experimente in 2010, arbeitslose Menschen wieder in den Job zu bringen. Seit Jahresanfang gab es diverse Job-Speed-Datings: In Chemnitz suchte man Ingenieure und Techniker, in Gütersloh Azubis, in Hamburg LKW-Fahrer, in Dortmund nur Akademiker. Und es werden immer mehr Veranstaltungen geplant.

Zwar existieren noch keine Gesamtzahlen über erfolgreiche Vermittlungen fürs Bundesgebiet. Dafür ist das Job-SpeedDating noch zu neu. Doch BA Vorstand Heinrich Alt nennt es zu Recht einen „Erfolgsschlager“. So konnte die ARGE in München beim ersten Casting fast die Hälfte von 1.300 Arbeitssuchenden vermitteln. Natürlich nicht sofort auf der Stelle, sondern „im Umfeld der Veranstaltung“.

In 600 Sekunden zum neuen Job

Denn beim Speed-Dating geht es nicht allein „um sofortige Vermittlung, sondern um schnelle Kontaktaufnahme“, wie BA Vorstand Alt erklärt. Den Erfolg bringen das Kennenlernen und die möglichen Chancen auf ein längeres und erfolgreiches Vorstellungsgespräch.

Sonja Chikakli (43) aus Köln, gelernte Industriekauffrau, ist seit neun Monaten ohne Arbeit. Sie geht nach über fünf Stunden zufrieden und optimistisch nachhause, auch wenn es nicht sofort mit einem Job-Angebot geklappt hat. Ihr Eindruck: „Ich habe einige interessante Kontakte gehabt. Es war ein gutes Training, um mich in kürzester Zeit auf mein berufliches Ziel zu konzentrieren. Das Job-Speed-Dating ist eine gute innovative Idee. Und zumindest jetzt sieht es so aus, dass es mit dem einen oder anderen Anbieter etwas werden kann.“
Sonja hat im Vorfeld des Kölner Datings Bewerbungsseminare absolviert und Motivationstraining bekommen, gelernt wie sie sich möglichst knapp, aber gekonnt vorstellt. „Das hat mir schon sehr geholfen“, sagt sie. Denn nur der, der sich selbst gut verkaufen kann, profitierte am Ende vom Job-Speed-Date. Aber das ist bei jeder Art Vorstellungsgespräch so.“

Zufrieden mit ihrer „Performance“ ist auch Helene Weber (57) aus Köln. Die ehemalige Groß- und Außenhandelskauffrau ist seit zehn Jahren arbeitslos. Zuletzt hat sie als Sicherheits-Fachkraft gearbeitet. Eigentlich ist sie nicht mehr leicht zu vermitteln. Aber das Speed-Dating hat ihr gefallen. „Ich habe drei Mal gesagt bekommen: Sie hören von uns. Das stimmt mich doch sehr optimistisch nach so langer Zeit ohne Arbeit.“

Tatsächlich haben die ARGE Veranstalter die Erfahrung gemacht, dass Schwächen in den Bewerbungsschreiben durch das persönliche Vorstellungsgespräch häufig „korrigiert“ werden können. Beim Speed Dating hat jeder diese Chance.

Nach der Mittagspause (Imbiss und Getränke sind frei) bemüht sich Felicitas Reiser (28) aus Köln um einen Job. Die diplomierte Industrie-Designerin ist seit sieben Monaten auf Arbeitsuche und jetzt „hoch motiviert“. Sie findet die Atmosphäre im Fußballstadion „gelöst“, das schnelle Vorstellungsgespräch „sehr effizient“, das Ergebnis nach vier Stunden „toll“. Von 13 Firmen, denen sie sich präsentieren konnte, haben ihr acht eine feste Zusage zu einem erweiterten Gespräch gegeben. „Und die anderen haben mich gebeten, weitere Unterlagen einzuschicken. Super.“

Erst gegen Abend ist die Kölner Großveranstaltung beendet. Die meisten sind zufrieden mit dem Tag. Und die Ergebnisse aus dem Bewerbungs-Marathon beweisen: Viele Bewerber konnten durch ihren persönlichen Eindruck punkten. Insgesamt wurden 3.522 Bewerbungsgespräche geführt. Fast jeden Dritten haben die Personal-Manager anschließend als für die Stelle „gut geeignet“ bewertet. In etwa 600 Fällen wurden die Bewerber zu einem Intensiv-Gespräch ins Unternehmen eingeladen, knapp 2.000 Mal forderten sie ausführlichere Unterlagen an. „Einige Kandidat/innen konnten sogar noch am selben Tag mit einer verbindlichen Jobzusage nach Hause gehen“, so Klaus Müller-Starmann, Geschäftsführer der ARGE Köln.

Müller-Starmann rechnet damit, dass etwa 20 Prozent der Teilnehmer/innen dadurch eine Arbeitsstelle finden werden. „Wir werden diesen Weg auf alle Fälle weiter gehen – unsere Kunden haben die faire Chance auf einen Job einfach verdient.“

Die kommenden Job Speed Datings in 2011 erfährt man im Internet über die Homepages der regionalen ARGEn, in der Regional-Zeitung, bei den AA-Beratern und unter www.arbeitsagentur.de

Autor: Redaktion/ Bundesagentur für Arbeit