Kommentar: Die AfD hat sich nach dem Bundesparteitag in Köln endgültig disqualifiziert

Kommentar: Die AfD hat sich nach dem Bundesparteitag in Köln endgültig disqualifiziert - copyright: CityNEWS / Christian Esser
Kommentar: Die AfD hat sich nach dem Bundesparteitag in Köln endgültig disqualifiziert
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Während draußen über zehntausend Menschen in Köln am Heumarkt demonstrierten, trafen sich AfD-Delegierte nur wenige Meter davon entfernt im Maritim Hotel zum Bundesparteitag. Was von dem Wochenende übrig bleibt? Ein Kommentar.

Wohin man auch schaute – es wimmelte von “Men in Black”. Über 4.000 Polizisten schirmten das Tagungshotel hermetisch ab und sicherten die gesamte Kölner Innenstadt. Die Proteste auf den Straßen rund um den Kölner Heumarkt verliefen zum größten Teil friedlich. Zwei Beamte wurden verletzt, insgesamt gab es nur einige wenige wirkliche Gefahrenmomente, an denen die Stimmung zu kippen drohte. Insgesamt eine gute Bilanz, die die Einsatzkräfte für sich verbuchen können. Köln kann also auch wieder “Großdemonstration”, auch wenn die Innenstadt und der Verkehr nahezu lahm gelegt wurden. Das war in der jüngeren Vergangenheit der Stadt nicht immer so, man erinnere hier nur an Eskalationen bei HoGeSa-Demonstrationen.

Friedliche Demonstranten sind die wahren Gewinner

Die Proteste auf den Straßen rund um den Kölner Heumarkt verliefen zum größten Teil - bis auf wenige Ausnahmen - friedlich. - copyright: CityNEWS / Christian Esser
Die Proteste auf den Straßen rund um den Kölner Heumarkt verliefen zum größten Teil – bis auf wenige Ausnahmen – friedlich.
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Auch wenn die Zahl der Demonstranten geringer als erwartet war, sind dennoch sie die wahren Gewinner eines Wochenendes in Köln im Ausnahmezustand. Am Samstag, verteilten sich im gesamten Stadtgebiet mehr als 25.000 Demonstranten. So lauschten am Inneren Grüngürtel / Aachener Weiher mehr als 15.000 Teilnehmer den Klängen der Bläck Fööss, Brings oder Höhner und feierten ein Volksfest. Am Heumarkt versammelten sich ebenfalls mehr als 10.000 Demonstranten, welche ihre Stimme erhoben gegen eine Partei, die offensichtlich wichtige Grundlagen dieses Landes kippen will.

Polizei riegelt das Maritim Hotel hermetisch ab. - copyright: CityNEWS / Christian Esser
Polizei riegelte das Maritim Hotel hermetisch ab.
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Selten hat ein Parteitag die Gemüter so sehr bewegt, wie der AfD-Bundesparteitag am vergangenen Wochenende in Köln. Schon vor Monaten hatte Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker der Partei deutlich signalisiert, was sie davon hält, dass die AfD hier in Köln tagen will. Tatsächlich muss man das auch als absolute Provokation seitens der rechtspopulistischen Partei auffassen. Die AfD wollte OB Reker daraufhin über Gesetzeswege einen Maulkorb anlegen, scheiterte aber damit. Der Bundesparteitag konnte nicht verhindert werden. Bündnisse wie “Köln gegen Rechts” und “Köln stellt sich quer” riefen zu Großdemonstrationen auf. Die Polizei rechnete ursprünglich mit bis zu 50.000 Demonstranten in Köln. Die Anspannung war maximal.

Liberalismus aus AfD endgültig verschwunden

Frauke Petry gesteht vor versammelter Presse ihre Niederlage ein. - copyright: CityNEWS / Christian Esser
Frauke Petry gesteht vor versammelter Presse ihre Niederlage ein.
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Der Bundesparteitag der AfD mit 600 Delegierten im Maritim Hotel machte deutlich klar, dass die Partei wohl noch rechter ist, als vorher vermutet. Selbst die eigene Parteichefin Frauke Petry musste das akzeptieren. Schon recht früh am Samstag bei der Rede von Jörg Meuthen zeichnete sich ab, dass der “bürgerliche Korridor” der Partei kleiner ist, als Petry dachte. Stattdessen nähert sich die AfD inhaltlich immer mehr den “rechtspopulistischen” Äquivalenten in Westeuropa an, z.B. der französischen Front Nationale. Man folgt der Parteienentwicklung der anderen Vorbilder aus Westeuropa und wechselt entsprechend die gesteckten Feindbilder konsequent aus. Erst war es vor gut zwei Jahren unter dem damaligen Parteigründer Bernd Lucke Europa mit dem Euro, danach der Islam. Das Programm der AfD macht nun als großen Sündenbock ganz allgemein die “Einwanderung” aus, egal woher.

Im Eiltempo hat die AfD bezüglich des Feindbildes seine rechtpopulistischen Vorbilder eingeholt. Tauchte einst das Wort “Liberalismus” noch sehr oft in Wahlprogrammen der Partei auf, ist dieses heute kaum mehr zu finden. Und so erobern zunehmend Fremdenhass und Rassismus die Partei, z.B. dann, wenn Alexander Gauland in völkische Phantasien abschweift und seine Partei darauf einschwört einen “Bevölkerungsaustausch” in Deutschland verhindern zu wollen. Die in Deutschland herrschende Einwanderungspolitik stürze das Land ins Verderben. Der verzweifelte Versuch von Frauke Petry die Geschwindigkeit des Rechtsrucks der Partei noch weiter an den rechten Rand abzuschwächen, scheiterte am Ende kläglich. Die Partei vom Image einer Fundamentalopposition abzurücken, wurde von den Delegierten frühzeitig mit klarer Mehrheit abgeschmettert.

Partei formuliert klare Feindbilder

Alexander Gauland ist einer der Spitzenkandidaten für den Bundestagswahlkampf. - copyright: CityNEWS / Christian Esser
Alexander Gauland ist einer der Spitzenkandidaten für den Bundestagswahlkampf.
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Stattdessen formulierten die Delegierten ein Parteiprogramm mit deutlichen Feindbildern: dem Islam, oder eigentlich allem was nicht “deutsch” ist (was z.B. auch die Delegierten unterstützen, die einen Migrationshintergrund besitzen). Feste Abschiebequoten werden gefordert. Außerdem soll der Euro abgeschafft werden. Aus nostalgischen Gründen? Und auch den Journalisten soll es an den Kragen gehen, der sogenannten “Lügenpresse”. NRW-AfD-Chef Marcus Pretzell kündigte jedenfalls eine neue “politische Bildung” für Journalisten an, wie auch immer die nun aussehen mag. Die Möglichkeiten zur freien Berichterstattung durch Journalisten wurde auch bei diesem Parteitag der AfD massiv eingeschränkt.

Der rechtsnationale Alexander Gauland und Ökonomin Alice Weidel sind die neuen Spitzenkandidatin für den Bundestagswahlkampf der AfD. Weidel war erst in den letzten Tagen vor dem Parteitag zunehmend präsent gewesen. Sie scheint eine noch etwas “gemäßigtere” Kompromisskandidatin zu sein. Über sie ist bislang nicht viel bekannt. Im stillen Kämmerlein wird sich Björn Höcke, der dem Parteitag ferngeblieben ist, bzw. musste, ins Fäustchen lachen. Währenddessen kann sich die Partei nicht wirklich darauf einigen, wie rechts sie jetzt eigentlich ist. Eins ist klar: definitiv zu rechts!

AfD weiß nicht wer sie eigentlich ist

Der verzweifelte Versuch von Frauke Petry die Geschwindigkeit des Rechtsrucks der Partei noch weiter an den rechten Rand abzuschwächen, scheiterte am Ende kläglich. - copyright: CityNEWS / Christian Esser
Der verzweifelte Versuch von Frauke Petry die Geschwindigkeit des Rechtsrucks der Partei noch weiter an den rechten Rand abzuschwächen, scheiterte am Ende kläglich.
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Letztendlich untermauert die AfD mit diesem Bundesparteitag lediglich nur eins: Sie gleicht in ihren Ansichten immer mehr der NPD. Die ausgeprägten Strömungen ins rechte Umfeld sind mehr als deutlich. Der Unterschied ist im Prinzip nur noch marginal. Rassismus und Fremdenhass werden etwas “netter” verpackt und verkleidet. Doch hat sich dieses “Gebilde” am Wochenende endgültig disqualifiziert und unwählbar gemacht. Sie tritt zunehmend mit rassistischen Parolen und fremdenfeindlichen Ansichten auf und die sind durch und durch abstoßend. Darüber hinaus fehlt nach dem Bundesparteitag der AfD ein wirklich erkennbares Konzept. Das Wahlprogramm gibt das nicht her und die Linie der Parteiführung sowieso nicht. Der Trend nach rechts wird sich nach dem voraussichtlichen Rückzug von Frauke Petry aus der AfD-Führungsriege wahrscheinlich noch einmal verstärken.

In einer Stadtwie Köln haben Fremdenhass und Rassismus keine Chance

Der Bundesparteitag der AfD mit 600 Delegierten im Maritim Hotel machte deutlich klar, dass die Partei wohl noch rechter ist, als vorher vermutet. - copyright: CityNEWS / Christian Esser
Der Bundesparteitag der AfD mit 600 Delegierten im Maritim Hotel machte deutlich klar, dass die Partei wohl noch rechter ist, als vorher vermutet.
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Eine gewisse Pause wird sich Frauke Petry wegen ihrer Schwangerschaft wohl sowieso nehmen. Medial lässt sich das dann sicher gut verkaufen. Nach der klaren Niederlage beim Parteitag wolle sie den Bundestagswahlkampf erst einmal “beobachten”, teilte sie mit. Rechtsstaatlich konform ist die AfD in dieser Form in vielen Punkten nicht mehr. Doch die gescheiterten NPD-Verbotsverfahren zeigen auch, wie schwer es wäre diese Partei möglicherweise einmal zu verbieten. Die Politik bedient sich derweil noch des Begriffs der “Rechtspopulisten”. Bislang haben sich nur wenige Politiker weiter vorgewagt.

Doch wird die Demokratie in diesem Land mit dieser Herausforderung des Rechtspopulismus umgehen können? Das krampfhafte Zurücksetzen der Zeit oder sogar das Leugnen der eigenen Geschichte hat noch nie funktioniert. Und Fehler, die man einmal gemacht hat, macht man kein zweites Mal. Das haben die Demonstrationen am Samstag deutlich gezeigt. Sie zeigten, dass in einer Stadt wie Köln Fremdenhass und Rassismus keine Chance haben. Das funktioniert hier einfach nicht.

Was bleibt von diesem Wochenende in Köln zurück?

Die Demonstranten aus zeigten was sie von der AfD halten. - copyright: CityNEWS / Christian Esser
Die Demonstranten aus zeigten was sie von der AfD halten.
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Als Erkenntnis des Wochenendes bleibt, dass die AfD auch weiterhin nicht mitgestalten möchte. Von dem Grundgedanken des Parteigründers Bernd Lucke, ist nicht mehr viel übrig. Noch vor zwei, drei Jahren konnte sich die AfD unter dem Mantel des Liberalismus und freier Wirtschaft verstecken. Das hat sich komplett verändert. Die AfD, längst ohne Lucke, ist tief zerstritten und wird zunehmend ein Sammelbecken für Rechtsnationale und Rechtsradikale.

Fremdenfeindlichkeit und Rassismus haben die AfD erobert. Grundwerte wie Meinungs-, Presse-, und Religionsfreiheit scheinen nicht mehr vorzukommen oder spielen nur eine weit untergeordente Rolle. Die tausenden Demonstranten aus dem linken Milieu und der bürgerlichen Mitte zeigten am Wochenende in Köln, dass sie das nicht wollen. Sie haben den gewaltigen Rechtsruck der Partei in den letzten Jahren erkannt und warben für ein großes Miteinander der Menschen in Deutschland. Sie setzten ein deutliches Zeichen gegen rechtsnationale Strömungen in diesem Land.

Kölner Gastwirte protestierten mit Aktion „Kein Kölsch für Nazis“ gegen Rechts. - copyright: CityNEWS / Christian Esser
Kölner Gastwirte protestierten mit Aktion „Kein Kölsch für Nazis“ gegen Rechts.
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Gerade Kölner sind weltoffen – hier gelten: “Drink doch ene met” oder “Levve und levve losse”. Diese Sprüche und die rheinische Mentalität stehen stellvertretend für eine Kultur, die Mitmenschen dazu bewegt mitzumachen in der Gesellschaft, egal woher man kommt. Und das wird Tag für Tag in der Domstadt ausgelebt. Die Demonstranten haben das mit ihren Kundgebungen gegen rechts verdeutlicht. Sie waren an diesem Wochenende die wahren Demokraten dieser Bundesrepublik und hatten bei ihren Kundgebungen auch tatsächlich ein Konzept, das sie verfolgten. An mehreren Orten in der Stadt zeigten sich deutlich, dass nicht nur Köln bunt ist.


Ein Kommentar von Christian Esser

Christian Esser ist freier Journalist aus Köln. Für verschiedene Kölner Medien, u.A. für  CityNEWS und Die Wirtschaft Köln berichtet er vor allem über politische Geschehnisse in der Stadt. Er schreibt außerdem für das Wirtschaftsportal business-on.de und war für die Rheinische Post tätig. Darüber hinaus engagiert er sich ehrenamtlich im Deutschen Journalistenverband (DJV). Esser absolviert zurzeit ein Studium im Bereich “Journalismus und Unternehmenskommunikation” an der HMKW Köln.


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