“…und einen lokalen Kräuterschnaps, bitte!” Wer diese Order im Belgischen Viertel absetzt, bekommt mittlerweile mit ziemlicher Sicherheit eine ganz, ganz lokale Spezialität serviert: Köbes Kräuterbitter aus dem Hause van Laack.
Der Sekt- und Spirituosenhandel, ansässig an der Brüsseler Straße, stellt den Digestif mit dem markanten Köbes auf dem Etikett zwar schon seit den 50ern her. Seit einigen Jahren hat sich das Getränk in atemberaubender Geschwindigkeit zu einem Renner an der Theke und veritablen Szenegetränk entwickelt. Die Geschäfte führt Gisela van Laack, die den Betrieb erst spät, nach einer langen Karriere im EDV-Geschäft, übernommen hat. Wer sie mit ihrer 50 Jahre alten Sackkarre die Kneipen rund um den Brüsseler Platz beliefern sieht, weiß, warum sie sich gerne von globalisierten Marken wie Jägermeister absetzt. Im Gespräch erzählt sie Geschichten von Megazelten nach dem Krieg, Niedergang und Neuanfang, Public Viewing in der Garageneinfahrt und was ein Rasiersitzgetränk ist – und was nicht.
Die Familie van Laack ist nun schon in der dritten Generation mit Leib und Seele im Sekt- und Spirituosengeschäft. Schon früh stellte sich der Erfolg ein: Im ausgebombten Köln der fünfziger Jahre betrieb Werner van Laack Gastronomie in bis zu 3000 Personen fassenden Veranstaltungszelten. Größere Ereignisse fanden immer dort statt, weil entsprechende Säle nicht zur Verfügung standen. So tat sich ein idealer Vertriebsweg für Liköre und Schnäpse aller Art auf.
Er experimentierte und brachte schließlich mit dem Köbes vor etwa 50 Jahren einen Bitter auf den Markt, der sogleich seine Freunde fand. Für Einsteiger in das Reich der Kräuterschnäpse sei an dieser Stelle kurz erklärt, dass ein Bitter weniger als 100 Gramm Zucker pro Liter enthält. Daher schmeckt er weniger süß als die so genannten Halbbitter, zu denen neben Jägermeister und dem ebenfalls kölschen Kabänes auch italienische Marken wie Ramazotti und Averna gehören. Nebenbei macht er auch weniger Kopfschmerzen.
Der Köbes jedenfalls war neben dem van-Laack-Sekt und deutschen Champagnern der Stolz des Hauses und – was heute keiner mehr weiß – bis in die 70er Jahre in der Gastronomie weit verbreitet. Parallel hielt van Laack Vertriebslizenzen für weitere Spirituosen, schenkte an der Pferderennbahn aus und belieferte das halbe Rheinland mit Kohlensäure.
Als Werner van Laack in den 90er Jahren verstarb, führte seine Witwe das Geschäft fort. Erst zur Europameisterschaft 2008 erlebte der Köbes eine ungeahnte Renaissance. Aus den traditionell belieferten Kneipen und Fachgeschäften war er mittlerweile weitgehend verschwunden, die meisten Geschäftspartner des Vaters waren pensioniert oder verstorben. Als Gisela van Laacks Söhne auf der Brüsseler Straße die Garagentore zum Auslieferungshof öffneten und zum Public Viewing einluden, servierte die Gastgeberin zu jedem deutschen Siegtor eine Runde Köbes. “Die Szenegäste aus der Lichtstraße waren begeistert”, lacht sie noch heute bei dem Gedanken, “und dann kamen eben die Anfragen.” Auch heute ist die Zielgruppe erstaunlich jung: 20 bis 35 Jahre sind die meisten Konsumenten – und beiderlei Geschlechts.
Ihr Traum ist es, alle 4000 Kölner Gaststätten zu beliefern – natürlich nicht alle mit der Sackkarre, das schafft sie bereits heute nicht mehr. Viele Gastronomen holen selbst ab, direkt im Hinterhof an der Brüsseler Straße. Dass es – anders als zum Beispiel bei Killepitsch in der Düsseldorfer Altstadt – keinen aufwendig gestalteten Firmenladen gibt, verwundert manchen Käufer.
“Nach Karneval standen plötzlich die Leute bei mir vor der Tür, weil der Helmut Gote einen Artikel im Stadt-Anzeiger geschrieben hatte, und wunderten sich, dass es gar kein Geschäft gab”, erinnert sich Gisela van Laack.
Auch in Fachgeschäften ist das Getränk erhältlich – aber nicht im Supermarkt. “Wir haben da eine ganz klare Philosophie”, erklärt Gisela van Laack: “Wir sind nicht nicht auf Masse ausgerichtet. Wenn wir in großem Stil an Handelsketten verkauften, könnten wir nicht mehr so viel Sorgfalt auf die Herstellung verwenden. Der Köbes ist halt kein Rasiersitzgetränk”. Rasiersitzgetränk ist eine wunderschöne Vokabel aus der alten Zeit ohne Kopfstützen, als es als cool galt, im Auto den Kopf in den Nacken zu legen und einen 0,2-Flachmann in inem Zug zu leeren – wie auf einem Friseursessel.
Autor: Martin Henseler