Das China-Finanzmarktforum im Rahmen des Chinajahres Köln 2012 wagte den besonderen Blick in die Zukunft. Aus der Sicht Europas, der USA, und Chinas beleuchteten international ausgewiesene Finanzexperten und Wirtschaftsfachleute Unterschiede und Gemeinsamkeiten.
Ziel war es,
Chancen und Risiken zu erkennen sowie die Entwicklung und Veränderung
der Märkte abzuschätzen.
Moderiert wurde das China-Finanzmarktforum von Frank Sieren, Bestsellerautor und Chinakolumnist des Handelsblattes, der seit 18 Jahren in Peking lebt: “An
dieser Veranstaltung sieht man, wie schnell sich die Welt verändert.
Noch vor ein paar Jahren wäre niemand auf die Idee gekommen, ein
China-Finanzmarktforum zu organisieren, das sich mit der neuen
Weltwährung China beschäftigt. Dies hat übrigens nicht nur mit der
Stärke Chinas zu tun, sondern vor allem auch mit der Schwäche der
Volkswirtschaften, die hinter dem Euro und dem US-Dollar
stehen. Wir haben anders als China zu lange über unsere Verhältnisse
gelebt. Insofern müssen wir im Westen uns nicht wundern, wenn immer mehr
Geschäft – auch deutsches – in Yuan abgewickelt wird, weil wir unsere
Hausaufgaben nicht machen. Wer nun noch fragt, “was soll so eine
Veranstaltung?”, der hat eine der wichtigsten globalen Veränderungen
unserer Zeit noch nicht bemerkt. Der Übergang von einer zur anderen
Weltwährung ist nicht weniger als eine epochale Veränderung.”
Die Keynote zum Einstieg in die Veranstaltung hielt Stefan Baron,
freier Kolumnist, Kommunikationsberater und Mitglied des ersten
Deutsch-Chinesischen Dialogforums. Die Quintessenz seines Vortrages
fasst er wie folgt zusammen: “Der Yuan ist noch geraume
Zeit davon entfernt, zu einer echten Weltwährung zu werden. Geschweige
denn der neuen Leitwährung. Die Regierung in Peking strebt Letzteres
auch gar nicht an. Ihr Ziel ist vielmehr eine multi-polare Weltordnung,
in der China und der Yuan eine führende Rolle spielen, von niemandem
dominiert werden können, selbst aber auch nicht dominieren. Vor dieser
Perspektive muss sich niemand fürchten. Das Land hat in seiner langen
Geschichte nie einen universalistischen Anspruch vertreten, wollte nie
die Welt beherrschen, oder auch nur missionieren.”
Podium I: Der Euro
Die Konstruktionsmängel der Europäischen
Währungsunion beherrschen die Schlagzeilen und Ängste der Bevölkerung
und Märkte. Es müssen neue Spielregeln her, damit der Euro nicht
zerbricht, sondern gestärkt aus der Krise hervorgehen kann. Doch die
Zeit drängt.
Peter Jungen, Kölner Peter Jungen Holding GmbH, Governing Board Member des Institute for New Economic Thinking, New York: “Die
Probleme der Eurozone liegen vor allem darin, dass ab 1989/1990 der
“Euro” zu einem politischen Projekt wurde. Entscheidend aber ist, dass
die Maastricht-Kriterien nicht eingehalten worden sind, dass der
Stabilitäts- Wachstumspakt vor allem von Deutschland und Frankreich in
2003 verletzt und mehr oder weniger in seiner Wirkung zerstört wurde. Es
gibt nur zwei Möglichkeiten, die eine ist eine Fiskalunion, die andere
ist die Rückkehr zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien. Eine
Fiskalunion wird in den nächsten zehn Jahren oder noch länger nicht
zustande kommen. Deshalb ist die Einhaltung der Regeln, wie sie auch
jetzt im Fiscal Compact vorgesehen sind, unersetzlich. Der Druck auf die
Einhaltung der Regeln und verschärfte Sanktionen ist die einzige Chance
für die Mitgliedschaft in der Eurozone. Wer die Regeln nicht einhalten
kann, oder schlimmer noch, nicht einhalten will, kann auf Dauer nicht
Mitglied bleiben. Die Entscheidung der ECB,
unlimitiert Anleihen aufzukaufen, löst die Probleme an der Wurzel
nicht. Sie gibt lediglich etwas mehr Zeit. Es besteht allerdings die
große Gefahr, das dieses “mehr Zeit” auch von den Regierungen wiederum
nicht genutzt wird. Das Beispiel Griechenland zeigt, dass mehr Zeit
eigentlich immer mehr Geld kostet. Im Kern droht Europa bei der
Fortsetzung der derzeitigen Politik, also die weder kurzfristig eine
Fiskalunion erreicht noch die Einhaltung rigoros durchsetzt, ein
weiteres “durchwurschteln”. Dieses bedeutet für Europa das Risiko einer
verlorenen Dekade. Angesichts der dramatischen Veränderungen in der Welt
bedeutet das, dass der relative Abstieg Europas, insbesondere auch im
Verhältnis zu Asien, sich weiter fortsetzen wird.”
Dr. Daniel Gros Direktor des Centre for European Policy Studie, Brüssel, forderte neue Reglementierungen: “Die
Politik hat jetzt erkannt, dass der Euro ein stabiles Finanzsystem
braucht. Dazu bedarf es als ersten Schritt einer gemeinsamen
Bankenaufsicht, denn die Erfahrung hat gezeigt, dass nationale Behörden
die Probleme im eigenen Land fast immer zu spät erkennen (oder erkennen
wollen). Eine strikte Fiskalpolitik und verstärkte Strukturreformen
bleiben weiterhin unerlässlich. Aber nur mit einem stabilen Finanzsystem
wird die Zeit gewonnen, die notwendig ist, damit diese Reformschritte
auch wirken können. Die Aufgabenverteilung ist klar: Der ESM muss die Reformen einfordern und überwachen, ESM und EZB stabilisieren dann gemeinsam die Finanzmärkte.”
Podium II: Der US-Dollar
Noch ist der US-Dollar
die unangefochtene Weltwährung. Allerdings hat die Finanzkrise von 2008
ihre Spuren hinterlassen. Die führende Wirtschaftsmacht der Welt häuft
weiter Schulden an und der größte Gläubiger ist China. Wie lange können
die USA nach ihren eigenen Spielregeln weiter machen?
Frank Hübner, Chief International Economist, Sal. Oppenheim jr. & Cie ist skeptisch: “Wir leben in einer Zeit mit ausgeprägten politischen Zäsur-Risiken. In den USA
führt nicht zuletzt die fiskalpolitische Komplettblockade zu erhöhtem
Handlungsdruck für die amerikanische Notenbank. Diese Konstellation ist
mittelfristig mit beträchtlichen Stabilitätsrisiken verbunden. Die
Rückkehr zu einem (fiskal-)politischen Pragmatismus in der kommenden
Legislaturperiode ist dringend geboten.”
Auch Dr. Michael Heise,
Chefvolkswirt der Allianz und Leiter Econmic Reasearch and Corporate
Development, sah schwer kalkulierbare Variablen für die Entwicklung
der Märkte. “Die Weltwirtschaft hat sich nach der
Finanzkrise 2007/2008 sehr uneinheitlich entwickelt. In einigen
Volkswirtschaften bleibt die Erholung fragil, andere stecken erneut in
der Rezession. Bislang erweist es sich als sehr schwierig, die
Bedingungen für ein starkes, nachhaltiges und ausgewogenes Wachstum der
Weltwirtschaft zu schaffen, wie es das 2009 von der G20 auf den Weg
gebrachte gleichnamige Rahmenwerk vorsieht. Dies ist nicht unbedingt
verwunderlich, sind doch die Wirkungszusammenhänge und
Anpassungserfordernisse in den einzelnen Ländern außerordentlich
komplex. Entsprechend besteht ein breites Meinungsspektrum hinsichtlich
der zu ergreifenden Maßnahmen. Vor diesem Hintergrund sind Foren, wie
das China-Finanzmarktforum in Köln, auf jeden Fall zu begrüßen.
Kontroverse Meinungen treffen unmittelbar aufeinander und leisten damit
einen Beitrag zu einer informierten Diskussion. Auf diese Weise sollten
sich wertvolle Einsichten für unternehmerische Planungsprozesse ergeben.”
Podium III: Der Yuan
Wird der Yuan den US-Dollar
als Leitwährung ablösen? Anfangs völlig unterschätzt, traut man der
Währung Chinas heute so einiges zu. Aber dafür müsste auch noch einiges
geschehen. Bisher ist der Yuan nicht frei handelbar, Chinas Wirtschaft
ist auf den Export fokussiert. Ein völlig neues globales Finanzsystem
mit neuen Regeln müsste aufgebaut werden. So einfach wie der bisherige
Aufstieg wäre dies alles sicherlich nicht zu realisieren.
Hu Shuli, Chefredakteurin des Chinesischen Finanzwochenmagazins Caixin: “Die
Komplexität der Eurokrise verlangt nach einer umfassenden Lösung.
Niemand hat die Antworten auf all die Fragen, aber Sichtweisen aus China
können eine neue Perspektive eröffnen. China teilt einige der
ökonomischen und finanziellen Probleme, die andere Nationen
verunsichern. China hat aber auch seine eigenen Kopfschmerzen. Es gibt
keine einfache Lösung, aber zusammen können wir nach neuen Mechanismen
suchen, die unsere Finanzsysteme sicherer, effektiver und effizienter
machen. Und in diesem Prozess sehen wir China einen Rollenwechsel
vollziehen: Vom Lerner zum aktiven Player.”
Autor: Redaktion/ Stadt Köln/ Ähzebär un Ko e.V.