Aktualisiert: 17.06.2017, 10:30 Uhr: Seit Jahrzehnten ist der Neumarkt mit seinen anliegenden Plätzen und Straßen ein beliebter Treffpunkt und Umschlagort der Kölner Drogen-Szene. Laut der Stadt verstärkt sich die Lage seit Anfang 2004 zunehmend – beinahe täglich muss die Polizei eingreifen. Ein Drogenkonsumraum, der den öffentlichen Missbrauch von Drogen mit all seinen Begleiterscheinungen an einem geschlossenen und kontrollierten Ort verlagern kann, soll hier Abhilfe schaffen und die Lage vor Ort entschärfen.
Geplant ist ein umfassendes Angebot, das neben den Räumen zum Konsumieren auch ein Café, Möglichkeiten zum Waschen sowie professionelle Beratung und medizinische Versorgung bieten soll. Die Kosten hierfür belaufen sich voraussichtlich auf 800.000 Euro jährlich.
Das Gesundheitsamt sucht nun nach einer geeigneten Immobilie, in der das Vorhaben gemäß der Drogenkonsumraumverordnung des Landes NRW, umgesetzt werden kann. Sinnvoll scheint eine Mietlösung in Neumarktnähe, ein Standort in der Nähe des aktuellen Treffpunkts der Abhängigen macht die Nutzung attraktiver. Zum bereits betriebenen Drogenkonsumraum des Sozialdienstes katholischer Männer (SKM Köln) am Kölner Hauptbahnhof, der etwa 1,5 Kilometer entfernt liegt, zieht es von der Szene am Neumarkt niemanden.
Bürger bemängeln fehlenden Dialog zum Thema Drogen
Die Bürgerinitiative Zukunft Neumarkt, in der sich Anwohner und Geschäftstreibende nun zusammengetan haben, befürchtet durch die geplante Einrichtung eine Verschlimmerung der aktuellen Lage. In den Seitenstraßen um den Neumarkt seien bereits jetzt Spritzen und andere Abfälle auf der Straße und in Hauseingängen keine Seltenheit. Durch einen Drogenkonsumraum, so fürchtet man, würden weitere Drogenabhängige angezogen und das aktuelle Problem vom Neumarkt in die anliegenden Seitenstraßen verlagert.
Selbstverständlich müsse man Hilfe anbieten, so die Initiative, jedoch nicht auf Kosten der Wohnqualität und der Existenz anliegender Geschäfte, die um ihren Ruf fürchten. Vor allem aber wird mangelnde Transparenz und fehlender Dialog bemängelt.
Stadt Köln plant “Runden Tisch” zum Neumarkt
Bereits am 15. Mai 2017 hatte die Stadt Köln unter Leitung des Gesundheitsdezernenten Dr. Harald Rau mit Vertretern von Suchthilfeträgern, Polizei und Ordnungsamt zu einer ersten Informationsveranstaltung für Anwohner über das Drogenhilfekonzept und den damit verbundenen Drogenkonsumraum eingeladen.
Hier äußerten Anwohner und Geschäftstreibende ihre Befürchtungen und den generellen Eindruck, dass der Neumarkt als Stadtraum vernachlässigt würde. Die Problemlagen am Neumarkt sollen nun gemeinsam mit Vertretern von Bürgern, verschiedenen Ämtern und der Polizei an einem “Runden Tisch” erörtert werden. “Die Sorgen der Anwohner zur Situation nehme ich sehr ernst und ihre Ideen sind für die Weiterentwicklung des Neumarkts hilfreich”, so Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker zu ihrer Entscheidung, gemeinsam mit den Anwohnern eine Lösung für die drängendsten Probleme zu entwickeln, die den Neumarkt insgesamt aufwertet.
Fest steht, dass die Stadt auch an anderen Brennpunkten Drogenkonsumräume einrichten wird, sodass ein umfassendes und flächendeckendes Angebot entsteht, welches sich nicht nur auf den Neumarkt, sondern die gesamte Stadt erstrecken soll. Stadtverwaltung und Stadtrat versprechen sich hiervon eine grundliegende Verbesserung der Drogenproblematik in Köln.
Die Erfahrungswerte des in Düsseldorf bereits über zehn Jahre betriebene Drogenkonsumraum zeigen, dass viele Befürchtungen unbegründet sind. Eine Verbesserung der Aufenthalts- und Lebensqualität an einem vergleichsweise stark genutzten Drogentreffpunkt durch eine kontrollierte Anlaufstelle konnte hier nachgewiesen werden, wie ein Vertreter der Düsseldorfer Drogenhilfe bei der Informationsveranstaltung am 15. Mai 2017 erklärte.
Unabhängig vom geplanten “Runden Tisch” strebt das Kölner Gesundheitsamt weitere Informationsveranstaltungen rund um das Thema und die Problematik an. Ein erster Termin soll noch vor den Sommerferien anstehen.
Weltweit erster Drogenkonsumraum in der Schweiz seit Jahrzehnten in Betrieb
Projekte, Drogenkonsumenten in extra hierfür vorgesehene Einrichtungen zu integrieren, gab es bereits in den 1970er Jahren. Das Aufkommen von AIDS in den 80ern verstärkte das Bestreben, dem Konsum bereits abhängiger Konsumenten, einen kontrollierten Rahmen zu geben, der Sicherheit und Hygiene bieten sollte, um das Infektionsrisiko wegen des häufig praktizierten Spritzentauschs zu vermeiden. Bereits 1986 wurde der erste Drogenkonsumraum weltweit in Bern eröffnet. Erst 1994 folgte Deutschland dem Beispiel der Schweiz und eröffnete den ersten Konsumraum der Bundesrepublik in Hamburg. Bis heute besteht lediglich in den Ländern Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, NRW und dem Saarland eine Erlaubnisverordnung für den Betrieb von Hilfsangeboten dieser Art.
Neben der medizinischen Versorgung und dem Sicherstellen hygienischer Standards gehören zur Zielsetzung auch immer, die Belastung der Öffentlichkeit durch liegengelassene Spritzen, Tablettenblistern oder anderem anfallenden Abfall zu reduzieren, sowie die Möglichkeit, die Konsumenten für weitere Hilfsangebote zu begeistern, die den Austritt aus der Szene fördern.
UPDATE 17.06.2016: Zweite Informationsveranstaltung für Anwohner zum geplanten Hilfeangebot
Im Nachgang zur ersten Informationsveranstaltung am 15. Mai 2017 erreichten die Verwaltung viele Fragen von Bürgern. Die Stadt Köln lädt daher erneut die Anwohner sowie anliegende Geschäftsinhaber zu einer Informationsveranstaltung am Montag, 3. Juli 2017, 19:30 Uhr, in die Stadtbibliothek (Zentralbibliothek, Veranstaltungsraum im Erdgeschoss), Josef-Haubrich-Hof 1, 50676 Köln ein. Einlass ist ab 19 Uhr.
Dr. Harald Rau, Beigeordneter für Soziales, Integration und Umwelt, sowie Dr. Anne Bunte, Leiterin des Gesundheitsamtes, werden an diesem Abend das Drogenhilfeangebot gemeinsam mit Vertretern der Ordnungspartnerschaft (Gesundheitsamt, Ordnungsamt der Stadt Köln und Polizei Köln) sowie in der Drogenhilfe tätigen Fachleuten erläutern und Fragen der Bürger beantworten.