Paleo-Diät und Laktoseintoleranz – bloß Phänomene unserer Zeit?

Paläo-Diät und Laktoseintoleranz – bloß Phänomene unserer Zeit? / copyright: J. Vogel / LVR-LandesMuseum Bonn
Paleo-Diät und Laktoseintoleranz – bloß Phänomene unserer Zeit?
copyright: J. Vogel / LVR-LandesMuseum Bonn

Paleo-Diät und Laktoseintoleranz – Dass es sich hierbei um mehr als nur Trends und Gesundheitswahn handelt, zeigt die Ausstellung “REVOLUTION jungSTEINZEIT” im LVR-LandesMuseum Bonn. Denn ein Blick in die Steinzeit gibt verblüffende Antworten!

Bis zum 3. April 2016 geben herausragende Funde und neue Forschungsergebnisse Auskunft über die Lebens- und Ernährungsweisen des Menschen vor rund 7.000 Jahren – mit überraschenden Ergebnissen.

Geht es um gesunde Ernährung, taucht in jüngster Zeit vermehrt der Begriff “Paleo” auf. Dahinter steht der Gedanke, sich ganz ursprünglich zu ernähren, eben wie die Jäger und Sammler der Altsteinzeit: viel Fisch, Fleisch (vom Wild), Gemüse, Beeren, Nüsse, Kräuter und Obst, keine Milch- und Getreideprodukte. Was viele für übertriebenen Gesundheitswahn halten, lässt sich jedoch historisch belegen. Antworten darauf geben die in Knochen und Zähnen von Steinzeit-Menschen eingelagerten Isotope. Sie zeigen den Archäologen, ob ein Mensch eher Fisch oder Fleisch verzehrte oder ob er viel oder kaum Getreide aß.

Ernährung im Wandel

Während der Mensch als Jäger und Sammler über 2 Millionen Jahre fettarmes Wildfleisch gegessen hat und mit wenig Salz und geringen Mengen Zucker auskommen musste, können wir unserem evolutionär verankerten Bedürfnis nach Fett, Salz und Zucker heute ungehemmt nachgehen. Doch wie kam es zu diesem einschneidenden Wandel der Ernährungsgewohnheiten?

“Die Veränderung setzt mit Beginn der Jungsteinzeit vor 10.000 Jahren ein”, erklärt Simon Matzerath, Kurator der Archäologischen Landesausstellung. „Denn erst seitdem unsere Vorfahren anfingen, als sesshafte Bauern zu leben, geriet das frühere Gleichgewicht in der Ernährung völlig durcheinander“, so Matzerath weiter. Mit gesundheitlichen Folgeerscheinungen: So ist etwa mit der Viehhaltung seit der Jungsteinzeit und dem vermehrten Verzehr von Tieren (z. B. Schweinen) das Herzinfarktrisiko gestiegen. Der der erhöhte Genuss von Getreide und die damit erhöhte Aufnahme von Kohlenhydraten führten zu Karies. Dass unsere Lebenserwartung trotz alledem zugenommen hat, liegt vor allem an besserer Hygiene und hochwertiger medizinischer Versorgung.

Laktoseintoleranz und Jungsteinzeit

Wie aber verhält es sich mit der Laktoseintoleranz – ein Krankheitsbild, von dem immer mehr Menschen heute betroffen zu sein scheinen? Forschungen zeigen, dass dies kein Symptom unserer Zeit ist. So waren bereits die ersten Bauern im Neolithikum laktoseintolerant. Das belegen Gen-Analysen an Knochen. Diese Unverträglichkeit von Milchzucker machte sich bemerkbar, als die Menschen auf Ackerbau und Viehzucht umsattelten und Milchwirtschaft betrieben. Einige starben damals durch den Kontakt mit dem neuen Lebensmittel, weil der Körper nicht in der Lage war, das tierische Produkt zu verdauen. Blähungen und Durchfall sind die Folge. Milchzucker befindet sich vor allem in Kuhmilch. Die Milch von Schaf und Ziege war hingegen jederzeit für den Menschen genießbar. Doch um die Kuhmilch verdauen zu können, haben die ersten Bauern Mitteleuropas zu einem Trick gegriffen: Sie sonderten die milchzuckerhaltige Molke weitgehend ab und produzierten Käse, der weitaus verträglicher war. Erst eine Genmutation sorgte nach und nach dafür, dass die Menschen in Europa bis heute überwiegend laktosetolerant wurden. Diesem Phänomen geht die Archäologische Landesausstellung NRW auf den Grund. Die große Bonner Schau nimmt die wichtige Epoche der Jungsteinzeit, die Zeit der ersten Ackerbauern und Viehzüchter, in den Blick und beleuchtet neben den fundamentalen Veränderungen, die die Sesshaftwerdung des Menschen mit sich brachte, auch die Ernährungsweise unserer Vorfahren, die sich in dieser Zeit rasant änderte.

Die große Schau “REVOLUTION jungSTEINZEIT” spannt den Bogen vom Vorderen Orient bis ins heutige Nordrhein-Westfalen, das zu einer der besterforschten Regionen der Jungsteinzeit in Europa zählt. Herausragende Funde und neue Forschungsergebnisse geben Auskunft über die vielschichtigen Prozesse dieses grundlegenden gesellschaftlichen Wandels und lassen spannende Bezüge zu unserer modernen Lebensweise heute erkennen. Dabei nimmt die Ausstellung erstmals brennende Fragen und gesellschaftliche Herausforderungen unserer Zeit in den Blick – von Überbevölkerung und Überschussproduktion bis hin zum Klimawandel. Diese jungsteinzeitliche “Revolution”, die im 11.-8. Jahrtausend v. Chr. im Vorderen Orient einsetzt, ist zugleich Ausgangspunkt für viele soziale und technische Innovationen, aber auch Probleme der Gegenwart.

Die Archäologische Landesausstellung 2015 steht unter der Schirmherrschaft der Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, Frau Hannelore Kraft.

Die Archäologische Landesausstellung NRW “REVOLUTION jungSTEINZEIT” ist bis zum 3. April 2016 im LVR-LandesMuseum Bonn zu sehen, Öffnungszeiten Dienstag bis Freitag sowie Sonntag 11-18 Uhr, Samstag 13-18 Uhr, Montag geschlossen.

Weitere Infos unter: www.revolution-jungsteinzeit.de

Autor: Redaktion / LVR-LandesMuseum Bonn