Nach der Silvesternacht 2015/16 musste das Thema Sicherheit in der Domstadt neu definiert werden. Die Polizei Köln hat reagiert und sich im operativen Bereich besser aufgestellt. Heute – eineinhalb Jahre nach den verheerenden Ereignissen – hört man zuversichtliche Töne.
Weniger Straftaten und höhere Aufklärungsquote – so lautet das Fazit der Kriminalitätsstatistik 2016 für die Städte Köln und Leverkusen. CityNEWS wollte die Gründe für die positive Entwicklung erfahren und sprach mit Stephan Becker, dem Chef der größten Kriminalpolizei in Nordrhein-Westfalen mit rund 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Straftaten um sechs Prozent zurückgegangen
CityNEWS: Die Polizei Köln hat sich nach den Silvester-Übergriffen neu aufgestellt. Inwiefern?
Stephan Becker: Wir haben im Wesentlichen zwei Dinge getan: Wir haben zum einen die Polizeipräsenz deutlich erhöht. Das sieht man vor allem rund um den Dom. Aber auch in den Veedeln sind wir präsenter, denn wir wollen Kriminalität nicht nur verdrängen, sondern insgesamt reduzieren. Zum anderen haben wir zusätzliche Ermittlungsgruppen eingerichtet, die gegen Banden ermitteln, die besonders viele Straftaten begehen.
CityNEWS: Zahlen sprechen mehr als Worte: Was können Sie schwarz auf weiß belegen?
Stephan Becker: Die Straftaten in Köln und Leverkusen sind im letzten Jahr um über sechs Prozent zurückgegangen. Das entspricht über 10.400 Fällen weniger. Gleichzeitig konnten wir die Aufklärungsquote um vier Prozent auf über 47 Prozent erhöhen. Das zeigt: Wir sind auf einem guten Weg!
CityNEWS: Wo steht die Polizei Köln anhand dieser Zahlen im bundesweiten Vergleich?
Stephan Becker: Ich kann Köln nur zu anderen Metropolen in Beziehung setzen. Sonst würde ich Äpfel mit Birnen vergleichen. Auf dem Land stellen sich Kriminalität und Kriminalitätsbelastung anders dar, unter anderem weil dort eine andere Sozialstruktur herrscht. Zurück zu Ihrer Frage: Verglichen mit Städten wie Berlin, Leipzig, Hannover oder Frankfurt ist bei uns die Kriminalitätshäufigkeit geringer. Mit Hamburg liegen wir in etwa gleichauf.
CityNEWS: Vor welchen Problemen steht die Polizei in Metropolen?
Stephan Becker: Die soziale Kontrolle ist insgesamt niedriger und es gibt deutlich mehr Tatgelegenheiten. Köln ist Touristenmetropole, Messe- und Eventstadt. Das lockt viele Gäste in die Stadt, aber eben auch viele Täter, die hier leichte Beute wittern. Die Kölner Ringe sind dafür ebenso ein Beispiel wie der Karneval als Großereignis. Sowohl auf den Ringen als auch an Karneval gab es zuletzt aber deutlich weniger Straftaten.
Wachsende Kriminalität gegen Senioren
CityNEWS: Wo gibt es noch Probleme bei Ihrer täglichen Arbeit?
Stephan Becker: Die stark wachsende Kriminalität zum Nachteil von Senioren ist unser aktuelles Sorgenkind.
CityNEWS: Woran liegt das?
Stephan Becker: Zum einen haben wir eine älter werdende Gesellschaft und zum anderen werden die Täter immer raffinierter.
CityNEWS: Können Sie einige typische Maschen beschreiben?
Stephan Becker: Enkeltrick, Glas-Wasser-Trick oder Handwerkertrick sind ziemlich bekannt. Die aktuelle Masche ist es, sich als falsche Polizeibeamte auszugeben.
CityNEWS: Wie funktioniert das?
Stephan Becker: Bei den Betroffenen erscheint die Nummer 110 auf dem Display und viele Senioren sehen das als Beweis an, dass sie es tatsächlich mit der Polizei zu tun haben. Ihnen wird vorgegaukelt, ihr Hab und Gut sei in Gefahr. In der Folge händigen sie den falschen Beamten freiwillig Schmuck und Geld aus. Die echte Polizei ruft nie unter der 110 an.
Prävention, Aufklärung und Mitarbeit sind gefragt
CityNEWS: Was tun Sie dagegen?
Stephan Becker: Speziell für ältere Menschen wurde das Seniorentelefon eingerichtet. Per Bandansage wird über aktuelle Arbeitsweisen von Trickdieben und Betrügern informiert. Im Rahmen einer Kooperation mit dem Freien-Werkstatt-Theater Köln und dem Sozialwerk der Polizei haben wir außerdem ein Theaterstück entwickelt, in dem schauspielernde Senioren echte Fälle als Opfer und Täter nachspielen.
CityNEWS: Welche Präventionsangebote gibt es noch?
Stephan Becker: Wir bieten Beratungen zu unterschiedlichen Themen bei uns im Präsidium an, so zum Beispiel zum Schutz vor Einbrüchen. Aber auch neuere Themen wie den Schutz vor Cyberkriminalität greifen wir auf.
CityNEWS: Kann da jeder teilnehmen?
Stephan Becker: Ja. Einfach bei uns anrufen und anmelden. Das Ganze ist kostenlos.
CityNEWS: Drehen wir den Spieß mal um. Wo kann die Bevölkerung die Polizei in puncto Sicherheit unterstützen?
Stephan Becker: Für uns ist es sehr wichtig, dass die Menschen bereit sind, uns anzurufen. Wenn also jemand etwas Auffälliges bemerkt, was ihm verdächtig vorkommt, wünschen wir uns einen Anruf unter 110. Das ist kostenlos. Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig.
Polizei Köln: No-go-Area ist ein No-go-Begriff!
CityNEWS: In der Bevölkerung herrscht derzeit Unsicherheit: Können Sie die Begrifflichkeiten “Gefährliche Orte” und “No-go-Areas” voneinander Abgrenzen bitte?
Stephan Becker: Der Begriff “No-go-Area” ist an sich schon ein No-Go. Das wären ja rechtsfreie Räume. Die gibt es bei uns und auch sonst in NRW nicht. Bereiche, in denen das Kriminalitätsaufkommen deutlich erhöht ist, kann die Polizei unter bestimmten Voraussetzungen als “gefährlichen Ort” einstufen und hat dort dann erweiterte gesetzliche Befugnisse.
CityNEWS: Ist der Rheinboulevard so ein gefährlicher Ort?
Stephan Becker: Nein. Das war er nie und das wird er auch nicht werden. Die Polizei Köln und auch die Stadt sind hier sehr aufmerksam.