Als besonders großen Erfolg wird das Theater am Dom das aktuelle Stück “achterbahn” verbuchen können. Das Verwirrspiel des Autors Eric Assous um den Mitvierziger Pierre und die viel jüngere, facettenreiche Juliette wird 25.000 Menschen ins Theater gelockt haben. CityNEWS sprach mit den Darstellern.
CityNEWS: Könnten Sie vielleicht für die Leser, die das Stück noch nicht kennen, dessen Handlung zusammenfassen?
Volker Brandt: Zu viel darf man da nicht verraten… Ich spiele einen älteren Herrn, der in einer Bar eine jüngere Dame mit nach Hause schleppt um mit ihr ein Abenteuer zu erleben. Seine Frau ist mit dem Sohn im Skiurlaub, also lädt er die Dame in seine Wohnung ein. Er glaubt, an seinem Ziel angelangt zu sein, als er bemerkt, dass seine neue Bekanntschaft eine Prostituierte ist. Zuerst will er nicht zahlen, ist geizig, versucht dann zu feilschen. Nachdem sie sich geeinigt haben, erklärt die Frau, sie sei in Wirklichkeit Journalistin, die das nur tut, um in Ihrer Zeitschrift zeigen zu können, mit welcher Tour verheiratete Männer immer wieder Frauen verführen. Bis dahin hat er schon so viel getrunken, dass er einschläft.
Alexandra Kamp: Er weiß am nächsten Morgen nichts mehr, doch die vermeintliche Journalistin lässt ihn im glauben, die Nacht mit ihr gemeinsam verbracht zu haben.
Volker Brandt: Er glaubt das zuerst nicht, dann glaubt er es doch, dann wird er unsicher…
Alexandra Kamp: Deswegen heißt das Stück auch ganz passend “achterbahn”. Er erlebt eine emotionale Achterbahnfahrt nach der anderen und selbst der Zuschauer, der irgendwann meint nun zu wissen, wohin die Reise geht, wird später doch noch eine Überraschung erleben.
Volker Brandt: Ja, die Spannung hält bis zum Schluss, die Pointe ist nicht vorhersehbar.
CityNEWS: Ist es besonders schwierig zwei Stunden zu zweit auf der Bühne zu stehen?
Volker Brandt: Ja, das ist schon schwierig. Man kann ja sogar Stücke alleine spielen. Aber schwierig ist das schon.
Alexandra Kamp: Wir haben übrigens keine Souffleuse, spielen also ohne Auffangnetz.(lacht) Viele Theaterhäuser müssen in dieser Hinsicht sparen.
Volker Brandt: Alexandra ist sehr hilfsbereit, wenn ich mal nicht weiter weiß.
CityNEWS: Da wird also zwischendurch auch improvisiert?
Alexandra Kamp: Jeder kann den Text des Anderen. Ich kann seinen, er kann meinen. Wenn einer von uns beiden einen Hänger hat, dann sagt der andere den Text und verpackt ihn so, als wäre es sein eigener… (lacht)
CityNEWS: Herr Brandt, sie spielen als Pierre die Rolle des Ekelpakets. Er ist im Begriff seine Frau zu betrügen, protzt mit seiner tollen Wohnung und mit seiner beruflichen Position. Trotzdem wird Pierre immer mehr zum Sympathieträger. Wie funktioniert das?
Volker Brandt: Er ist ein kein klassischer Fremdgänger, er meint er brauche viele Frauen, viel Abwechslung und klopft große Sprüche gegen die Treue. Da gibt es immer Leute, die das lustig finden. Andere denken “Ach du meine Güte, was ist denn das für ein riesen Arsch”. Manche sind auch einfach nur peinlich berührt. Erst ab dem Augenblick, in dem Pierre das erste mal einen draufbekommt, sind die Zuschauer erleichtert. Genau wie ich, denn ab dem Zeitpunkt, an dem ich die erste Watsche bekomme, fühle ich mich viel wohler.
Alexandra Kamp: Und eben weil er immer wieder auf die Mütze bekommt, weil er genauso wenig wie das Publikum weiß, woran er eigentlich bei dieser Frau ist, bleibt er trotz der vielen betretenen Gesichter zu Beginn des Stückes Symphatieträger.
CityNEWS: Wenn man das Verhalten, das die Rolle Pierre an den Tag legt, klischeehaft als typisch männlich bezeichnet, ist dann die Vorgehensweise der weiblichen Rolle Juliette typisch weiblich?
Alexandra Kamp: Sie ist vor allen Dingen sehr französisch.
CityNEWS: Herr Brandt, beim durchstöbern Ihrer Biografie stieß ich auf ihre Zusammenarbeit mit Gustav Gründgens. Als ich daraufhin nochmal nach Ihrem Geburtsdatum schaute…
Volker Brandt: Ja, ich bin 75 Jahre jung. Noch gestern habe ich die Dokumentation “Hitler und die Briefeschreiber” gesehen. Da ging es halt darum, was die Leute Hitler geschrieben haben – zum Geburtstag und so. Das sind alles solche Dinge, die ich noch kenne, die ich miterlebt habe. Ich kenne die Flucht, ich kenne die Pferdewagen vom Osten gen Westen . Und ich kenne den Heinrich George, den Vater von Götz. Er hat damals auch einen solchen Brief geschrieben “Unserem Führer gratulieren wir alle vom Schillertheater Berlin, wünschen ihm noch viele gute Tage…” Und dann hat er das Glas Wein genommen, hat es getrunken und dann nach rechts und links hochgehalten. Damals war es in Hotels noch üblich, dass es in den Fahrstühlen Liftboys gab. In Marienbad, da habe ich ihn öfter in den Fahrstuhl begleitet und ihn hoch und runter gefahren. Fünf Reichsmark habe ich dafür bekommen – und das war damals eine Menge Geld.
CityNEWS: Welchen Wandel haben Sie in dieser langen Zeit, in der Sie nun schon beim Theater sind, erlebt?
Volker Brandt: Einen totalen. Früher waren gute Schauspieler an guten Theatern. Heute spielen Anfänger auf großen Bühnen, Regisseure, die noch niemals etwas inszeniert haben, inszenieren plötzlich Opern und niemand lernt mehr richtig zu sprechen.
Die Regisseure machen was sie wollen mit den Stücken. Da werden dann Sätze einfach umgeschrieben. Manchmal werden 90 Prozent eines Stückes einfach wegradiert, kleine Rollen werden zu großen. So etwas wäre früher gar nicht denkbar gewesen, da musste jedes einzelne Komma geachtet werden. Jetzt ist die Theaterwelt für mich nicht mehr in Ordnung.
CityNEWS: Und das Publikum? Hat sich das verändert?
Volker Brandt: Sehr sogar. Damals sind die Leute zum Theater gepilgert, es war ihnen heilig. Sie haben sich dazu schön angezogen und sich die Haare gemacht. Das findet man heute eigentlich nur noch in kleineren Städten. Mittlerweile ist es so, dass die Theater ums Überleben kämpfen. Da sitzen manchmal 300 Personen im Zuschauerraum, der für 1800 Personen gebaut wurde. Mit diesem Stück hier läuft es außergewöhnlich gut, das werden am Schluss über 25.000 Menschen gesehen haben.
CityNEWS: Frau Kamp, wenn Sie die Bühne betreten, dann geht ein leises “Wow” durch das Publikum…
Alexandra Kamp: (lacht) Das liegt wahrscheinlich an meinen 12 cm hohen Hacken. Manch einer fragt sich laut hörbar wie ich damit das ganze Stück überstehen will…
Volker Brandt: Darauf muss man erst mal laufen können. Viele andere Frauen sehen darauf aus wie Pinguine.
Alexandra Kamp: Gerade deshalb ist es mir wichtig tagsüber nur flache Gesundheitsschuhe zu tragen. Tatsächlich trage ich diese Schuhe ja nur im ersten Teil des Stückes, da sich Juliette ja im Laufe des Abends in ein sehr bodenständiges Mädchen verwandelt. Das ist für eine Schauspielerin ein echtes Geschenk, in diesem Zeitraum so viele Rollen und Facetten spielen zu dürfen.
CityNEWS: Ursprünglich kommen sie beide vom Theater, haben sich aber ja auch noch anderweitig orientiert. Arbeiten Sie lieber für das Fernsehen oder im Theater?
Volker Brandt: Das kann man gar nicht sagen. Beides hat halt sein Vor- und Nachteile. Wenn ich jetzt beim Drehen bei fiesem Wetter drei Stunden warten muss, um dann fünf Sätze sagen zu können, dann komm ich doch lieber hierher ins Theater. Andererseits ist man dann halt auch nicht im Fernsehn. Da habe ich aber auch genug Zeit verbracht, die Fernsehwelt hat sich sehr verändert un
d ich bin nun wieder im Theater angekommen.
Alexandra Kamp: Ich wollte wieder verstärkt Theater spielen. Nach meiner sechsstündigen “Sexus”-Lesung beim internationalen Theaterfestivals in Bielefeld und beim internationalen Literaturfestivals in Berlin war es umso schöner, als ich diesen Sommer die Anfrage für die Nibelungen-Festspiele bekam. Dort spielen zu dürfen fühlt sich an wie ein Ritterschlag. Darauf kam dann die Anfrage hier aus Köln und eine weitere aus Stuttgart. Außerdem laufen gerade vier Filme mit mir auf internationalen Filmfestivals. Neben den Aufführungen, die ich hier jeden Abend am Theater am Dom spiele, drehe ich hier tagsüber noch einen Abschlussfilm einer jungen Kölner Filmsstudentin. Ich denke, das Geheimnis ist es da einfach überall am Ball zu bleiben, dann lässt sich auch alles gut kombinieren. Ich möchte weder das eine noch das andere missen.
CityNEWS: Was machen Sie in Köln, wenn Sie gerade nicht Theater spielen?
Volker Brandt: Ich habe hier nebenbei noch Synchronisation und Lesungen gemacht. Damit bin ich dann schonmal von neun bis drei Uhr beschäftigt. Danach wird gekocht, das mache ich immer selber. Ansonsten war ich noch im Museum Ludwig, da gibt es gerade eine ganz tolle Fotoausstellung mit alten Aufnahmen. Außerdem gibt es hier einen ganz besonderen Blumenladen, in dem man ganz außergewöhnliche Schmetterlinge und die wirklich schönsten Käfer erwerben kann. Da kann ich einfach nicht dran vorbeigehen.
Alexandra Kamp: Ich erkunde gerne die Stadt zu Fuß und habe mittlerweile ein Gefühl für die Straßen von Köln, wie ich es in Berlin wohl nie bekommen werde. Ich nehme dann meinen Schrittzähler mit – jeder gesunde Mensch sollte ja pro Tag mindestens 10.000 Schritte laufen, und das halte ich wirklich ein.
CityNEWS: Gibt es eine Rolle, die Sie in Ihrer weiteren Laufbahn noch ganz besonders gerne spielen möchten?
Volker Brandt: Genau das hat mich Gründgens mal gefragt. Ich wollte gerne den Don Karlos spielen. Als ich ihm das sagte, erwiderte er, dass diese Rolle schon mit jemand anderem besetzt sei. Dann wollte ich dieses und jenes, aber alles war schon anderweitig besetzt. Aber wie kommt die Jungfrau zum Kind? Eine Rolle wollte ich überhaupt nicht spielen. Ich habe es trotzdem gemacht und es hat prima gepasst. Manchmal muss man halt auch weg von der Rolle, wie man Sie bislang immer gesehen hat und sein eigenes Ding daraus machen. Da wird dann ein kränklicher Jüngling halt zu einem etwas heitereren jungen Mann.
Alexandra Kamp: Ich würde gerne noch mehr klassische Frauenrollen spielen, wie zum Beispiel Ibsens Nora, Marie Stuart oder die Antigone.
CityNEWS: Das Stück läuft ja nur noch bis zum 7. November. Wer sollte es sich jetzt in dieser Wochen noch ansehen?
Alexandra Kamp: Alle, die noch Restkarten bekommen, denn wir sind eigentlich ausgebucht. (lacht)
Autor: CityNEWS Ina Laudenberg