Der Karnevalsknigge – Unser Buch-Tipp

Feiern - aber richtig! / copyright: © tm-photo - Fotolia.com
Feiern – aber richtig!
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Wie man sich beim Straßenkarneval verhalten soll verät das Buch “Der Karnevalsknigge” von Helga Resch. Was also müssen Sie wissen, bevor Sie sich nach Köln begeben, um Karneval zu feiern? Wie lauten die Hauptregeln des karnevalistischen Knigge?

Und es gibt nur eine Erscheinungsweise: im Kostüm und in einer Gruppe.Planung ist hier die halbe Miete, und als Anfänger darf man sich nicht darauf verlassen, dass sich irgendetwas ergeben wird. (Darauf vertraut noch nicht mal der echte Jeck.) Gewisse Punkte müssen im Vorfeld beachtet und geklärt werden, und gewisse Regeln müssen internalisiert sein.

  1. Als Anfänger sollten Sie NIE versuchen, allein oder zu zweit zu feiern, denn das macht keinen Spaß. Verabreden Sie sich mit einer Gruppe, in der sich mindestens ein Kölner befindet. Es muss kein gebürtiger Kölner sein, ein karnevalserprobter Zugezogener tut es auch. Sollte das nicht möglich sein, schließen Sie sich mit Leuten zusammen, von denen Sie wissen, dass man gut mit ihnen feiern kann.
  2. Kommen Sie nicht nur für einen Tag. Gerade als Anfänger braucht man eine gewisse Zeit, um den Kulturschock zu überwinden. Kommen Sie Weiberfastnacht an, und zwar vormittags.
  3. Verkleiden Sie sich, denn um nicht außen vor zu bleiben, muss man sich – auch äußerlich – der Umgebung anpassen.
  4. Lassen Sie allen unnötigen Ballast zu Hause. Geld und Schlüssel in der Hosentasche, viel mehr braucht man nicht. Nehmen Sie bloß keine Taschen oder Rucksäcke mit, denn die kommen leicht abhanden. Handys sind sinnlos, denn zum Telefonieren ist es zu laut. Sie werden Kneipen betreten, in denen sich so viele Menschen befinden, dass Sie das Wort Gedränge völlig neu definieren müssen.
  5. Auch wenn Sie von diversen Veranstaltungen gehört haben, die man sich ansehen sollte, hecheln Sie nicht von Termin zu Termin. Sie müssen die Eröffnung des Karnevals auf dem Altermarkt nicht miterleben – das tun die meisten Kölner auch nicht.
  6. Suchen Sie sich lieber eine Kneipe. Die Wahl ist von entscheidender Wichtigkeit. Auch wenn Sie mit dem Zug ankommen und das Gefühl haben, hier ist was los: Entziehen Sie sich dem Dunstkreis der Altstadt und der Innenstadt, dort finden Sie nur Auswärtige, die Karneval feiern möchten, ohne zu wissen, wie man das macht. Begeben Sie sich in Stadtteile wie das Belgische Viertel, Sülz, Ehrenfeld, Nippes oder die Südstadt. (Das gilt nicht für Rosenmontag. Aber an Rosenmontag sollen Sie ja auch nicht ankommen.)
  7. Essen Sie etwas Deftiges: Sie brauchen eine Grundlage.
  8. Stecken Sie Ihren Kopf durch die Tür einer Kneipe, in der schon Stimmung zu herrschen scheint. Wenn Sie das Gefühl haben, dort wird gefeiert, gehen Sie hinein. Gehen Sie zunächst an die Theke, und kaufen Sie eine Runde Kölsch, d. h. versorgen Sie alle mit Bier, die mit Ihnen gekommen sind.
  9. Jetzt kommt das Wichtigste: Machen Sie sofort mit. Karneval ist keine intellektuelle Leistung, sondern kommt aus dem Bauch, darauf muss man sich einlassen. Bleiben Sie locker, und hören Sie auf, sich selbst zu beobachten. Trinken und schunkeln Sie, singen und tanzen Sie mit! Machen Sie das, was alle tun. Wenn sich einer bei Ihnen einhakt, schütteln Sie ihn nicht ab, sondern lächeln Sie ihn an. Wenn Ihnen einer ein Kölsch über den Arm schüttet, lachen Sie und sagen Sie, das macht nix. Singen Sie mit, auch wenn Sie die Lieder (noch) nicht können. Nerven Sie die Mitfeiernden nicht durch permanente Fragen nach dem Text. Wundern Sie sich nicht, dass manche Leute alle Lieder mit allen Strophen auswendig können. Fragen Sie sie nicht, warum sie das können. Wer jedes Jahr an allen Tagen feiert, kann das. Versuchen Sie lieber, davon zu profitieren, und lesen Sie ihnen von den Lippen ab.
  10. Auch wenn es eng wird: Lassen Sie keine klaustrophobischen Anfälle zu. Es ist in einer Kneipe noch niemand erdrückt worden. Wenn es Ihnen zu eng wird, gehen Sie nicht hinaus, um Luft zu schnappen. Sie kommen dann nämlich nicht mehr rein.
  11. Fragen Sie sich nicht, ob so viel Bier gesund ist und ob Sie am nächsten Tag noch sprechen können. Das ist irrelevant.
  12. Erst wenn Sie gar nicht mehr können, gehen Sie hinaus, um Luft zu schnappen. Vielleicht ist die Gruppe auf der Straße ja noch netter als die, mit der Sie gekommen sind. Gehen Sie dann wieder hinein. Es dürfte mittlerweile so spät sein, dass das kein Problem mehr ist.
  13. Verabreden Sie sich, bevor Sie endgültig nach Hause gehen, d. h. in der gleichen Nacht, mit Ihrer Gruppe für den nächsten Tag. Oder wann Sie miteinander telefonieren. Wenn es Ihnen in einer Kneipe gefallen hat, gehen Sie am nächsten Tag wieder dorthin. Es geht nicht darum, möglichst viel zu sehen, sondern möglichst viel zu feiern.

Wenn Sie diese Regeln beherzigen und auswendig lernen, werden Sie sich im Karneval weder verloren fühlen noch verloren gehen und nie wieder unangenehm auffallen. Mit der Zeit werden Sie vom Anfänger zum Jeck mutieren. Sie werden nie mehr während des Rosenmontagszugs fragen, wann denn die Prinzessin kommt, Sie werden voller Inbrunst schmettern, dass Köln die schönste Stadt der Welt ist, und in diesem Moment sogar daran glauben, Sie werden nie mehr ein Kölsch nur für sich kaufen, Sie werden nie mehr im Kostüm zur Galasitzung gehen, und Sie werden voller Trauer sein, weil am Aschermittwoch alles vorbei ist.

Helga Resch: Der Karnevalsknigge. Feiern wie die echten Kölschen (c) 1999, 2010 by Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln.
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