Mit 20 ohne Job – welche Chancen auf Arbeit gibt es?

Arbeitsmarkt-Expertin Heidi Heinzerling bei ihrer Arbeit. / copyright: Bundesagentur für Arbeit
Arbeitsmarkt-Expertin Heidi Heinzerling bei ihrer Arbeit.
copyright: Bundesagentur für Arbeit

Etwa 1,5 Mio. junge Erwachsene haben keinen richtigen Berufsabschluss, jeder 7. Jugendliche besitzt nicht die formellen Voraussetzungen für einen Job. Was können Betroffene tun, um doch noch einen Arbeitsplatz zu finden? Was sollten Schüler und ihre Eltern unternehmen, wenn kein Ausbildungsplatz gefunden ist?

Das erklärt hier Arbeitsmarkt-Expertin Heidi Heinzerling (50). Sie absolvierte das 2. Staatsexamen für das Höhere Lehramt in den Fächern Geschichte und Sozialkunde. Seit 20 Jahren ist sie in der Aus- und Weiterbildung, auch im Auftrag der Arbeitsagenturen, tätig. Sie leitet das Job Zentrum der “afg worknet GmbH” in Hamburg – mit verschiedenen Angeboten zu Vermittlung, Coaching und Qualifizierung, wie z. B. das “Open House” – Vermittlungs-Angebote für Arbeitssuchende – und “mitnmang, Initiative für Arbeit – 50plus” sowie Weiterbildungsmaßnahmen.

Das Lehrstellen-Angebot war schon im letzten Jahr knapp. Es wird in diesem Jahr nicht besser sein. Was sollen Schüler und ihre Eltern tun?

Heidi Heinzerling:
Sich umfassend informieren – und das Know How von Fachleuten nutzen. Alle Handwerks- und Handelskammern in den Städten haben ihre Beratungsangebote und Berufsbeschreibungen im Internet veröffentlicht. Zu den Angeboten gehören Einstufungstests, erste Vorstellungsgespräche und die Aufnahme in einen Bewerberpool. Bewerbungen werden sogar an Betriebe weitergeleitet. Und dann gibt es bundesweit die Berufsinformationszentren der Arbeitsagenturen, wo man alles über Lehrberufe erfährt und auch Angebote erhält. Es gilt: Wer sich tatkräftig informiert, hat gute Chancen auf eine passende Lehrstelle.

Aber reicht das alles schon? 

Heidi Heinzerling:
Nein! Ich rate zum eigenen Netzwerk. Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen der Eltern, die Mitschüler – jeder weiß meist etwas, wenn man herum erzählt, dass man eine Lehrstelle sucht. Viele Angebote werden nämlich unter der Hand vergeben. Und ich empfehle die Job-Messen und die Aktionen der lokalen Arbeitsagenturen für
Schulabgänger. Dort wird nicht nur informiert, sondern häufig gibt es auch gleich einen Bewerbungstermin für Interessierte.

Wie sollte eine Erfolg versprechende Bewerbung aussehen?

Heidi Heinzerling:
Bewerbungen sollten klar das Berufsziel beschreiben. Das Schreiben sollte möglichst individuell verfasst sein. Seine Interessen und seine Stärken darf man ruhig betonen. Gute Bewerbungstipps findet man auch auf den Webseiten größerer Zeitungen, SZ, FAZ, HA u.a.. Infos, welche Anforderungen gestellt werden und welche persönlichen Unterlagen man einreichen muss, stehen meist auf den Seiten der Firmen.

31 Prozent der Hauptschüler mit Abschluss haben auch 15 Monate nach Schulende noch keinen vollwertigen Ausbildungsplatz…

Heidi Heinzerling:
Mein Rat: Mutig sein, auf die Firmen zugehen. Zum Beispiel, indem man nach einem Kurzpraktikum fragt. Daraus kann sich häufig ein Lehrstellen-Angebot ergeben. Und wenn alles nicht klappt, sich bei der Agentur für Arbeit oder bei der ARGE nach geförderten Projekten erkundigen speziell für junge Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen Schwierigkeiten beim Übergang von der Schule in den Beruf haben.

Wenn man aber bei der Berufswahl unsicher ist?

Heidi Heinzerling: Man muss sich informieren. Kostenlose Perspektiven-Tests für die Berufsorientierung gibt es zum Beispiel bei der Allianz. Die Auswertungen zeigen persönliche Talente und Stärken auf und welche berufliche Perspektive besonders gut passt. Und gibt – zusätzlich zu den Angeboten der Handwerks- und Handelskammern sowie der Agentur für Arbeit – professionelle Berater, die ganz individuell auf die Stärken und Neigungen der Berufssuchenden eingehen und eventuell auch eine Lehrstelle vermitteln. Den Service muss man aber bezahlen.

Und wenn man mitten in der Ausbildung steckt und dann erst merkt, dasseinem der Beruf nicht liegt?

Heidi Heinzerling: Eines muss klar sein: Wer seine Lehre abbricht, hat keinen Anspruch auf eine bezahlte Umschulung. Umschulungen gibt es nur, wenn man den Beruf nach Ende der Lehre nicht ausüben kann. Also: Besser vor der Lehre informiert sein, was da auf einen zukommt.

Was tun, wenn man keinen Schulabschluss hat?

Heidi Heinzerling:
Es gibt Förderprogramme für ungelernte Jugendliche. Welche es sind, kann man bei der Beratung beim “Fall-Manager” in den Arbeitsagenturen oder bei den Mitarbeitern der Berufsinformations-Zentren erfahren. Viele Programme werden von der Agentur für Arbeit oder der ARGE bezahlt.

Haben Ungelernte überhaupt eine Chance im Berufsleben?

Heidi Heinzerling:
Ja, unbedingt. Wenn man als Ungelernter fünf bzw. sechs Jahre in einem Beruf gearbeitet hat, gibt es in allen handwerklichen und kaufmännischen Berufen gibt die Möglichkeit, eine Prüfung vor der Kammer abzulegen.

Und wenn man sich mit 25 verändern muss, weil der Arbeitsplatz gekündigt wurde. Was kann man dann noch tun?

Heidi Heinzerling:
Wir bieten ein “Open House” für alle Jobsuchende an. Einzige Voraussetzung: der Vermittlungsgutschein. Wir helfen bei Bewerbungen, prüfen und entdecken das Potential, erstellen ein Bewerbungsprofil, machen Mut bei der Jobsuche. Und wir versuchen, einen neuen Arbeitsplatz zu vermitteln. Die meisten finden mit unserer Hilfe nach drei bis vier Monaten wieder einen festen Job.

Autor: Redaktion/ Bundesagentur für Arbeit