Abschied vom Versorgungswerk Ehe

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Das nacheheliche Unterhaltsrecht wurde nach langjähriger Praxis grundlegend geändert. Insbesondere sollte der Grundsatz der Eigenverantwortung der geschiedenen Ehegatten gestärkt und die Gleichstellung der Lebensverhältnisse von ehelichen und nicht ehelichen Kindern eingeführt werden.

Über die gesetzlichen Änderungen und die neue Rechtsprechung soll nachfolgend ein Überblick verschafft werden. Unsere Rechtsexpertin Frau Rechtsanwältin Dr. Gabriele Pietko klärt auf.

1. Grundsatz der Eigenverantwortung der geschiedenen Ehegatten

Vor der Unterhaltsreform ist am Tag der Scheidung bei Vorliegen der Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten und bei Bestehen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten eine zunächst lang anhaltende und nahezu unbegrenzte Unterhaltsverpflichtung entstanden. Diese resultierte aus dem Gedanken der fortwirkenden nachehelichen Solidarität / Verantwortung für den bedürftigen früheren Ehegatten. Dies bedeutete in der Praxis, dass der finanziell besser gestellte Ehepartner, wenn ein Anspruch auf Unterhalt für den wirtschaftlich schwächeren Ehepartner bestand, mit unter bis zur Grenze des Zumutbaren den Unterhalt zu tragen hatte. Daraus entstand die (eher scherzhaft gemeinte) Formulierung „einmal Chefarztgattin – immer Chefarztgattin“. Diesem Ausdruck lag die Vorstellung zugrunde, dass die geschiedene Ehefrau eines Chefarztes oder eines anderen finanziell sehr gut gestellten Gatten nach der Scheidung weiterhin Anspruch auf denselben Lebensstandard zustand, den sie während der Ehe hatte.

Dieser Situation wollte die Reform u. a. mit der Stärkung des Grundsatzes der Eigenverantwortung entgegenwirken. Ob nun – finanziell sehr gut gestellt oder nicht – der geschiedene Ehegatte soll demnach alsbald nach der Scheidung lernen, finanziell „auf eigenen Beinen zu stehen.“ Der Grundsatz der Eigenverantwortung ist kein Novum, der mit der Unterhaltsreform neu eingeführt wurde. Er wurde bislang nur nicht schriftlich im Gesetz ausdrücklich festgeschrieben. Jedoch war die Rechtsprechung bereits seit längerem der Auffassung, dass eine lebenslange Garantie des während der Ehe bestandenen Lebensstandards generell nicht gegeben werden kann. Auch das Prinzip kurze Ehe – aber Verpflichtung zur lebenslangen Unterhaltszahlung – wurde damit aufgegeben.

Nach dem geltenden Gesetz heißt es nunmehr:
„Es obliegt jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Ist er dazu außerstande, so hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt nach den folgenden Vorschriften…“

Dies bedeutet, dass jeder Ehegatte nach der Scheidung nunmehr primär selbst für seinen Unterhalt sorgen muss. Durch die schriftliche Festschreibung im Gesetz ist es nun auch die Pflicht der Gerichte, den bedürftigen Ehegatten auf seine Eigenverantwortung hinzuweisen, bevor er an den geschiedenen Ehegatten herantritt.

2. Zeitliche Begrenzung und Beschränkung der Unterhaltsansprüche

Bis zu der Reform war es nur eingeschränkt möglich, den Unterhalt für den ehemaligen Ehepartner zeitlich sowie der Höhe nach zu begrenzen.

Diese restriktive Möglichkeit der Begrenzung der Unterhaltspflicht erschien dem Gesetzgeber nicht mehr zeitgemäß und so wurde neben dem Prinzip der Eigenverantwortung eine Vorschrift in den Gesetzestext aufgenommen, dass seit dem 01.01.2008 der Unterhalt herabzusetzen oder zu begrenzen ist, wenn die Voraussetzungen des Begrenzungstatbestandes vorliegen.

Nach der Änderung des Gesetzes, die eine zeitliche Begrenzung auf drei Jahre zumindest beim Betreuungsunterhalt oder auch eine zeitliche Begrenzung allgemein bei den anderen Unterhaltstatbeständen vorsieht, ist nun der zuständige Richter gesetzlich dazu angehalten, eine mögliche Unterhaltsbegrenzung zu prüfen.

Allerdings muss vorher eine umfassende Abwägung erfolgen, ob dem unterhaltsempfangenden Ehepartner während der Ehe sogenannte „ehebedingte Nachteile“ entstanden sind und die Herabsetzung des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt der Billigkeit widerspricht. Dazu werden insbesondere folgende Kriterien – jeweils von der Fallkonstellation abhängig – herangezogen:

  • die zum Zeitpunkt der Scheidung bestehende Ehedauer;
  • die wechselseitige Abhängigkeit der geschiedenen Partner und ihre persönliche und wirtschaftliche Verflechtung untereinander;
  • die aufgrund dessen oft bestehende Arbeitsteilung in der Weise, dass eine Gatte den Haushalt versorgt und die Kinderbetreuung übernommen hat und der andere einer Berufstätigkeit nachgegangen ist.

Nach der Abwägung dieser Aspekte muss das Gericht dann feststellen, ob die ehebedingten Nachteile für den unterhaltsbegehrenden Ehepartner vorliegen und ob diese durch eine zeitliche Befristung und / oder Herabsetzung des Unterhalts der Höhe nach Gefahr laufen, nicht ausgeglichen zu werden. Erst wenn das Gericht feststellt, dass keine ehebedingten Nachteile vorliegen oder dass sie anderweitig ausgeglichen wurden, kann es eine Begrenzung oder Befristung des Unterhaltes aussprechen.

Nach der neuen gesetzlichen Gestaltung kann also der geringer verdienende Ehegatte nicht auf Dauer an dem großzügigen Lebenszuschnitt des ehemaligen besser verdienenden Ehegatten partizipieren und muss sich auf das Leben einstellen, das er auch ohne gut finanziell situierten Ehepartner wahrscheinlich geführt hätte.

Der Bundesgerichtshof bezieht außerdem in seine Entscheidungen die Tatsache mit ein, dass der Unterhaltsanspruch nicht nur der Kompensation ehebedingter Nachteile dienen sondern zusätzlich auch der nachehelichen Solidarität, welche die geschiedenen Ehepartner immer noch gegenüber dem anderen haben sollten, Rechnung tragen soll. Diese Aspekte sollen bei einer Herabsetzung oder zeitlichen Begrenzung des Unterhaltes berücksichtigt werden. Außerdem können für den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt Vertrauensschutzgesichtspunkte zu einer „Schon- und Übergangsfrist“ für den Unterhaltsberechtigten führen.

3. Keine Rangfolge der geschiedenen Ehefrauen

In der Vergangenheit haben mehrere unterhaltsberechtigte Ehefrauen um den Unterhalt gestritten, da die Unterhaltsansprüche in ihrer Gesamtheit häufig so hoch waren, dass der Unterhaltschuldner nicht in der Lage war, allen Ansprüchen gleichzeitig gerecht zu werden. In den Fällen, in denen der Unterhaltszahlende der Ehegattin aus der ersten Ehe zum Unterhalt verpflichtet war und auch die neue Partnerin einen Anspruch auf Unterhalt hatte, musste die neue Gattin sich bei der Verteilung des Unterhaltes in der Rangfolge nach der früheren Ehefrau einordnen.

Dies bedeutete in der Praxis, dass – wenn das Einkommen des Unterhaltsverpflichteten nicht ausreichte, alle Unterhaltsansprüche zu erfüllen – die erste Ehefrau vorrangig den vollen Unterhalt erhielt und der neuen Ehefrau entweder der Betrag, der übrig geblieben war oder ihr gar kein Unterhalt geleistet wurde.

Eine solche Rangfolge ist nun nach der neuen Gesetzlage nicht mehr vorgesehen. Die erste Ehefrau wird bezüglich der Unterhaltszahlung der zweiten Ehefrau nicht mehr vorgezogen. Vielmehr müssen die Ehefrauen den Unterhalt unter sich aufteilen, wenn der Unterhaltsverpflichtete finanziell nicht in der Lage ist, allen Unterhaltsansprüchen gerecht zu werden.

Treffen die Unterhaltsansprüche der geschiedenen und der neuen Ehefrau zusammen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes der Unterhaltsbedarf jedes Berechtigten im Wege der Dreiteilung des Gesamteinkommens des Unterhaltsverpflichteten und beider Unterhaltsberechtigter zu ermitteln. Hierbei ist überdies der Vorteil aus dem steuerrelev anten Ehegattensplitting aus der aktuellen Ehe in das Gesamteinkommen mit einzubeziehen.

4. Nachehelicher Unterhaltsanspruch bei neuer verfestigter Lebensgemeinschaft

Die Gerichte haben im Laufe der Jahre eine Rechtsfigur entwickelt, die allgemein als sozioökonomische Lebensgemeinschaft bekannt ist. Die sozioökonomische Lebensgemeinschaft beschreibt genau die Situation, die viele unterhaltszahlende Expartner nicht nur emotional sondern auch finanziell schwer trifft: Der unterhaltsbeanspruchende Expartner lebt mit einem neuen Partner zusammen und hat dadurch regelmäßig natürlich auch erhebliche finanzielle Vorteile.

In solchen Fällen ist nunmehr nach der Reform der Unterhalt zu begrenzen, herabzusetzen oder zu versagen, wenn der Unterhaltsempfänger in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt.

Diese liegt dann vor, wenn sich die feste Beziehung durch objektiv nach außen tretende Umstände nach außen als neue Lebenspartnerschaft darstellt. Dies kann durch die gemeinsame Wahrnehmung von Terminen in der Öffentlichkeit geschehen, wie z.B. der gemeinsame Besuch von Familienfesten, die gemeinsame Haushaltsführung und / oder das Tätigen größerer gemeinsamer Investitionen, beispielsweise der Wohnungs- / Hauskauf. Als Eckpunkt geht die Rechtsprechung davon aus, dass eine solche Verfestigung spätestens nach zwei bis drei Jahren anzunehmen ist.

Dabei hat der Bundesgerichtshof in einem wegweisenden Urteil klargestellt, dass die Trennung als solche zwar nicht zu einem Ausschluss des Unterhalts führen muss, jedoch die Aufnahme eines auf Dauer angelegten intimen Verhältnisses zu einem anderen Partner und die gleichzeitige Inanspruchnahme des früheren Ehegatten auf Unterhalt grob unbillig sein kann.

Diese grobe Unbilligkeit wird angenommen, wenn der Unterhaltsberechtigte sich in der Weise widersprüchlich verhält, dass er auf der einen Seite sich aus der Ehe herauslösen möchte und auf der anderen Seite jedoch Unterhalt begehrt.

5. Anwendung des neuen Rechts auf „alte“ Ehen

Die vorgenannten gravierenden Gesetzesänderungen gelten auf jeden Fall für Unterhaltsfälle nach der Scheidung oder während der Trennungszeit, die seit dem 01.01.2008 bestehen.

Für Unterhaltsverfahren im Zuge der Scheidung oder Trennung, die vor dem 01.01.2008 entstanden sind, gelten die speziell für diese Fälle eingeführten Übergangsvorschriften. In diesen wird nun geregelt, wie solche „Altfälle“ zu behandeln sind. Demnach kann eine Änderung der Unterhaltshöhe bzw. Unterhaltsdauer gerichtlich unter bestimmten Voraussetzungen durchgesetzt werden. Dies ist dann der Fall, wenn sich nach dem 01.01.2008 die Umstände geändert haben, die nach neuem Recht zu einer anderer Regelung geführt hätten. Allerdings kann eine Änderung nicht herbeigeführt werden, wenn die Ehe vor dem 30.06.1977 geschieden worden ist, da vor diesem Zeitpunkt eine völlig andere Rechtslage galt.