Metropole mit Herz oder Schmerz? – Interview mit Dr. Norbert Walter-Borjans

Wirtschaftsdezernent Dr. Norbert Walter-Borjans: 'Es ist ein gutes Zeichen für die Qualität des IT-Standortes Köln, wenn so ein Player sich entscheidet, den deutschen Markt von hier aus zu erschließen.' / copyright: Volker Lannert/ ddp
Wirtschaftsdezernent Dr. Norbert Walter-Borjans: ‘Es ist ein gutes Zeichen für die Qualität des IT-Standortes Köln, wenn so ein Player sich entscheidet, den deutschen Markt von hier aus zu erschließen.’
copyright: Volker Lannert/ ddp

Dr. Norbert Walter-Borjans, hauptberuflicher Kölner Wirtschaftsdezernent mit Nebenjob Kämmerer, hat wenig zu lachen. In der Stadtkasse klafft ein großes Loch. Sparmaßnahmen stoßen auf harsche Kritik bei den Betroffenen. CityNEWS fragte genau nach und bekam reichlich Antworten im Interview.

CityNEWS: Herr Walter-Borjans, das dubiose Steuergeschenk der Regierung Merkel-Westerwelle an die Hoteliers hat Sie erfinderisch gemacht. Eine Kurtaxe soll den Steuerausfall kompensieren. Das wurde zunächst belächelt, brachte Ihnen den Spitznamen “Kurdirektor” ein und wird jetzt doch ernsthaft diskutiert. Aber eine Kurtaxe ohne Kurhaus – ist das überhaupt möglich?

Dr. Norbert Walter-Borjans: Mal ganz abgesehen davon, dass Köln ein Touristenmagnet ist und in Deutz sogar eine Naturtherme hat: Die „Kurtaxe“ war ein Arbeitstitel. Richtiger wäre es, von einer „Kulturtaxe“ zu sprechen. Es ging und geht darum, den Spielraum, der sich aus der Senkung der Mehrwertsteuer für Hotels und Pensionen ergibt, zu einem Teil auch den Bürgerinnen und Bürgern zukommen zu lassen.

CityNEWS: Welchen konkreten Zweck verfolgen Sie mit der “Kulturtaxe”?

Dr. Norbert Walter-Borjans: Das Geld für Steuergeschenke der Bundesregierung kommt ja nicht aus dem Orbit, sondern muss durch Leistungskürzungen an anderer Stelle bezahlt werden. Mit der Kulturförderabgabe könnten wir den drohenden Ausfällen bei der für die Attraktivität unserer Stadt so wichtigen Kultur entgegenwirken. Sonst ginge die Sicherung der Kulturstadt Köln zu Lasten von Schulsanierung, Straßenreparatur, Sauberkeit oder anderen für die Menschen ebenso wichtigen Aufgaben. Das wollen wir nicht.

CityNEWS: Mit der “Kulturtaxe” allein ist es nicht getan.

Dr. Norbert Walter-Borjans: Richtig. Die Hotelabgabe, die über 12 Mio Euro betragen kann, mindert lediglich das Steuergeschenk an die Hoteliers. Ich bin in dieser dramatischen Finanzlage, vor der alle Städte stehen, aber nicht für Schönwetterparolen zuständig. Deshalb sage ich: Wir müssen besser wirtschaften, Leistungen zurückfahren und höhere Kostendeckungsgrade anstreben. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass, das geht einfach nicht.

CityNEWS: Mit welchen Tabus müssen Sie kämpfen?

Dr. Norbert Walter-Borjans: Weder konkrete Einsparungen noch Einnahmeerhöhungen sollte man übers Knie brechen. Allein wenn ich sage, dass es keine Tabus geben darf, geht die Phantasie mit manchem Fragesteller durch und auch mit manchem, der sich dann als potenzielles Opfer sieht. Ich bleibe aber dabei. Für den Kämmerer sind Tabus der Anfang vom Ende jeder Haushaltskonsolidierung. Mit dieser Haltung sind wir in Gesprächen mit jedem städtischen Amt, um jede Leistung und ihre Vergütung auf Spielräume zur Gesundung des Haushalts abzuklopfen.

CityNEWS: Die nächste Tarifrunde im öffentlichen Dienst steht an. Ein Gesamtvolumen von fünf Prozent steht laut Ver.di im Raum. Gibt es überhaupt noch Spielraum angesichts der leeren Stadtkasse?

Dr. Norbert Walter-Borjans: Auch dem kann und will ich nicht vorweg greifen. Ich könnte es mir einfach machen und sagen: nein, es gibt keinen Spielraum. Aber die Haltung, auf keine Leistung verzichten, sie aber nicht angemessen bezahlen zu wollen und das stattdessen von den öffentlich Bediensteten auffangen zu lassen, ist nicht mein Ding. Eine Stelle im öffentlichen Dienst hat einen großen Vorteil: Sie ist ziemlich sicher. Aber damit kann man nicht alles begründen, sonst hätten wir nicht schon seit Jahren Probleme, gute Leute im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft für Jobs bei der Stadt zu begeistern.

CityNEWS: Ist Ihr Job des Stadtkämmerers ein undankbarer, bei dem man viel Medienschelte erntet?

Dr. Norbert Walter-Borjans: Ja. Aber er ist ungemein verantwortungsvoll und spannend. Und an die Rituale derer, die für sich eine Sonderbehandlung erwarten, gewöhnt man sich. Das würde mir fast schon fehlen. Schade finde ich nur, dass die Aufgaben des Wirtschaftsdezernenten mir bei dieser Doppelbelastung ein bisschen zu kurz kommen.

CityNEWS: Die Ernennung von Jörg Frank zum Stadtkämmerer ist am Widerstand des Regierungspräsidenten Hans Peter Lindlar gescheitert. Was glauben Sie, wann Sie sich wieder voll und ganz Ihrem eigentlichen Auftrag als Wirtschaftsdezernent widmen können?

Dr. Norbert Walter-Borjans: Sagen wir mal: so bald wie möglich…

CityNEWS: Gibt es für den Wirtschaftsdezernenten neue Prioritäten aufgrund der neuen Zusammensetzung im Kölner Stadtrat?

Dr. Norbert Walter-Borjans: Ich glaube, dass die Prioritäten für den Wirtschaftsstandort und für die Sicherung unserer finanziellen Grundlagen schon in der vorigen Legislaturperiode klar waren. Wir haben als Menschenstadt, wie Hanns Dieter Hüsch Köln einmal genannt hat, eine ganz starke Ausgangsposition. Das ist auch ein wichtiger Faktor für die Wirtschaft. Wir dürfen nicht übersehen, dass wir im Wettbewerb mit den europäischen Großstädten stehen, die alle etwas zu bieten haben, und nicht mit beschaulichen Mittelstädten. Auf dieser Grundlage hat der Koalitionsvertrag von SPD und Grünen nachjustiert, aber auch klar gestellt, dass wir in der gegenwärtigen Finanzlage vieles nur in kleinen Schritten angehen können.

CityNEWS: Welche Projekte haben für Sie in 2010 die höchste Priorität?

Dr. Norbert Walter-Borjans: Alles, was dazu beiträgt, Arbeitsplätze zu erhalten, zu schaffen und dafür zu sorgen, dass Menschen fit sind für die Chancen, die sich bieten. Wenn man gleichzeitig Wirtschaftsdezernent und Kämmerer ist, zählen natürlich besonders die Projekte, die Kölns Rolle im Wettbewerb der großen Städte Europas stärken und die finanzierbar sind. Da gibt es einiges: Die Auswahl des Investors für die Messe-City, ein Konzept für die Umnutzung des Deutzer Hafens, aber auch Klarheit beim Godorfer Hafen, ein Businessplan für die Industriestadt Köln und konkrete Schritte beim Marketing für die Metropole mit Herz. An all dem sind wir dran.

CityNEWS: Was erwarten Sie 2010 vom Handel/Dienstleistungs-Gewerbe bzw. von CityMarketing?

Dr. Norbert Walter-Borjans: Der Handel spielt für die Kölner Wirtschaft eine wichtige Rolle. Die Chancen dieser Branche werden stark davon abhängen, ob die Gesamtkonjunktur früh genug anzieht, um zu verhindern, dass aus Kurzarbeit Arbeitslosigkeit wird. Dann würde die Konsumstimmung einbrechen und das wäre fatal. Der Dienstleistungssektor trägt unsere Wirtschaft und die Beschäftigung – auch deshalb, weil wir eine moderne Industrie haben, die unternehmensnahe Dienstleistungen abfragt. Über 60 Prozent unserer Gewerbesteuereinnahmen kommen zu etwa gleichen Anteilen von den Versicherungen, den Finanzdienstleistern und der sonstigen Dienstleistungen. Da kann ich nur erwarten, dass deren robuste Lage weiterhin so bleibt. CityMarketing ist ein wichtiger Partner und Mittler für den Dialog mit der Wirtschaft in der City. Was ich mir wünsche, ist die Fortsetzung des offenen und ehrlichen kritischen Blicks und der kreativen eigenen Initiativen verbunden mit einem klaren Commitment zur Stadt.

CityNEWS: Wichtig ist Ihnen, dass sich die Kölner, speziell ihre Meinungsführer, darauf besinnen, dass sie Teil im Wettbewerb der großen Städte Europas sind. Was meinen Sie damit?

Dr. Norbert Walter-Borjans: In jedem vergleichbarem Unternehmen bedeutet Wettbewerb, dass man mit eigener Überzeugung andere von den unbestreitbaren Vorzügen und Stärken überzeugt und sich nicht ständig in der Öffentlichkeit an seinem „Produkt“ abarbeitet. Dieses öffentlich zur Schau gestellte Leiden an der eigenen Stadt, w
ährend man zugleich beschwingt ihre Vorzüge genießt, das soll anspornen und die Stadt voranbringen, sorgt aber mit für eine Performance, die das Gegenteil bewirkt.

CityNEWS: Was wünschen Sie sich persönlich für das Jahr 2010?

Dr. Norbert Walter-Borjans: Dass wir spätestens nach der Landtagswahl in möglichst großer Gemeinsamkeit ein klares Bild davon beschreiben, wo und wie Köln in der Champions League der europäischen Großstädte mitspielen will – und dann beherzt die Weichen dafür stellen. Dafür brauchen wir sicher auch Geld, aber noch wichtiger ist es, in ein paar Grundfragen von den Stärken unserer Stadt überzeugt an einem Strang zu ziehen.

Autor: Karin Bäck