Lärmende Nachbarn, Stress mit dem Handyanbieter oder Streit um die Abgaswerte des Familien-VW – die Deutschen streiten immer mehr. Waren es 2012 noch 20,9 Streitfälle pro 100 Einwohner, stieg die Zahl 2014 auf 22,3 an.
Auch wenn die Männer mit einem Anteil von 66,7 Prozent grundsätzlich deutlich mehr streiten als Frauen, sind sich die Geschlechter bei der Hauptursache von Streit einig: In Privatangelegenheiten ist nicht mit ihnen zu spaßen. Mit 39,4 Prozent liegen Streitigkeiten aus dem privaten Bereich auf Platz eins der Streitursachen, vor Verkehrs- und Mobilitätsthemen (25,5 Prozent). Abweichungen vom Bundesschnitt gibt es auf dem dritten Platz: Während man sich national auf diesem Platz um Arbeitsthemen zofft, streiten sich die Kölner mit 16,3 Prozent eher um die eigenen vier Wände.
„Das Ergebnis belegt einmal mehr, dass ein enges Zusammenleben ein erhöhtes Streitaufkommen fördert. Insbesondere in den Bereichen, in denen die Menschen sich in ihrem privaten Raum beeinträchtigt fühlen, der in Großstädten so eng bemessen ist“, erklärt Anja-Mareen Decker, Leiterin der Rechtsabteilung von ADVOCARD, die Streitintensität beim Thema Wohnen.
Unterschiede bei den Streitursachen gibt es den Rollenklischees entsprechend: Während bei Männern in Verkehrsfragen deutlich häufiger die Fetzen fliegen (29,1 vs. 18,2 Prozent), legen sich Frauen beim Thema Wohnen verstärkt ins Zeug (18,9 vs. 15 Prozent).
In jedem zehnten Streitfall geht es um einen Streitwert von mindestens 10.000 Euro
Ein Drittel der Kölner Streitfälle dreht sich um einen Streitwert von mehr als 2.000 Euro (65,4 Prozent). Bei jedem zehnten Fall steht mit mindestens 10.000 Euro eine noch viel höhere Streitsumme im Raum. Auch die Streitdauer kann neben den hohen Streitwerten zu einer Belastungsprobe werden: Jeder dritte Streitfall erstreckt sich über einen Zeitraum von 12 bis 24 Monaten, 8,3 Prozent dauern sogar länger als zwei Jahre.
Betrachtet man die Altersstruktur der Streithähne, wird eine klare Tendenz zur Mitte deutlich: Das höchste Streitaufkommen ist in der Alterspanne zwischen 36 und 55 Jahren zu beobachten. „In diesem Alter sind die Menschen zunehmend gesetzt“, erklärt Decker. „Sie haben einen festen Job, besitzen oft eine Immobilie und führen ein aktives Privatleben. Diese Lebensumstände bieten viel Raum für Streit.“ Mit einem Viertel der Streitfälle werden jedoch auch die jungen Menschen zwischen 18 und 35 Jahren immer streitbarer. Ein Trend, der sich auch im Bundesschnitt abzeichnet: Deutschlandweit sind die Streitfälle bei den 18- bis 35-Jährigen seit 2002 fast um das Achtfache gestiegen.
Peter Stahl, Sprecher des Vorstands von ADVOCARD zu den Ergebnissen: “In unserer heutigen Informationsgesellschaft haben wir es verstärkt mit sehr gut informierten Verbrauchern zu tun. Obwohl das deutsche Recht sehr komplex ist, wissen sie sehr genau um ihre Rechte und treten für diese selbstbewusst ein. Daraus ergibt sich eine steigende Streitbereitschaft, die wir deutlich in den Ergebnissen des diesjährigen Streitatlas beobachten können.”
Entgegen der Demographie werden Streithähne immer jünger
Analog zum Bundesdurchschnitt streiten sich knapp 40 Prozent der Einwohner NRWs länger als ein Jahr und jeder dritte Streitfall dreht sich um einen Wert von mehr als 2.000 Euro. Bei 9,4 Prozent der Streitfälle geht es sogar um Werte von über 10.000 Euro. In der Altersbetrachtung der Streitenden ist, wie auch in der gesamten Republik, eine deutliche Verjüngung zu beobachten. Zwar streitet auch in NRW der größte Teil (53,4 Prozent) in der Altersgruppe 36 bis 55 Jahre. Aber die Jungen ziehen nach: Die 18- bis 35-Jährigen waren in 22,2 Prozent der Streitigkeiten involviert (plus 3,7 Prozentpunkte seit 2012), während die Menschen ab 56 Jahren friedlicher wurden und nur noch an 24,5 Prozent der Streitigkeiten beteiligt waren (minus 2,6). „In Anbetracht des demographischen Wandels ist dieser bundesweite Trend besonders spannend“, so Decker. Der Streitanteil der jungen Menschen hat sich – wie auch in Gesamtdeutschland – seit 2002 (3,1 Prozent) fast um das Achtfache erhöht. „Wir haben es mit einer selbstbewussten jungen Generation zu tun, die im Informationszeitalter bestens aufgeklärt ist und sich nicht scheut, für ihre Rechte einzutreten.“
Vermehrter Streit für privates Glück
Auch in NRW ist die Geschlechterverteilung bei den Streits eindeutig: Die Männer haben mit 68,7 Prozent der Streitfälle klar die Nase vorn. Am häufigsten wird geschlechterübergreifend um Themen des privaten Lebens (41,2 Prozent) gestritten – und das deutlich häufiger als noch 2012 (plus 3,6 Prozentpunkte). „In schnelllebigen Zeiten fokussieren sich die Menschen wieder mehr auf sich und ihre persönlichen Bedürfnisse“, so Decker. „Daher wird vielleicht auch mehr über dieses Thema gestritten.“
Ob Berliner Schnauze oder bayerische Gelassenheit: Streitdauer nimmt weiter zu
Berlin ist und bleibt das Bundesland mit dem höchsten Streitaufkommen. Mit 29,3 Streitfällen pro 100 Einwohner (2012: 26,2) liegt die Hauptstadt deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 22,3. Ganz im Gegensatz zu Bayern: Die Süddeutschen zeigen sich im Ländervergleich mit 18,8 Streitfällen pro 100 Einwohner als friedfertiges Schlusslicht. Länderübergreifend setzt sich seit Jahren eine steigende Streitdauer fort: Mittlerweile dauern rund 40 Prozent aller Rechtsstreitigkeiten länger als ein Jahr. Auch der Streitwert bleibt hoch: Bei jedem dritten Streit ging es um einen Wert von über 2.000 Euro. “Durch die hohen Streitwerte und sich in die Länge ziehende Verfahren beeinträchtigt Streit immer mehr den Alltag der Betroffenen – schließlich trägt man diese Belastung die ganze Zeit mit sich rum. Wer hier im Fall der Fälle gelassen bleiben will, sollte sich absichern”, weiß Peter Stahl.
Streitfälle bei den 18- bis 35-Jährigen seit 2002 fast um das Achtfache gestiegen
Während die Best Ager ab 66 Jahren auch 2014 ihr mildes Gesicht zeigen (rund 8 Prozent), wird über die Hälfte der Streitigkeiten nach wie vor von Menschen zwischen 36 und 55 Jahren geführt. Auffallend im Alters- und Jahresvergleich ist die anhaltende Zunahme der Streitbereitschaft der 18- bis 35-Jährigen. Seit 2002 hat sich ihr Streitanteil von 3 Prozent auf heute rund 24 Prozent fast verachtfacht. “Diese Tendenz beobachten wir seit Jahren gespannt”, so Stahl. “Wir haben es mit einer sehr anspruchsvollen und zukunftsorientierten Generation zu tun, wie auch die Shell Jugendstudie aktuell bestätigt. Sie fordert ihre Ansprüche selbstbewusst ein und ist bereit, für diese zu streiten.”
In Privatangelegenheiten versteht der pflichtbewusste Deutsche keinen Spaß
Mit 67 Prozent der Streitfälle sind die Männer führend, wobei die Frauen langsam aufholen. Geschlechterübergreifend werden die meisten Streitigkeiten (41,2 Prozent) im Privatbereich ausgetragen – hier ist auch das höchste Wachstum (4,2 Prozentpunkte) im Vergleich zu 2012 zu beobachten: Streitigkeiten um die letzte Online-Bestellung, Schwierigkeiten bei der Kündigung eines Abos oder die Reklamation von Produktmängeln umfassen die Bandbreite, die Streitfälle im Privatbereich haben können.
Auswertungsdetails zu allen deutschen Landkreisen finden Sie in unserer interaktiven Karte auf www.streitlotse.de.
Autor: Redaktion / ADVOCARD Rechtsschutz