Neues vom Urlaubsrecht: Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts

Neues vom Urlaubsrecht / copyright: Rainer Sturm / pixelio.de
Neues vom Urlaubsrecht
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Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat seine langjährige Rechtsprechung hinsichtlich der Geltendmachung des sogenannten Urlaubsabgeltungsanspruches geändert.

Im Urteil vom 19.06.2012 (Az.: 9 AZR 652/10) hat das Gericht seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und festgestellt, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch nicht mehr im laufenden Urlaubsjahr geltend gemacht werden muss, wenn der Arbeitnehmer arbeitsfähig ist.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 04.01.2008 als Manager beschäftigt. Im Kündigungsrechtsstreit der Parteien stellte das Arbeitsgericht mit rechtskräftigem Urteil vom 27.11.2008 fest, dass das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2008 endete. Zu diesem Zeitpunkt standen dem Kläger noch einige Tage Urlaub zu. Im Januar 2009 verlangte der Kläger – ohne Erfolg – von der Beklagten, den Urlaub abzugelten. Die daraufhin erhobene Zahlungsklage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht keinen Erfolg. Auf die Revision des Klägers hob das BAG diese Entscheidung auf und gab der Klage statt. ( Quelle: PM BAG)

Entgegen den Auffassungen der Vorinstanzen ist der Urlaubsabgeltungsanspruch nicht am 31.12.2008 untergegangen. Der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch unterfällt als reiner Geldanspruch unabhängig von der Arbeitsfähigkeit oder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht der Fristenvorgabe des Bundesurlaubsgesetzes. Mit dem Urlaubsabgeltungsanspruch wird der Anspruch bezeichnet, der entsteht, wenn ein Arbeitnehmer seinen ihm zustehenden Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr nehmen kann. Eine Abgeltung des Anspruchs im fortbestehenden Arbeitsverhältnis ist nicht möglich und zulässig.

Dieser Anspruch entsteht automatisch, wenn dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnis noch Resturlaub zusteht, den er bei Fortsetzen des Arbeitsverhältnisses noch hätte nehmen können.

Zwar galten nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Fristen des Bundesurlaubsgesetzes für den Urlaubsanspruch grundsätzlich auch vor dem Urlaubsabgeltungsanspruch, da dieser als Surrogat (Ersatz) deswegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr realisierbaren Urlaubsanspruchs angesehen wurde.

An dieser sogenannten Surrogattheorie hält das Bundesarbeitsgericht nun nicht mehr fest. Diese Theorie wurde im Hinblick auf Arbeitnehmer, die über den Übertragungszeitraum hinaus arbeitsunfähig sind, aufgrund europarechtlicher Vorgaben nach der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ohnehin schon aufgegeben. Nach Auffassung des 9. Senats gibt es keine sachlichen Gründe dafür, warum für einen arbeitsunfähigen Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses andere Regeln für den Verfall des Urlaubsanspruches gelten sollen, als für einen arbeitsfähigen Arbeitnehmer.

Das Bundesarbeitsgericht hat daher konsequent seine bisherige Surrogattheorie insgesamt aufgegeben und dürfte damit auch auf der Linie der europarechtlichen Vorgaben liegen.

Für Arbeitnehmer bedeutet dies eine Überprüfung evtl. noch geltend zu machender Ansprüche; Arbeitgeber müssen sich auf entsprechende Nachzahlungen einstellen. Die grundsätzlichen Verjährungsfristen oder auch tarifliche Verfallfristen werden jedoch hiervon nicht berührt. So hat das Bundesarbeitsgericht (Urteil v. 9.08. 2011 – 9 AZR 352/10) klargestellt, dass auch der Urlaubsabgeltungsanspruch aufgrund tarifvertraglicher Ausschlussfristen verfallen kann.

Autor: RA Christian Kerner Rechtsanwälte WKWB, Köln