Wohnraumnot in Köln – das Thema hat nicht nur für CityNEWS Brisanz, sondern wird auch von der Stadtspitze intensiv diskutiert. Wir trafen Oberbürgermeister Jürgen Roters, um mehr zu erfahren über Angebot und Nachfrage auf dem heiß begehrten Kölner Wohnungsmarkt.
Köln ist für
Mieter ein teures Pflaster. Familien, ältere Menschen, Studenten – gerade für
Wohnungssuchende mit kleinem Etat entwickelt sich die Lage immer mehr zum
Drama. Wer sich keinen Makler leisten kann, muss teilweise mit weit über 100
anderen Bewerbern um dieselbe Bleibe kämpfen. Köln braucht dringend neue
Wohnungen, jetzt und in Zukunft. Denn auch für die nächsten Jahre zeigt die
städtische Einwohnerprognose ein kräftiges Bevölkerungswachstum: 2020 rechnet
Köln mit rund 1.065.000 Einwohnern.
CityNEWS-Chefredakteurin Astrid Waligura und Herausgeber Eugen Weis im Gespräch mit Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters zum Thema “Wo sollen wir alle wohnen?”.
CityNEWS: Wie schätzen Sie die Situation auf dem hiesigen Wohnungsmarkt
ein?
Oberbürgermeister
Jürgen Roters: Es ist
nicht von der Hand zu weisen: Wir haben einen riesigen Zuzug in Köln. Alle
Städte, denen es wirtschaftlich gut geht, haben mit diesem Problem zu kämpfen,
also neben Köln beispielsweise auch München oder Stuttgart. Andere Städte
dagegen erleben eine enorme Abwanderung, also das Extrem in die andere
Richtung.
CityNEWS: Sie wirken optimistisch – woran machen Sie Ihre Haltung fest?
Oberbürgermeister Jürgen Roters: Es ist ja kein Problem, das gerade
erst vom Himmel gefallen ist. Es ist langsam gewachsen und dann immer schneller
immer größer geworden. Seitens der Stadt haben wir das erkannt und sukzessive
nach Lösungen gesucht.
CityNEWS: Was hat
die Suche ergeben?
Oberbürgermeister Jürgen
Roters: Fakt ist: Köln
braucht dringend mehr neue Wohnungen, und zwar vor allem in den nächsten
Jahren. Das derzeit in Arbeit befindliche Stadtentwicklungskonzept Wohnen
behandelt zentral diese Fragestellung und wird ab Herbst 2013 in die politische
Beratung eingebracht. Konkret möchten wir in den nächsten Jahren vorrangig den
Bau von Geschosswohnungen in integrierten Lagen verstärken. Die Verwaltung muss
dafür die Rahmenbedingungen verbessern, das heißt: Es müssen mehr Flächen
baureif gemacht und dort – wo es noch möglich ist – müssen die
verwaltungsinternen Prozesse optimiert werden.
CityNEWS: Hört sich
nach viel Bürokratie an. Die Mühlen in Köln mahlen bekanntlich langsam. Zu
langsam?
Oberbürgermeister Jürgen Roters: Ganz und gar nicht. Die Bautätigkeit hat
immens zugenommen. In nahezu allen Stadtbezirken laufen derzeit große
Wohnungsbauvorhaben.
CityNEWS: Können
Sie Beispiele nennen?
Oberbürgermeister Jürgen
Roters: Im Rahmen des
Wohnungsbauprogramms 2015 sind derzeit baureife Flächen für rund 7600
Wohneinheiten erfasst, die sukzessive bebaut werden. Größere aktuelle Projekte
sind zum Beispiel die Neubebauung des Geländes der ehemaligen Reiterstaffel der
Polizei an der Gaedestraße in Marienburg sowie die Bebauung des Sürther Feldes
in Rodenkirchen. Bei meinem jüngsten Besuch in Widdersdorf habe ich allein 20
Baukräne gesehen, die das Projekt Prima Colonia weiter vorantreiben.
CityNEWS: Wie steht
es um die ehemaligen Clouth Gummiwerke in Köln-Nippes?
Oberbürgermeister Jürgen
Roters: Das Gelände
wird zu einem neuen Stadtteil entwickelt. Auf 14,5 Hektar entstehen hier in
einem lebendigen Quartier moderne Wohnungen und Arbeitsplätze – sowohl in alter
Industriearchitektur als auch in anspruchsvollen Neubauten. Stadthäuser,
Geschosswohnungsbau – frei finanziert und öffentlich gefördert –, Baugruppen,
Künstlerateliers und Raum für kreative Berufe, Gastronomie und attraktive
Freiflächen sollen sich zu einem Quartier mit eigenem Charakter mitten im
quirligen Stadtteil Nippes verbinden. Im neuen Clouth-Quartier werden rund 1000
Wohnungen gebaut, auf etwa 25.000 m² Bruttogrundfläche entsteht Raum für 500
bis 1000 Arbeitsplätze.
CityNEWS: Die Zahl
der öffentlich geförderten preiswerteren Wohnungen in Köln ging seit den 90er-Jahren
deutlich zurück. Das betrifft vor allem junge Menschen und Familien. Was wird
hier getan?
Oberbürgermeister Jürgen
Roters: Den Rückgang
beim geförderten Wohnungsbau sehe ich mit großer Sorge. Doch die Stadt verfügt
über Handlungsoptionen und Bausteine zur Stärkung des preiswerten Wohnungsbaus,
welche nebeneinander angewendet werden. Ein Beispiel: 30 Prozent der möglichen
Wohneinheiten auf von der Stadt verkauften Grundstücken müssen in Form von
geförderten Wohnungen realisiert werden. Darüber hinaus ist die Stadt 2012
wieder in ein städtisches Wohnungsbauprogramm eingestiegen und der Rat hat 33
Millionen Euro jährlich als Darlehnsmittel zur Ergänzung der Landesförderung
bereitgestellt.
CityNEWS: Inwieweit
wird bei den Planungen auch an ältere Menschen gedacht, die nicht nur günstigen
Wohnraum brauchen, sondern auch schwellenfreien?
Oberbürgermeister Jürgen
Roters: Die
baurechtlichen Anforderungen im Wohnungsneubau sehen bereits hohe Standards für
Barrierefreiheit vor. Umso mehr gilt das für den öffentlich geförderten
Wohnungsneubau, der hier seit Jahren eine Vorreiterrolle spielt. Insofern
gehören auch die Senioren zu den Nutznießern der städtischen Aktivitäten für
den Wohnungsneubau.
CityNEWS: Integration
statt Segregation: Was wird getan, damit ältere Menschen nicht isoliert werden?
Oberbürgermeister Jürgen Roters: Bei neuen Projekten achten wir sehr
auf eine ausgewogene Mischung der Angebote für junge und ältere Menschen, um
genau diesem Problem vorzubeugen. In Köln ist sogar zu beobachten, dass die
Nachfrage nach solchen Mischwohnprojekten in den letzten Jahren zugenommen hat.
Es zeigt sich, dass Menschen mit zunehmendem Alter von der Peripherie in die
City zurückwollen, wo favorisiert junge Menschen leben.
CityNEWS: Kein Tag,
an dem nicht wieder eine Büroresidenz errichtet wird: Wie wird die Stadt den
fehlenden bezahlbaren Wohnraum zurückgewinnen?
Oberbürgermeister Jürgen Roters: Wir prüfen derzeit, ob nicht mehr
benötigte oder brachliegende Gewerbeflächen und leer stehende Bürogebäude für
eine Wohnnutzung aufbereitet werden können. Besonders in den Randbereichen gibt
es einigen Leerstand. Es gibt bereits Fälle, in denen beispielsweise eine alte
Reinigung oder Kneipe umfunktioniert werden konnten, um neuen Wohnraum zu
schaffen.
CityNEWS: Thema
Studenten: Am 14. Oktober beginnen die Vorlesungen und wir haben in Köln den
ersten Doppelabiturjahrgang vor der Nase. Gibt es ein Konzept?
Oberbürgermeister Jürgen Roters: Das ist in der Tat eine große
Aufgabe, diesen Ansturm zu bewältigen. Dafür ist in erster Linie das
Studentenwerk zuständig, doch auch die Stadt Köln unterstützt mit einer
Vielzahl von Maßnahmen die Verbesserung der studentischen Wohnversorgung. Wir
setzen dabei auf eine Strategie der vielen Schritte.
CityNEWS: Als da wären?
Oberbürgermeister Jürgen
Roters: Zum Beispiel
die stadtweite Werbeaktion „Mein Zuhause in Köln“: Gemeinsam mit den
Hochschulen hat die Stadt Köln diese Initiative ins Leben gerufen. Ziel ist es,
Privatpersonen zu motivieren, Zimmer und Wohnungen an Studenten zu vermieten.
Es wurden bereits über 1000 Wohnungen auf diesem Weg gewonnen. 300 sind zurzeit
noch verfügbar. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Kölnerinnen und Kölnern
für ihr Engagement bedanken, dringend benötigten Wohnraum für unsere
Studierenden zur Verfügung zu stellen. Das spornt uns alle an.
CityNEWS: Was
steckt hinter dem Projekt “Wohnen für Hilfe – Wohnpartnerschaften Köln”?
Oberbürgermeister Jürgen
Roters: Grundgedanke
ist die Vermittlung von Studierenden in eine Wohnpartnerschaft mit Senioren,
Alleinerziehenden und Familien. Die Gegenleistung für das mietfreie Wohnen ist
die Mithilfe im Haushalt. Rund 250 Studenten kommen durch dieses Projekt an ein
Dach über dem Kopf.
CityNEWS: Inwieweit
kommt Hilfe von der GAG?
Oberbürgermeister Jürgen Roters: Die GAG stellt derzeit 600 Wohnungen
für Studenten zur Verfügung. Die Stadt Köln und das Studentenwerk helfen hier bei
der Vermittlung.
CityNEWS: Das hört sich alles wunderbar an. Wo ist der Haken?
Oberbürgermeister Jürgen Roters: Diese Wohnungen liegen in den
Außenbezirken der Stadt. Da müssen die Studenten auch mal bereit sein, ein
bisschen zu fahren. Die Zeiten, in denen man als Student direkt neben der Uni
gewohnt hat, sind lange vorbei.
CityNEWS: Kommen
wir zu einer anderen Zielgruppe: Köln braucht dringend qualifizierte
Fachkräfte. Wo sollen die alle noch unterkommen?
Oberbürgermeister Jürgen Roters: Ich sehe das gar nicht so
pessimistisch. Nehmen wir nur mal die Ansiedlung von Lanxess in Deutz. Über
1000 Mitarbeiter, nicht nur aus Leverkusen, sondern aus ganz Europa, sind nach
Köln gekommen. Und sie haben alle eine Wohnung gefunden. Natürlich werden wir
immer wieder Engpässe haben, aber das Wichtigste ist doch, dass wir das Problem
der Wohnungsknappheit erkannt haben und an Lösungen arbeiten.
CityNEWS: Was raten
Sie Wohnungssuchenden?
Oberbürgermeister
Jürgen Roters: Aufgrund
der großen Nachfrage und des geringen Angebotes an preiswertem Wohnraum ist die
Eigeninitiative des Wohnungssuchenden unerlässlich. Große Wohnungsunternehmen
und Genossenschaften verfügen über Wartelisten, in welche sich Interessenten
eintragen lassen sollten. Für die Inhaber von Wohnberechtigungsscheinen steht
das Amt für Wohnungswesen mit Rat und Tat zur Seite. Studenten wenden sich am
besten ans Studentenwerk.
Weitere Infos gibt es beim Amt
für Wohnungswesen, Telefon:
0221 – 221 – 0, E-Mail:
wohnungsamt@stadt-koeln.de, Web: www.stadt-koeln.de oder beim Kölner
Studentenwerk: www.kstw.de