Es war ein Turbo-Wahlkampf: In nur zwei Monaten mussten die Parteien in NRW den Wählern vermitteln, warum sie ihr Kreuz genau bei dieser oder jener Partei machen sollten. Dennoch galt der Wahlkampf insgesamt als inhaltsleer. CityNEWS gibt Ihnen hier eine Zusammenfassung und Entscheidungshilfe zur Wahl.
Es gibt deutliche Unterschiede zwischen den Parteien. Wir stellen Ihnen in Zusammenarbeit mit der Nachrichtenagentur dapd die Positionen und Spitzenkandidaten der Parteien vor und versuchen so eine Entscheidungshilfe zur NRW-Landtagswahl 2012 zu geben:
SPD
Die SPD wirbt vor allem mit emotionalen Themen. “Kein Kind zurücklassen”, lautet der Wahlspruch der Partei, der sich sowohl auf die Bildungs- als auch die Sozialpolitik bezieht. Der Ausbau von Kindertagesstätten soll mit 400 Millionen Euro vorangetrieben und die Beitragsfreiheit ausgeweitet werden. Langfristig soll es für Kinder und Jugendliche ein “Recht auf Ganztag” geben. Neue Einnahmen erhofft sich die SPD vor allem durch die Besteuerung von Vermögen und Erbschaften und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Die SPD bekennt sich zum Industriestandort NRW und will Handwerk und Mittelstand stärken. Die Energiewende soll vorangetrieben werden.
CDU
Nicht auf Emotionen, sondern auf Zahlen setzt die CDU im nordrhein-westfälischen Wahlkampf. Gerne brandmarkt die Partei Ministerpräsidentin Hannelore Kraft als Schuldenkönigin und stellt ein Ende der Schuldenpolitik in Aussicht. Gespart werden soll vor allem bei Förderprogrammen und in der Landesverwaltung. Zusätzliche Einnahmen verspricht sich die CDU durch die Ratifizierung des Steuerabkommens mit der Schweiz. Die Beitragsfreiheit des dritten Kindergartenjahres halten die Christdemokraten zwar ebenso für einen Fehler wie die Abschaffung der Studiengebühren, wollen die Entscheidungen aber nicht mehr rückgängig machen.
Grüne
Bessere Bildung und erneuerbare Energie sind die Brot- und Butter-Themen der Grünen in diesem Wahlkampf. Sie verweisen auf den Erfolg des Schulkonsenses und stellen darüber hinaus den weiteren Ausbau von Kita-Plätzen und Ganztagsbetreuung in Aussicht. Die Grünen setzen auf Energie- und Ressourceneffizienz und wollen den Bau neuer Kohlekraftwerke verhindern. Die erneuerbaren Energien sollen zügig ausgebaut werden. In der Finanzpolitik fordern sie die Erhöhung des Spitzensteuersatzes und der Erbschaftssteuer sowie eine Vermögenssteuer. Die Grünen beziehen klar Front gegen Rechtsextremismus und wollen Teilhabe und Mitbestimmung stärken.
FDP
Ihr Nein zum rot-grünen Etatentwurf feierte die FDP als Ausdruck ihrer Glaubwürdigkeit und zog mit dem Slogan “Lieber neue Wahlen als neue Schulden” in den Wahlkampf. Die Verwaltung soll gestrafft, staatseigene Betriebe überprüft und gegebenenfalls privatisiert werden. Die FDP verlangt eine Gemeindefinanzreform, die den Kommunen dauerhaft verlässliche Einnahmen sichert. Der Mittelstand soll gestärkt und unnötige Bürokratie abgeschafft werden. Energie soll bezahlbar bleiben. Die FDP bekennt sich zum Gymnasium und verlangt individuelle Förderung für jedes Kind. Die Partei tritt zudem gegen das Rauchverbot und ein Tempolimit ein.
Linke
“Wir sind das Original”, will die Linke mit ihrem Wahlprogramm mit dem Titel “Original sozial – konsequent solidarisch” dem Wähler in einer Zeit zurufen, in der selbst die CDU mit dem Mindestlohn liebäugelt. Die Partei fordert einen Schutzschirm für die Menschen: Hartz IV soll zu einer Grundsicherung in Höhe von 500 Euro im Monat ausgebaut werden, der Mindestlohn soll bei zehn Euro liegen, gleiche Arbeit gleich bezahlt werden. Die Linke setzt auf die Wiedereinführung der Vermögenssteuer als Millionärssteuer, die Erhöhung der Erbschaftssteuer und eine Börsenumsatzsteuer. Nach Ansicht der Linken soll Bildung grundsätzlich kostenlos sein.
Piraten
Die Piraten wollen eine Politik, “bei der jeder mitmachen kann”. Abstimmungen über alle inhaltlichen Fragen sollen möglich sein, die Quoren bei Volksentscheiden abgeschafft werden. Eine Legislaturperiode soll nur noch vier Jahre dauern, die Fünf-Prozent-Hürde bei Landtagswahlen auf zwei Prozent gesenkt werden. Überwachung im Internet und in der Öffentlichkeit soll verhindert werden. Auch die Piraten wollen eine komplett kostenlose Bildung. Sie lehnen das mehrgliedrige Schulsystem ab und schlagen eine “Schule mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten” vor, in der jeder Schüler bestimmte Kurse belegen kann.
Für alle die noch nicht wissen wo Sie ihr Kreuzchen bei der NRW-Landtagswahl machen sollen ist der kostenlose Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung eine schnelle und clevere Entscheidungshilfe.
Auf der nächsten Seite stellen wir Ihnen die Spitzenkandaidaten in NRW vor
Die Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in NRW
Rund 13,2 Millionen Menschen sind am
Sonntag aufgerufen, einen neuen Landtag für Nordrhein-Westfalen zu
wählen. NRW ist das bevölkerungsreichste Land in Deutschland. Es ist die
wohl wichtigste Wahl des Jahres. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft
und ihre Stellvertreterin Sylvia Löhrmann treten an zur
Titelverteidigung und mit Norbert Röttgen und Christian Lindner hat sich
auch Berliner Politprominenz in den Wahlkampf eingeschaltet.
Hannelore Kraft (SPD)
Sie hat sich von unten hochgearbeitet – und
darauf ist sie stolz. Hannelore Kraft (50) ist ein “Malocherkind” aus
dem Ruhrgebiet, das dank der Bildungsreformen der 1970er Jahre erst eine
Banklehre machen konnte und danach in Duisburg und London Wirtschaft
studierte. 2010 gelang es ihr, den bis dahin amtierenden
Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers abzulösen. Und das, obwohl die SPD
mit knappen 5.882 Stimmen hinter dessen CDU lag. Gemeinsam mit den
Grünen wagte Kraft das Experiment Minderheitsregierung – und kämpfte in
den vergangenen fast zwei Jahren dafür, andere von ihrer vorbeugenden
Sozialpolitik zu überzeugen. Im Wahlkampf setzte Kraft vor allem auf den
direkten Kontakt zu den Menschen, ob im auf der Straße oder im
Mönchengladbacher Fußballstadion.
Norbert Röttgen (CDU)
Sein
Intellekt ist unbestritten und immer wieder wird Norbert Röttgen (46)
nachgesagt, dass er sich auch die Kanzlerschaft zutrauen würde. Zur
Politik kam er über die Nachrüstungsdebatte, arbeitete sich Schritt für
Schritt in der CDU nach oben. Seit 2009 ist Röttgen Bundesumweltminister
und musste in den zweieinhalb Jahren seiner Amtszeit erst die
Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke verlängern und nach der
Atomkatastrophe von Fukushima dann die Kehrtwende vollziehen. Seit Ende
2010 ist er Landesvorsitzender der CDU in seinem Heimatland
Nordrhein-Westfalen. Nach der Auflösung des Landtags Mitte März musste
Röttgen früher als eigentlich geplant in den Wahlkampf ziehen. Die
Chancen sind schlecht, gegen die Landesmutter Kraft kann er kaum
punkten.
Sylvia Löhrmann (Grüne)
Sie gilt als Architektin der
rot-grünen Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen. Bereits seit
Mitte der 1990er Jahre sitzt Sylvia Löhrmann (55) für die Grünen im
Düsseldorfer Landtag. Dass die gebürtige Essenerin 2010 so sehr für die
Koalition mit der SPD kämpfte, dürfte nicht zuletzt an ihrem guten
persönlichen Verhältnis zu Kraft gelegen haben. Die frühere
Gesamtschullehrerin wurde nicht nur stellvertretende
Ministerpräsidentin, sondern auch Schulministerin. Ihr Prestigeprojekt
ist der “Schulkonsens”, der den Schulfrieden auch über mögliche
Regierungswechsel hinweg sichern soll. Doch am Ende könnte es knapp
werden für eine Neuauflage von Rot-Grün. Löhrmann müsste dann wieder auf
der Oppositionsbank Platz nehmen.
Christian Lindner (FDP)
Er
ist der Hoffnungsträger einer ganzen Partei. Mit aller Macht klammern
sich die Freidemokraten an Rhein und Ruhr an ihren Spitzenkandidaten,
der die FDP wieder zurück in die Erfolgsspur führen soll. Christian
Lindner (33) hat in der FDP einen steilen Aufstieg hingelegt – mit
gerade einmal 30 wurde er Generalsekretär der Bundes-FDP. Zwei Jahre
später schmiss Lindner im vergangenen Dezember überraschend hin. Ihm
haftete das Image eines Fahnenflüchtigen an. Doch schon im März sorgte
er für die zweite Überraschung und übernahm die Spitzenkandidatur der
FDP im Landtagswahlkampf. Seitdem hat er es geschafft, die Zustimmung
für die Liberalen in den Umfragen immerhin von mageren zwei wieder auf
sechs Prozent zu erhöhen.
Katharina Schwabedissen (Linke)
Komplett neu ist die Spitzenkandidatin der Linken im politischen
Geschäft nicht. Schon zu Zeiten der WASG mischte Katharina Schwabedissen
(39) ab 2004 kräftig mit und war deren Landessprecherin in NRW. Seit
2008 spricht sie für die gesamte Linke, hatte bislang aber kein
Landtagsmandat. Pünktlich zu den vorgezogenen Neuwahlen an Rhein und
Ruhr drängte sie in die vorderste Reihe der Partei. Ihr Thema ist die
prekäre Lage von Hartz-IV-Empfängern und sozial Schwachen. Die gelernte
Krankenschwester pflegt direkte Kontakte zur Anti-Atombewegung und den
Occupy-Aktivisten. Den Umfragen zufolge erscheint ein Wiedereinzug der
Linken in den Landtag aber unwahrscheinlich.
Joachim Paul
(Piraten)
Zu den Piraten kam er über seinen Sohn. Der Computer-Nerd
hatte Joachim Paul (54) vor drei Jahren zum Stammtisch der Neusser
Piraten mitgenommen. Zuvor war der promovierte Biophysiker und
Medienpädagoge noch nie Mitglied einer Partei. Zwar hatte er in seiner
Studienzeit ein paar Flirts mit den bunten Spontibewegungen und nachher
mit den Grünen. Aber irgendwie wollte es nie so recht passen. In den
vergangenen Jahren ist er im Auftrag des Landschaftsverbandes Rheinland
als Medienpädagoge durchs Land gezogen und hat erfahren, an welchen
Stellen es beim punkto Bildung hackt. Bewahrheiten sich die Umfragen und
die Piraten ziehen nach der Wahl am 13. Mai in den Düsseldorfer Landtag
ein, wird Paul im Parlament dieses Wissen einbringen können.
Für alle die noch nicht wissen wo Sie ihr Kreuzchen bei der NRW-Landtagswahl machen sollen ist der kostenlose Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung eine schnelle und clevere Entscheidungshilfe.
Autor: dapd / BMELV/ MKULNV Redaktion