Hella von Sinnen im Gespräch mit CityNEWS über starke Frauen, Gleichberechtigung, Klischees und ihren Werdegang. Außerdem erzählte sie uns im exklusiven Interview was ihr an Köln gefällt und was nicht.
CityNEWS: Du bist für viele der Inbegriff einer rheinischen Powerfrau. Was assoziierst du mit Powerfrauen?
Hella von Sinnen: Zuallererst gefallen mir Ausdrücke wie „starke Frauen“ oder „starke Weiber“ deutlich besser als „Powerfrauen“. Inzwischen ist doch jede Frau, die irgendeine Handtaschen-Kollektion rausbringt, wie Frau Effenberg oder Konsorten, eine Powerfrau. Was ist überhaupt eine Powerfrau? Aber wenn beispielsweise ich ein starkes Weib bin, soll mir das sehr recht sein. Das bin ich gerne!
CityNEWS: Was zeichnet eine starke Frau aus?
Hella von Sinnen: Das Wichtigste ist, dass man in der Kindheit von Eltern, Verwandten und Freunden gefördert und so geliebt wird, wie man ist. Dass man erst einmal sich und dann eigenständig Temperament und Charakter entdeckt und diese entsprechend festigt. Hilfreich ist auch, dass man als Mädchen gefördert und gefordert wird und nicht von außen geschlechtsspezifische Grenzen gesetzt bekommt. Und dann hilft natürlich prinzipiell bei diesem Thema neben dem Selbstvertrauen auch immer Talent. Talent, das anerkannt wird, fördert immer das Selbstbewusstsein, und die Ausstrahlung wird stärker und strahlender. Freunde und Partner, die für einen da sind, auch wenn man von außen auf die Mütze bekommt, wie es bei mir oft genug der Fall ist, sind natürlich auch superwichtig. Wenn du aber in deinem Umfeld Leute hast, die dich auch noch „dissen“ und fertigmachen, dann ist es mit der starken Frau irgendwann vorbei. In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal ganz deutlich betonen, dass jede Mutter, die ein, zwei oder mehr Kinder großzuziehen hat, für mich eine absolute Powerfrau ist! Das ist beispielsweise etwas, was ich mir überhaupt nicht zutrauen würde – einen Haushalt schmeißen und Kinder erziehen. Für mich ist eigentlich, und da bin ich einfach eine alte Feministin, jede Frau, wie man so schön sagt, die ihren Mann steht, eine Powerfrau!
CityNEWS: Und wie war das bei dir?
Hella von Sinnen: Na ja, bei mir war das so, dass ich mich einfach durchgesetzt habe.
CityNEWS: War denn für dich immer klar, dass du in die Entertainment-Schiene gehen wolltest?
Hella von Sinnen: Eigentlich wollte ich Schauspielerin werden, wurde aber nicht angenommen. Nachdem mein Vater meinte, ich solle bei der Sparkasse eine Ausbildung machen, damit aus mir etwas Ordentliches wird, musste ich erst einmal wieder den Mut aufbringen, um zu meiner Mutter nach Köln zu ziehen. Meine Arbeit in der Lippenstiftfabrik tauschte ich bald gegen ein Studium der Germanistik und Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften und begann dann direkt an der Studiobühne Theater zu spielen. Dort habe ich auch Dirk Bach und Dada Stievermann kennengelernt. Und um auf die Frage zurückzukommen, da gehört natürlich eine ordentliche Portion Glück dazu: Um in meinem Beruf Karriere machen zu können, gehören die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt, Chancen und Glücksmomente dazu, die einem plötzlich Wege eröffnen.
CityNEWS: Gerburg Jahnke (u. a. „Ladies Night“ im WDR) sagte in einem Interview mit Bettina Böttinger beim Kölner Treff, dass es in der Medienbranche zu wenige Frauen gibt. Siehst du das genauso?
Hella von Sinnen: Ich sehe da mittlerweile schon eine gewisse Entwicklung. Wir haben ja tolle Frauen wie Carolin Kebekus oder Cindy aus Marzahn, die sich durchgesetzt haben. Ich hätte nichts gegen eine Quote von Frauen und Männern zu 50 / 50. Aber dazu müssten ja erst mal die Mädchen dafür da sein und sich auf die Bühne trauen. Aber das Phänomen in unserer Gesellschaft, dass mittelmäßige Männer mehr Erfolg haben als mittelmäßige Frauen, macht deutlich, dass wir nach wie vor in einem Patriarchat leben. Du musst einen richtig gewaltigen Eindruck hinterlassen und bei Cindy und Carolin war es ebenfalls so, dass das bereits erwähnte „Zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort …“ passte. Ende der 80er gab es nur die dressierten Komoderatorinnen und da war ich ja etwas ganz Neues. Allerdings hätte es ohne Partner wie Hugo Egon Balder, der das Ganze mitmacht, nicht funktioniert.
CityNEWS: Hättest du denn einen Rat, um als starke Frau aufzutreten?
Hella von Sinnen: Ich möchte erst mal Frauen raten, die selber Töchter haben, dass diese ihre Kinder mit viel Liebe und Freiheiten erziehen. Klischees müssen aufgebrochen werden, speziell bei Familien mit Jungs und Mädchen. Die Jungs spielen Fußball und die Mädchen haben die Barbiepuppe in der Hand – so ist das Klischee. Selbst heutzutage wird vor allem in den Medien noch diese Rollenverteilung eingehalten – eine einzige Werbepause reicht, um den jahrzehntelangen Emanzipationsprozess zunichtezumachen. Worauf ich hinauswill, ist, dass man bei der Kindererziehung längst vergangene Klischees aufbricht. Den Söhnen sollte vermittelt werden, dass sie auch weinen und Gefühle zeigen dürfen, und den Töchtern, dass diese nicht die Puppen-Mutti geben müssen. Wenn die Tochter Ingenieurin werden will, dann schenkt man ihr eben den Metallbaukasten. Die Eltern sind dafür verantwortlich, dass sich die Kinder und in diesem speziellen Fall vor allem die Mädchen so entfalten können, wie sie wollen. Die Tochter kann sich später immer noch anders entscheiden und Schafe züchten auf der Alm …
CityNEWS: Hat dann die Gesellschaft einfach ein falsches Frauenbild?
Hella von Sinnen: Nein, wir haben ein falsches Geschlechterbild! Das hat doch nichts mit den Frauen an sich zu tun. Das hat zu tun mit Vorurteilen und Klischees. Das ist bei den Leuten noch immer in den Köpfen und das ist das Problem! Kein Hellblau-Rosa mehr – es muss ein Regenbogen sein, der für alle Geschlechter, egal ob Transgender, Männchen oder Weibchen, zugänglich ist.
CityNEWS: Als Kölner Magazin interessiert uns, was dir an Köln gefällt und was nicht.
Hella von Sinnen: Wie jeder Kölner liebe ich den Dom und den Rhein. Wenn ich über eine Brücke nach Köln reinfahre und sehe den Dom an diesem herrlichen Fluss, bekomme ich Pipi in die Augen. Ich mag nach wie vor das kölsche Liedgut, das kölsche Bier, die kölsche Toleranz, die Lebenseinstellung und die berühmten elf Gebote des kölschen Grundgesetzes. Ich fühle mich in der Stadt sehr wohl und vor allem respektiert, akzeptiert und angenommen.
Allerdings ist Köln sehr schmutzig und dreckig – die Kölner Politiker sollen mal zeitgemäß das Motto „Ein jeder kehre vor seiner Tür“ umsetzen und nebenbei noch Trude Herr zur Ehrenbürgerin ernennen. Dann bin ich glücklich.