Nachttalker Domian hat es geschafft, mit seinem Sorgentelefon im WDR-Radio Eins Live und im WDR-Fernsehen ganze Generationen tagtäglich für eine Stunde regelrecht an seine Lippen zu fesseln. CityNEWS traf ihn zum Interview!
Mal ehrlich. Irgendwann hat er uns doch alle schon mal abgeholt. Zwischen ein und zwei Uhr nachts, wenn wir nicht schlafen konnten: aus Liebeskummer, Jobstress oder weil wir im Auto unterwegs waren und nicht wollten, dass uns die Augen zufallen.
Er hat in über 20 Jahren rund 20.000 Interviews geführt, dabei mit sterbenskranken Menschen gesprochen, mit Erzengel Gabriel herzlich gelacht und das Thema sexueller Missbrauch erstmals in der Öffentlichkeit zur Sprache gebracht. Und nächstes Jahr ist Schluss damit. Domian hört auf.
CityNEWS: Du bist eine Institution im deutschen Fernsehen. Warum wollen Sie aufhören?
Domian: Es sind ganz menschliche Bedürfnisse. Ich habe einfach Lust, mal wieder häufiger die Morgensonne zu sehen.
CityNEWS: Stimmt. Dein Job startet um 23 Uhr. Da gehen andere ins Bett.
Domian: Genau. Und nach der Sendung sitze ich noch mindestens eine Stunde mit meinem Team aus Redakteuren und Psychologen zusammen und wir gehen alle Anrufe noch mal durch. Dann ist es drei Uhr. Um frühestens halb vier bin ich zu Hause und muss erst mal runterfahren – genau wie andere Menschen, die vom Job kommen. Vor halb sechs gehe ich nicht schlafen.
CityNEWS: Wann startet der nächste Tag?
Domian: Ich frühstücke in der Regel gegen drei Uhr nachmittags. Im Winter wird es um vier schon wieder dunkel, da ist also nicht viel mit Licht.
CityNEWS: Und mit Freundschaften auch nicht, oder?
Domian: In der Tat sind viele gute Bekanntschaften durch meinen ungewöhnlichen Tagesrhythmus eingeschlafen. Aber es gibt auch Freunde, die geblieben sind, und die treffe ich an den Wochenenden, da ist keine Sendung.
CityNEWS: Hast Du mal überlegt, die Sendung auf einen anderen Sendeplatz zu legen?
Domian: So ein Format muss spät laufen. Die Nacht öffnet die Seelen!
CityNEWS: Mal abgesehen von der Nachtarbeit, hast Du oft mit Themen zu tun, die unter die Haut gehen: schlimme Krankheiten, abgefahrene Sexpraktiken…?
Domian: Das ist ja nicht jede Nacht so. Aber die krassen Gespräche bleiben eben hängen.
CityNEWS: Krass oder weniger krass. Was bewegt einen Menschen dazu, über 20 Jahre der Seelentröster der Nation zu sein?
Domian: Die Sendung DOMIAN ist absolut mein Ding. Und irgendwann habe ich gemerkt, dass das Format weit über eine übliche Talksendung hinausgeht. Denn aus einer Flut von Danksagungen erfahren wir, dass wir mit dieser kleinen, in der Nacht versteckten Sendung schon ungezählten Menschen in manchmal bedrückenden Notsituationen entscheidend haben helfen können. Das ist ein gutes Gefühl für meine Mitarbeiter und mich und eben ein tolles Erfolgserlebnis. Es vermittelt uns das Gefühl, eine sehr sinnvolle Arbeit zu machen.
CityNEWS: Hat sich in den letzten 20 Jahren an den Themen etwas geändert?
Domian: Wir sprechen definitiv weniger über Sex. Das hat mit dem Internet zu tun. Heute kennen alle fast alles, und so hat wohl das Interesse an diesen Themen bei den Anrufern und auch beim Publikum nachgelassen. Ansonsten hat sich am Themenspektrum nichts geändert. Die erfolgreichsten Sendungen sind die, in denen es um menschliche, allzu menschliche Dinge geht. Also Liebe, Tod, Sehnsucht, Abschied oder Glück.
CityNEWS: Apropos Themenspektrum: In den Kölner Medien ist derzeit die Oberbürgermeister-Wahl am 13. September sehr präsent. Liest du das?
Domian: Ich bin politisch sehr interessiert und gehe auch immer wählen.
CityNEWS: Noch bis zum 27. Juli könntest du dich beim Kölner Wahlamt als OB-Kandidat bewerben. Spinnen wir mal rum: Was würdest du als amtierender OB als Erstes angehen?
Domian: Auf jeden Fall die prominenten Plätze in Köln. Ob Ebertplatz, Barbarossaplatz oder Neumarkt, die sind alle skandalös und müssten dringend saniert werden. Am Rudolfplatz bin ich fast täglich und mir kommen die Tränen, wenn ich an unsere schöne alte Oper zurückdenke. Die hatte etwas Majestätisches. Jetzt steht da schon seit vielen Jahren ein hässlicher Hotelklotz. Es ist schmuddelig dort und auch die angrenzenden Ringe sind total versifft. Das ist doch kein Aushängeschild für Köln; man kann sich nur schämen.
CityNEWS: Was stünde noch auf deiner Agenda?
Domian: Ich bin Autofahrer und mich nerven die Aggressivität und Raserei auf unseren Straßen. Deshalb bin ich für ein klares Geschwindigkeitsverbot: Es sollte einheitlich nur noch 30er- und 50er-Zonen in Köln geben.
CityNEWS: Zurück zur Realität: Deine Sendung läuft noch rund ein Jahr. Was kommt danach?
Domian: Nach so vielen Telefonaten möchte ich meine Gesprächspartner dann endlich auch einmal sehen. Ich würde gerne entweder allein oder mit einem Kollegen zusammen eine No-Name-Talkshow moderieren, also eine Talkshow mit nicht prominenten Gästen. Wir erleben ja allnächtlich, wie spannend Menschen und ihre Geschichten aus dem ganz normalen Leben sein können. So etwas vermisse ich schon lange im deutschen Fernsehen.