Laborbefunde können die ärztliche Untersuchung nur ergänzen

Eine medizinisch-technische Laborantin bereitet eine Blutprobe zur Analyse des so genannten Blutbildes vor. / copyright: Jens Schlueter / dapd
Eine medizinisch-technische Laborantin bereitet eine Blutprobe zur Analyse des so genannten Blutbildes vor.
copyright: Jens Schlueter / dapd

Blutwerte sind eine wichtige, aber nicht die einzige Entscheidungshilfe! Ein Hämoglobinanteil von 12,1 Gramm pro Deziliter Blut, ein Leukozytenwert von 9,9, ein Cholesterinspiegel von 240 Milligramm. Was bei einer Blutuntersuchung herauskommt, können Patienten oft nicht auf Anhieb verstehen oder einordnen.

Dies berichtet Michael Neumaier, Professor an der medizinischen
Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg und Vizepräsident der
Deutschen Vereinten Gesellschaft für Klinische Chemie und
Laboratoriumsmedizin (DGKL)
. Da aber alle Organe des Körpers durchblutet
würden und Blut damit “das Hauptverkehrsnetz” für alles sei, was den
Organen zugeführt oder auch von ihnen ausgeschieden werde, bekomme seine
Zusammensetzung eine immer größere Bedeutung für die Medizin.

Proteine weisen auf Aktivitäten im Körper hin

So
kämen inzwischen 70 Prozent aller medizinischen Diagnosen oder
Therapien mit Hilfe von Laborbefunden zustande, betont der Mediziner:
“Der Mensch hat ‘nur’ 23.000 Gene, aber 500.000 verschiedene Proteine
und Proteinteilchen, die in seinem Blut umherschwimmen und auf alle
möglichen Aktivitäten im Körper hindeuten.”

Das kleine Blutbild
etwa, das beim üblichen ärztlichen Checkup gemacht wird, gibt der Ärztin
oder dem Arzt eine erste Orientierung, ob sich der Körper gerade mit
einer beginnenden Infektion auseinandersetzen muss oder ob womöglich die
Blutbildung oder Blutgerinnung gestört ist, erklärt Marion Meiners,
Ko-Autorin des Buches “Laborwerte, klar und verständlich“.

Rote Blutkörperchen transportieren Sauerstoff

“Gemessen
werden dabei Form, Eigenschaften und Beschaffenheit von Blutzellen.”
Dazu zählen zunächst einmal die Sauerstoff transportierenden roten
Blutkörperchen, im Laborbefund: Erythrozyten. “Bei Frauen sollte ein
Mikroliter Blut im Normalfall 4,1 bis 5,1 Millionen Erythrozyten
enthalten, bei Männern sind es 4,5 bis 5,9 Millionen.” Ein niedrigerer
Wert könne durch Nährstoffmangel, Entzündungen oder Blutverlust bedingt
sein, ein erhöhter durch Flüssigkeitsmangel, aber auch durch Herz-,
Lungen- oder Knochenmarkserkrankungen. Auch der Blutfarbstoff Hämoglobin
ist für den Sauerstofftransport wichtig. “Bei Frauen enthält ein
Deziliter Blut im Normalfall zwölf bis 16 Gramm Hämoglobin, bei Männern
zwischen 13,5 und 17,5 Gramm.”

Weiße Blutkörperchen bilden die Immunabwehr

Die
weißen Blutkörperchen (Leukozyten) bilden wiederum das Immunsystem des
Menschen. “Ihre Aufgabe ist es, Krankheitserreger, aber auch Gifte,
Fremdkörper oder geschädigte Zellen aufzuspüren und zu vernichten.” Bei
gesunden Erwachsenen enthalte ein Milliardstel Liter Blut 3,5 bis 10,1
Leukozyten. Eine mäßige Erhöhung deute häufig auf einen akuten
Bakterien-Infekt wie etwa eine Bronchitis hin, “aber auch Rauchen,
Allergien, Gicht, Arthritis, eine schwere Schilddrüsenüberfunktion oder
chronisch-entzündliche Erkrankungen können den Wert erhöhen”.
Verminderte Werte könnten eine bestimmte allergische Reaktion, schwere
Virusinfekte wie Grippe oder Masern, aber auch Vergiftungen zur Ursache
haben.

Blutplättchen verschließen Wunden

Die Blutplättchen
(Thrombozyten) wiederum streifen als mobile Wundambulanz durch den
Körper und sorgen dafür, dass Blutungen gestoppt werden und Wunden sich
wieder verschließen. Das Blut eines gesunden Erwachsenen enthält
zwischen 140.000 und 360.000 Blutplättchen pro Mikroliter. “Erhöhte
Werte können nach großen Blutverlusten wie etwa nach einer Operation,
bei schweren meist eitrigen Infekten (Harnwege, Atemwege), Thrombosen
oder bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen auftreten. Verminderte
Werte können auf Vitaminmängel weisen, aber auch auf schwere Anämie,
Knochenmarksschädigung, Leukämie, Autoimmunerkrankungen oder auf die
Einnahme von Rheumamedikamenten, Heparin oder Gerinnungshemmern.”

Cholesterinspiegel steigt auch bei Gesunden im Alter an

Der
Gesamtcholesterinspiegel enthält unterschiedliche Arten von Blutfetten.
Welcher Wert als gesund gilt und welcher als Risikofaktor für
Arteriosklerose und Herzinfarkt angesehen wird, sei unter Experten
strittig. “Fest steht aber, dass der Cholesterinspiegel im Blut mit dem
Alter auch bei Gesunden ansteigt. Deshalb werden von den meisten
Medizinern bei über 40-Jährigen ohne Risikofaktoren Cholesterinwerte bis
240 mg pro Deziliter noch als normal angesehen, während andere
Mediziner inzwischen einen Gesamtwert von 160 mg pro Deziliter als
Obergrenze ansehen”, erläutert Buchautorin Meiners.

Ab einem
Cholesterinwert von 200 mg pro Deziliter steige das Risiko für
Krankheiten der Herzkranzgefäße (KHK) statistisch nur mäßig, ab 250 mg
pro Deziliter stärker an. Aber auch ein zu niedriger Cholesterinspiegel
von weniger als 155 mg pro Deziliter berge Risiken: “Bei Rheumatikern
erhöht sich laut einer US-Studie das Risiko für Herzgefäßerkrankungen;
bei Gesunden steht ein zu niedriger Cholesterinspiegel im Verdacht,
Depressionen zu fördern und das Gedächtnis zu beeinträchtigen.”

Labortests müssen in Gesamtuntersuchung eingebettet sein

Bei
all den Hinweisen, die diese und andere Laboruntersuchungen geben,
dürfe man aber nie vergessen, dass es nicht die einzelnen Werte seien,
auf deren Basis man eine medizinische Aussage treffen könne, sondern
immer nur das Gesamtbild, betont Laborexperte Neumaier. “Wichtig ist vor
allem, ob die verschiedenen Werte in sich stimmig sind, und wie sie zu
dem passen, was wir sonst über den Patienten wissen.” Gebe es hier
Unklarheiten, sei das immer ein Grund für eine weiterführende
Untersuchung.

Autor: Redaktion / dapd